H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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soll­te ich wis­sen, was zu tun ist?«,

      »O, schön!«, sag­te ich und ver­stumm­te. Dann er­wach­te ich aus ei­ner Starr­heit. »O Him­mel!«, rief ich, »ich woll­te. Sie lie­ßen dies Sum­men!«

      Wir ver­san­ken wie­der in Schwei­gen und lausch­ten auf den dump­fen Wirr­warr von Geräuschen gleich den ge­dämpf­ten Lau­ten ei­ner Stra­ße oder ei­ner Fa­brik, die uns die Ohren füll­ten. Ich konn­te nicht dar­aus klug wer­den, mein Geist ver­folg­te erst einen Rhyth­mus und dann einen an­de­ren und be­frag­te ihn ver­ge­bens. Aber nach lan­ger Zeit wur­de ich mir ei­nes neu­en und schär­fe­ren Ele­ments be­wusst, das sich nicht mit dem Rest ver­misch­te, son­dern sich gleich­sam von je­nem wol­ki­gen Hin­ter­grund von Tö­nen ab­hob. Es war eine Rei­he re­la­tiv sehr we­nig be­stimm­ter Töne, ein Klop­fen und Rei­ben, wie wenn ein lo­ser Efeuzweig an ein Fens­ter schlägt, oder ein Vo­gel auf ei­ner Schach­tel um­her­hüpft. Wir lausch­ten und späh­ten um uns, aber das Dun­kel war eine sam­me­te­ne De­cke. Es folg­te ein Geräusch wie die fei­ne Be­we­gung der Hem­mung ei­ner gut ge­öl­ten Uhr. Und dann er­schi­en vor mir, gleich­sam in ei­ner schwar­zen Uner­mess­lich­keit hän­gend, eine dün­ne hel­le Li­nie.

      »Sehn Sie!«, flüs­ter­te Ca­vor sehr lei­se.

      »Was ist das?«

      »Ich weiß nicht.«

      Wir starr­ten hin.

      Die dün­ne hel­le Li­nie wur­de ein Band und brei­ter und blas­ser. Sie nahm den Cha­rak­ter ei­nes bläu­li­chen Lich­tes an, das auf eine ge­tünch­te Wand fiel. Sie hör­te auf, par­al­lel­sei­tig zu sein; sie ent­fal­te­te auf ei­ner Sei­te eine tie­fe Zah­nung. Ich wand­te mich, um Ca­vor dar­auf auf­merk­sam zu ma­chen, und sah sein Ohr mit Ent­set­zen in glän­zen­der Be­leuch­tung – sonst lag er ganz im Schat­ten. Ich dreh­te den Kopf her­um, so gut mei­ne Fes­seln es mir er­lau­ben woll­ten. »Ca­vor«, sag­te ich, »das ist hin­ten!«

      Sein Ohr ver­schwand – wich ei­nem Auge!

      Plötz­lich ver­brei­te­te sich der Spalt, der das Licht ein­ge­las­sen hat­te, und of­fen­bar­te sich als der Rah­men ei­ner sich öff­nen­den Tür. Da­hin­ter lag ein bläu­li­cher Durch­blick, und in der Tür stand eine gro­tes­ke Sil­hou­et­te vor dem Glan­ze.

      Wir mach­ten bei­de krampf­haf­te An­stren­gun­gen, uns um­zu­dre­hen, und da uns das nicht ge­lang, sa­ßen wir da und starr­ten über un­se­re Schul­tern weg nach hin­ten. Mein ers­ter Ein­druck war der ei­nes plum­pen Vier­fü­ßers mit ge­senk­tem Kopf. Dann sah ich, dass es der schlan­ke, zu­sam­men­ge­knif­fe­ne Leib mit den kur­z­en und au­ßer­or­dent­lich ver­dünn­ten, ge­bo­ge­nen Bei­nen ei­nes Se­le­ni­ten war, der den Kopf zwi­schen die Schul­tern ge­drückt hielt. Er war ohne Helm und ohne die Leib­be­de­ckung, die sie äu­ßer­lich tra­gen.

      Er war für uns eine lee­re, schwar­ze Ge­stalt, aber in­stink­tiv lieh un­se­re Fan­ta­sie sei­nem sehr mensch­li­chen Um­riss Züge. Ich we­nigs­tens nahm so­fort an, dass er et­was Buck­li­ges mit ho­her Stirn und lan­gen Zü­gen war.

      Er kam drei Schrit­te nä­her und blieb eine Zeit lang ste­hen. Sei­ne Be­we­gun­gen schie­nen ab­so­lut ge­räusch­los. Dann kam er von neu­em nä­her. Er ging wie ein Vo­gel, sei­ne Füße tra­ten ei­ner vor den an­de­ren. Er trat aus dem Licht­strahl, der durch die Tür ein­fiel, her­aus, und es schi­en, als ver­schwin­de er völ­lig im Schat­ten.

      Ei­nen Mo­ment such­ten mei­ne Au­gen ihn am falschen Ort, und dann sah ich ihn im vol­len Licht vor uns bei­den ste­hen. Nur wa­ren die mensch­li­chen Züge, die ich ihm ge­lie­hen hat­te, durch­aus nicht da.

      Na­tür­lich hät­te ich das er­war­ten sol­len; ich tat es nur nicht. Es traf mich als ein ab­so­lu­ter für einen Mo­ment über­wäl­ti­gen­der Schlag. Es war, als sei es kein Ge­sicht, als müs­se es durch­aus eine Mas­ke sein, ein Grau­en; eine Un­förm­lich­keit, die als­bald Lü­gen ge­straft oder er­klärt wer­den wür­de. Es war kei­ne Nase vor­han­den, und das We­sen hat­te stump­fe, bau­chi­ge Au­gen auf der Sei­te – in der Sil­hou­et­te hat­te ich sie für Ohren ge­hal­ten. Ohren wa­ren nicht da … Ich habe ver­sucht, einen die­ser Köp­fe zu zeich­nen, aber ich kann es nicht. Ein Mund war vor­han­den, nach un­ten ge­bo­gen wie der mensch­li­che Mund in ei­nem wild star­ren­den Ge­sicht …

      Der Hals, auf dem der Kopf saß, war an drei Stel­len mit Ge­len­ken ver­se­hen, fast wie die kur­z­en Ge­len­ke an ei­nem Krebs­bein. Die Ge­len­ke der Glie­der konn­te ich nicht se­hen, weil sie in Bin­den gehüllt wa­ren, die die ein­zi­ge Klei­dung aus­mach­ten, die das We­sen trug.

      Da stand das Ding und blick­te uns an.

      Mein Geist wur­de ganz von der tol­len Un­mög­lich­keit des Ge­schöp­fes in An­spruch ge­nom­men. Ich glau­be, er sel­ber war auch ent­setzt, und viel­leicht mit mehr Grund zum Ent­set­zen als wir. Nur, zum Hen­ker! er zeig­te es nicht. Wir wuss­ten we­nigs­tens, was die­se Be­geg­nung un­ver­ein­ba­rer Ge­schöp­fe zu­stan­de ge­bracht hat­te. Aber man stel­le sich vor, wie es zum Bei­spiel an­stän­di­gen Lon­do­nern Vor­kom­men wür­de, wenn sie auf ein Paar le­ben­der We­sen stie­ßen, so groß wie Men­schen und al­len an­de­ren ir­di­schen Tie­ren ab­so­lut un­ähn­lich, und die­se Ge­schöp­fe lie­fen un­ter den Scha­fen im Hyde Park um­her! So muss es ihm vor­ge­kom­men sein.

      Man stel­le sich uns vor! Wir wa­ren an Hand und Fuß ge­bun­den, er­mü­det und schmut­zig; un­se­re Bär­te zwei Zoll lang, und un­se­re Ge­sich­ter ver­schrammt und blu­tig. Ca­vor muss man sich in sei­nen Knie­ho­sen den­ken (die an meh­re­ren Stel­len von dem Ba­jo­nett­strauch zer­ris­sen wa­ren), in sei­nem Jä­ger­hem­de und sei­ner al­ten Kricket­müt­ze, sei­nem sträh­ni­gen Haar in so wil­der Un­ord­nung, dass es eine Sträh­ne in jede Him­mels­rich­tung streck­te. In die­sem blau­en Lich­te sah sein Ge­sicht nicht rot aus, son­dern sehr dun­kel, sei­ne Lip­pen und das trock­nen­de Blut auf mei­nen Hän­den er­schie­nen schwarz. Wo­mög­lich war ich in noch schlim­me­rer Ver­fas­sung als er, weil ich noch in den gel­ben Schwamm­pilz hin­ein­ge­sprun­gen war. Un­se­re Ja­cken wa­ren auf­ge­knöpft, und un­se­re Schu­he wa­ren uns aus­ge­zo­gen und la­gen zu un­sern Fü­ßen. Und wir sa­ßen mit dem Rücken nach die­sem wun­der­li­chen blau­en Licht ge­wen­det und späh­ten auf ein Un­ge­heu­er, wie Dü­rer es hät­te er­fin­den kön­nen.

      Ca­vor un­ter­brach die Stil­le; be­gann zu re­den, wur­de hei­ser und räus­per­te sich. Drau­ßen be­gann ein schreck­li­ches Brül­len, als wäre ein Mond­kalb in Not. Es en­de­te mit ei­nem Krei­schen, und dann war al­les wie­der still.

      Plötz­lich mach­te der Se­le­nit kehrt, schwenk­te in den Schat­ten, stand einen Mo­ment an der Tür still und blick­te zu­rück und schloss sie dann, und noch ein­mal wa­ren wir in die­sem mur­meln­den Ge­heim­nis des Dun­kels, in das wir er­wacht wa­ren.

      13 – Mr. Cavor stellt ein paar Vermutungen auf

      Eine Zeit lang sprach kei­ner von uns. All die Din­ge, die wir über uns ge­bracht hat­ten, in einen Brenn­punkt zu brin­gen, schi­en mei­ne Geis­tes­kräf­te zu über­stei­gen.

      »Sie ha­ben uns«, sag­te ich schließ­lich.

      »Es war die­ser Pilz!«

      »Ja – wenn ich ihn nicht ge­ges­sen hät­te, wä­ren wir schwach ge­wor­den und ver­hun­gert.«

      »Wir


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