H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

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über­leg­te. »Das sehe ich nicht ein. Wo Geis­ter sind, wer­den sie et­was Ähn­li­ches ha­ben – selbst wenn sie auf ver­schie­de­nen Pla­ne­ten ent­wi­ckelt sind. Na­tür­lich, wenn es eine Fra­ge der In­stink­te wäre, wenn wir oder sie nichts wä­ren als Tie­re – –«

      »Ja, sin­d sie et­was an­de­res? Sie glei­chen viel eher Amei­sen auf den Hin­ter­bei­nen als mensch­li­chen We­sen, und wer ist je mit Amei­sen zu ir­gend­wel­cher Ver­stän­di­gung ge­kom­men?«

      »Aber die­se Ma­schi­nen und die Klei­dung! Nein, ich bin nicht Ih­rer Mei­nung, Bed­ford. Der Un­ter­schied ist groß – –«

      »Er ist un­über­steig­lich.«

      »Die Ähn­lich­keit muss ihn über­brücken. Ich er­in­ne­re mich, dass ich ein­mal einen Auf­satz von dem ver­stor­be­nen Pro­fes­sor Gal­ton über die Mög­lich­keit ei­ner Mit­tei­lung zwi­schen den Pla­ne­ten ge­le­sen habe. Lei­der schi­en es mir da­mals nicht wahr­schein­lich, dass mir das von ir­gend­wie ma­te­ri­el­lem Nut­zen sein könn­te, und ich fürch­te, ich habe ihm nicht die Auf­merk­sam­keit ge­schenkt, die ich ihm hät­te schen­ken sol­len – wenn man die­sen Stand der Din­ge be­rück­sich­tigt. Aber … Halt, las­sen Sie mich se­hen! – Sei­ne Idee war, mit je­nen all­ge­mei­nen Wahr­hei­ten zu be­gin­nen, die al­len denk­ba­ren geis­ti­gen Exis­ten­zen zu­grun­de lie­gen müs­sen, und dar­auf eine Ba­sis zu be­grün­den. Zu­nächst mit den großen Prin­zi­pi­en der Geo­me­trie. Er schlug vor, ir­gend­ei­nen füh­ren­den Lehr­satz des Eu­k­lid zu neh­men und durch Kon­struk­ti­on zu zei­gen, dass uns sei­ne Wahr­heit be­kannt sei, zum Bei­spiel zu be­wei­sen, dass die Win­kel an der Ba­sis ei­nes gleich­sei­ti­gen Drei­ecks gleich sind, und dass, wenn man die glei­chen Sei­ten ver­län­gert, auch die Win­kel auf der an­de­ren Sei­te der Ba­sis gleich sind, oder dass das Qua­drat auf der Hy­po­te­nu­se ei­nes recht­wink­li­gen Drei­ecks gleich der Sum­me der Qua­dra­te über den bei­den Ka­the­ten ist. Da­durch, dass wir un­se­re Kennt­nis die­ser Din­ge dar­tä­ten, wür­den wir zei­gen, dass wir im Be­sitz ei­nes ver­nünf­ti­gen In­tel­lekts sind … Wenn ich nun … wenn ich die geo­me­tri­sche Fi­gur mit ei­nem nas­sen Fin­ger zeich­ne­te, oder sie auch nur in der Luft an­deu­te­te …«

      Er ver­stumm­te. Ich über­leg­te sei­ne Wor­te. Eine Zeit lang bann­te mich die­se wil­de Hoff­nung aus Mit­tei­lung, auf Ver­stän­di­gung mit die­sen ge­spens­ti­schen We­sen. Dann nahm jene zor­ni­ge Verzweif­lung, die ein Teil mei­ner Er­schöp­fung und mei­nes phy­si­schen Elends war, ihre Herr­schaft wie­der auf. Ich sah mit plötz­li­cher, neu­er Le­ben­dig­keit, wie furcht­bar tö­richt al­les war, was ich je ge­tan hat­te. »Esel!«, sag­te ich, »o, Esel, un­säg­li­cher Esel … es scheint, ich bin nur da, um her­um­zu­lau­fen und wi­der­sin­ni­ge Din­ge zu tun … Wa­rum ha­ben wir das Ding je­mals ver­las­sen? … Hüp­fen auf der Su­che nach Pa­ten­ten und Kon­zes­sio­nen in den Mond­kra­tern her­um! … Wenn wir nur den Ver­stand ge­habt hät­ten, ein Ta­schen­tuch an einen Stock zu bin­den, um zu zei­gen, wo wir die Sphä­re ge­las­sen ha­ben!«

      Ich sank in Wut zu­sam­men.

      »Es ist klar«, über­leg­te Ca­vor, »sie sind in­tel­li­gent. Man kann ge­wis­se Din­ge auf­stel­len. Da sie uns nicht so­fort ge­tö­tet ha­ben, müs­sen sie Ge­dan­ken des Er­bar­mens ha­ben. Des Er­bar­mens! auf je­den Fall der Selbst­be­herr­schung. Vi­el­leicht des Ver­kehrs. Sie wer­den uns viel­leicht ent­ge­gen­kom­men. Und die­ser Raum und der Ein­druck, den wir von sei­nem Hü­ter hat­ten. Die­se Fes­seln! Ein ho­her Grad von In­tel­li­genz!«

      »Ich woll­te zum Him­mel«, rief ich, »ich hät­te nur zwei­mal ge­dacht! Sprung nach Sprung. Erst ein An­fang aufs Ge­ra­te­wohl und dann ein zwei­ter. Es war mein Ver­trau­en zu Ih­nen! Wa­rum bin ich nicht bei mei­nem Dra­ma ge­blie­ben? Dem war ich ge­wach­sen. Das war mei­ne Welt, und das Le­ben, zu dem ich ge­schaf­fen war. Das Dra­ma hät­te ich zu Ende brin­gen kön­nen. Ich bin si­cher … es war ein gu­tes Dra­ma. Ich hat­te das Sze­na­ri­um so gut wie fer­tig. Dann … stel­len Sie sich vor! auf den Mond zu sprin­gen! Prak­tisch be­trach­tet – hab’ ich mein Le­ben weg­ge­wor­fen! Die alte Frau in dem Gast­ho­fe bei Can­ter­bu­ry hat­te mehr Ver­stand.«

      Ich blick­te auf und un­ter­brach mich mit­ten im Satz. Die Dun­kel­heit war von neu­em dem bläu­li­chen Lich­te ge­wi­chen. Die Tür ging auf, und meh­re­re ge­räusch­lo­se Se­le­ni­ten ka­men in den Raum. Ich wur­de ganz still und starr­te ihre gro­tes­ken Ge­sich­ter an.

      Dann ver­wan­del­te sich plötz­lich mei­ne Emp­fin­dung un­an­ge­neh­mer Fremd­heit in In­ter­es­se. Ich sah, dass der vor­ders­te und der zwei­te Schüs­seln tru­gen. Ein ele­men­ta­res Be­dürf­nis we­nigs­tens konn­ten un­se­re Geis­ter ge­mein­sam ver­ste­hen. Es wa­ren Schüs­seln aus ei­nem Me­tall, das wie un­se­re Fes­seln in dem bläu­li­chen Licht dun­kel aus­sah, und jede ent­hielt eine An­zahl weiß­li­cher Frag­men­te. All der neb­li­ge Schmerz und das Elend, das mich be­drück­te, stürz­te zu­sam­men und nahm die Ge­stalt des Hun­gers an. Ich blick­te wöl­fisch nach die­sen Schüs­seln, und ob­gleich es mich in Träu­men heim­ge­sucht hat, da­mals er­schi­en es mir als eine Klei­nig­keit, dass am Ende der Arme, die ei­ner zu mir senk­te, kei­ne Hän­de sa­ßen, son­dern eine Art Lap­pen und ein Dau­men, wie am Ende ei­nes Ele­fan­ten­rüs­sels.

      Das Zeug in der Schüs­sel war lo­sen Ge­we­bes und von weiß­lich brau­ner Far­be – etwa wie Stücke ei­nes kal­ten souf­flé, und es roch wie Pil­ze. Nach ei­nem teil­wei­se ge­öff­ne­ten Leich­nam ei­nes Mond­kal­bes, den wir bald dar­auf zu se­hen be­ka­men, nei­ge ich zu dem Glau­ben, dass es Mond­kalb­fleisch ge­we­sen sein muss.

      Mir wa­ren die Hän­de zu eng ge­fes­selt, dass es mir kaum ge­lin­gen woll­te, die Schüs­sel zu er­rei­chen; aber als sie mei­ne An­stren­gung sa­hen, lös­ten zwei von ih­nen sehr ge­wandt eine der Win­dun­gen um mein Hand­ge­lenk. Ich fass­te so­fort einen Bis­sen von der Nah­rung. Sie war eben­so lo­ser Tex­tur, wie sie auf dem Mond al­les or­ga­ni­sche Wachs­tum zu ha­ben scheint; sie schmeck­te etwa wie eine Waf­fel oder ein nas­ser Bai­ser, aber sie war durch­aus nicht un­an­ge­nehm. Ich nahm zwei wei­te­re Bis­sen. »Ich muss­te – es­sen!«, sag­te ich und riss ein noch grö­ße­res Stück ab …

      Eine Zeit lang aßen wir in äu­ßers­ter Selbst­ver­ges­sen­heit. Wir aßen und tran­ken dann auch wie Land­strei­cher in ei­ner Gar­kü­che. Nie zu­vor oder seit­her bin ich bis zu dem ra­sen­den Gra­de heiß­hung­rig ge­we­sen, und hät­te ich es nicht er­lebt, ich hät­te nie glau­ben kön­nen, dass ich eine Vier­tel­mil­li­on Mei­len von un­se­rer ei­gent­li­chen Welt ent­fernt in äu­ßers­ter See­len­be­klem­mung, um­ge­ben, be­ob­ach­tet, be­rührt von gro­tes­ke­ren und un­mensch­li­che­ren We­sen, als es die schlimms­ten Schöp­fun­gen ei­nes Albs sind, in äu­ßers­ter Ver­ges­sen­heit all die­ser Din­ge hät­te es­sen kön­nen.

      Sie um­stan­den uns und be­ob­ach­te­ten uns, und hin und wie­der ga­ben sie ein lei­ses, flüch­ti­ges Zwit­schern von sich, das, glau­be ich, bei ih­nen die Stel­le der Spra­che ver­trat. Ich schau­der­te nicht ein­mal bei ih­rer Berüh­rung. Und als der ers­te Ei­fer mei­nes Es­sens vor­über war, konn­te ich be­mer­ken, dass auch Ca­vor mit der­sel­ben scham­lo­sen Hin­ge­bung ge­ges­sen hat­te.

      14 – Experimente der Mitteilung

      Als


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