H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells
auf die Füße und, mich duckend und jede Gelegenheit eines Verstecks benützend, lief ich auf die Hütte zu. Ich hämmerte an der Türe, fand aber bei den Leuten kein Gehör (wenn andere Leute da waren). Nach einiger Zeit gab ich es auf, und während des größten Teiles meines Weges von einem pfützenartigen Graben Gebrauch machend, gelangte ich kriechend und von jenen riesigen Maschinen unbemerkt, in das Fichtengehölz von Maybury.
Unter dem Schutze der Bäume tastete ich mich, nass und durchfröstelt, bis zu meinem Haus durch. Ich versuchte, im Wald gehend, den Fußweg zu finden. Es war völlig dunkel im Gehölz; die Blitze wurden seltener, und der Hagel, der in Strömen niederklatschte, fiel in Säulen durch die Lücken der dichten Zweige.
Hätte ich die Bedeutung aller der Erscheinungen, die ich gesehen hatte, klar erfasst, dann hätte ich wohl unverzüglich den Weg über Byfleet nach Street Chobham eingeschlagen und wäre auf diese Weise zurückgekehrt, um mich mit meiner Frau in Leatherhead wieder zu vereinigen. Aber in jener Nacht verhinderten mich die Seltsamkeit meiner Erlebnisse und mein elendes körperliches Befinden daran; denn ich war zerschunden, ermattet, bis auf die Haut durchnässt, und vom Sturm betäubt und geblendet.
Ich hatte nur ganz unbestimmt den Plan, nach meinem Haus zu gelangen, und das war der einzige Gedanke, der mich erfüllte. Ich stolperte über die Baumstrünke, fiel in eine Pfütze, verletzte meine Knie an einer Planke, und stapfte mich endlich bis zu dem Wege durch, der vom Gasthaus »Zum College-Wappen« hinunterführt. Ich sage stapfte, denn das stürmische Wasser schwemmte den Sand in schmutzigen Wildbächen den Hügel hinab. In dieser Dunkelheit taumelte plötzlich ein Mann gegen mich und stieß mich fast zu Boden.
Er stieß einen Schreckensschrei aus, sprang zur Seite und rannte wie besessen davon, bevor ich meine Gedanken so weit sammeln konnte, um mit ihm zu sprechen. Aber die Wut des Sturmes war gerade an dieser Stelle so heftig, dass ich nur mit dem Aufgebot meiner ganzen Kräfte den Weg hügelaufwärts gewinnen konnte. Ich ging dicht an das Geländer zu meiner Linken heran und tastete mich an den Planken weiter.
Nahe der Spitze des Hügels stolperte ich über etwas Weiches und beim Zucken eines Blitzes, sah ich zu meinen Füßen eine Masse schwarzen Tuches und ein paar Stiefel. Bevor ich deutlich ersehen konnte, in welchem Zustand der Mann dalag, war das Flackern des Lichtes wieder verschwunden. Ich blieb über ihn gebeugt stehen und wartete auf den nächsten Blitz. Als er kam, sah ich, dass es ein kräftiger Mann war, einfach aber nicht schäbig gekleidet, sein Kopf war unter seinem Körper verborgen, und er lag zusammengekrümmt hart am Geländer, als wäre er heftig gegen den Zaun geschleudert worden.
Den Widerwillen, der bei einem Menschen, welcher noch nie zuvor einen toten Körper berührt hatte, natürlich war, bekämpfend, bückte ich mich nieder und kehrte ihn um, nach seinem Herzen fühlend. Er war tot. Offenbar war sein Genick gebrochen. Ein dritter Blitz zuckte, und das Gesicht des Mannes leuchtete auf. Ich sprang auf meine Füße. Es war der Wirt des »Gefleckten Hundes«, dessen Wagen ich gemietet hatte.
Ich stieg behutsam über ihn und eilte den Hügel weiter hinauf. Ich nahm meinen Weg an der Polizei-Wachstube und dem »College-Wappen« vorbei nach meinem Haus. Nichts brannte auf der Hügelseite, aber auf der Weide sah man einen roten Schein und ein wildes Qualmen rotgelben Rauches kämpfte mit dem niederströmenden Hagel. Soweit ich es beim Licht der Blitze unterscheiden konnte, waren die Häuser in meiner Umgebung meist unversehrt. Vor dem Gasthaus lag eine dunkle Masse auf der Straße.
Von der Straße, abwärts gegen die Maybury-Brücke zu, hörte ich Stimmen und das Geräusch von Füßen. Aber ich hatte nicht den Mut zu rufen oder hinzugehen. Ich öffnete die Türe mit meinem Hausschlüssel, trat ein, verschloss und verriegelte das Tor, stolperte bis zum Fuß der Treppe und setzte mich nieder. Meine Einbildungskraft war erfüllt von jenen sausenden metallischen Ungetümen, und von dem toten Körper, der gegen das Geländer geschleudert war.
Ich verkroch mich am Fuß der Treppe, meinen Rücken an die Mauer lehnend und fieberte heftig.
XI. Am Fenster
Ich habe bereits erwähnt, dass die Stürme meiner Erregung die Eigenheit haben, sich zu erschöpfen. Nach einiger Zeit entdeckte ich, dass ich kalt und nass sei, und bemerkte einige kleine Wasserpfützen, die sich auf dem Stiegenteppich gebildet hatten. Ich stand fast mechanisch auf, ging ins Speisezimmer und trank etwas Whiskey. Dann erst fühlte ich die Notwendigkeit, meine Kleider zu wechseln.
Nachdem ich das getan hatte, ging ich die Stiege hinauf in mein Studierzimmer; aber warum ich das tat, weiß ich nicht. Das Fenster meines Studierzimmers blickte über die Bäume und die Eisenbahn hinweg, auf die Horsell-Weide. In der Hast unserer Abreise war dieses Fenster offengeblieben. Der Weg war dunkel, und im Gegensatz zu dem Bild, das der Fensterrahmen einschloss, schien diese Seite des Zimmers undurchdringlich finster zu sein. Ich blieb auf der Türschwelle stehen.
Das Gewitter war vorüber. Die Türme der orientalischen Schule und die Fichtenbäume, die sie umgeben hatten, waren verschwunden. In weiter Ferne war, von einem lebhaften roten Schein erhellt, die Weide um die Sandgruben herum sichtbar. Jenseits des Lichtes bewegten sich riesengroße, schwarze Gestalten, grotesk und seltsam, und liefen geschäftig hin und her.
Es schien in der Tat so, als stünde das ganze Land in jener Gegend in Flammen. Eine breite Hügelseite war besät mit winzigen Feuerzungen, die in den Windstößen des sterbenden Sturmes sich wanden und drehten und einen roten Widerschein auf die Wolkenzüge über ihnen warfen. Von Zeit zu Zeit trieb ein Rauchschleier, der von einer näheren Feuersbrunst kam, am Fenster vorbei und verhüllte die Gestalten der Marsleute. Ich konnte nicht sehen, was sie machten, noch vermochte ich deutlich ihre Formen auszunehmen; am allerwenigsten war ich imstande, die schwarzen Gegenstände zu erkennen, mit denen sie sich so geschäftig befassten. Auch konnte ich das nähere Feuer nicht entdecken, obwohl sein Widerschein an den Wänden und der Decke meines Studierzimmers tanzte. Ein scharfer, harziger Geruch von Feuer war in der Luft.
Geräuschlos schloss ich die Türe und schlich gegen das Fenster zu. Je näher ich kam, desto mehr weitete sich mein Ausblick, bis er auf der einen Seite die Häuser am Bahnhof von Woking, auf der anderen das verkohlte und geschwärzte Fichtengehölz von Byfleet erreichte. Unten am Fuße des Hügels, bei der Eisenbahn, nahe dem Schwibbogen, war ein Licht zu bemerken, und mehrere Häuser an der Maybury Road und in den Gassen beim Bahnhof waren nichts als glimmende Trümmer. Das Licht auf der Bahnstrecke machte mich zuerst stutzig; ich sah eine schwarze Masse und einen