TO DIE FOR - Gnadenlose Jagd. Phillip Hunter

TO DIE FOR - Gnadenlose Jagd - Phillip Hunter


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im Büro ist, gehst du ran. Die Sicherheitsfirma wird mit niemand anderem sprechen wollen. Wenn jemand zuhört, dann beschränke das Gespräch auf das Nötigste.«

      »Okay.«

      Beckett gab Warren einen Notizblock und einen Kuli.

      »Jetzt schreibst du den Sicherheitscode für den Hintereingang auf.«

      Warrens Hände zitterten zu sehr, um schreiben zu können. Er holte tief Luft, riss sich zusammen und schrieb dann eine Nummer auf den Block. Beckett nahm ihm den Block und den Stift wieder ab, sah sich die Nummer an und ließ sie ihn wiederholen.

      »Gut. Jetzt mach dich sauber. Zieh dir ein neues Hemd an. Dann machen du, ich und Mr. Smith da drüben uns auf den Weg, steigen in unsere Wagen und fahren zurück zum Casino. Verstanden?«

      »Kann ich mit meiner Frau sprechen?«

      »Sicher.«

      Simpson zog der Frau das Klebeband vom Mund. Sie spie den Knebel aus.

      Beckett zog ein Telefon aus seiner Jackentasche und rief Walsh an. Der fuhr zusammen mit Jenson im Auto in der Gegend herum, sorgfältig darauf bedacht, Hauptstraßen und Überwachungskameras zu meiden. Die Route hatten sie gecheckt, was in einem Vorort wie diesem nicht schwer war.

      »Fünf Minuten«, ließ Beckett ihn wissen.

      Warren lief steif zu seiner Frau. Ein paar Schritte vor ihr blieb er stehen und zog seine Kleidung zurecht. Sie sah zu ihm auf.

      »Tue einfach, was sie von dir verlangen«, sagte sie.

      »Das werde ich. Geht es dir gut?«

      »Ja.«

      »Es wird alles wieder gut.« Er sah sie an, wusste aber nicht, was er noch sagen sollte.

      »Tue es, Paul«, sagte seine Frau.

      Beckett zog an seinem Ärmel.

      »Es geht los.«

      Simpson stopfte der Frau den Knebel zurück in den Mund und klebte das Tape wieder darüber. Alles ganz professionell. Warren beugte sich vor und küsste seine Frau auf die Stirn, dann wandte er sich um und kam zu uns zurück. Mich wollte er nicht ansehen.

      »Tun Sie ihr bloß nicht weh«, sagte er zu Beckett.

      »Liegt ganz bei dir.«

      Ich hörte, wie sie die Treppen nach oben gingen. Die Frau schwieg und sah zu. Im Zimmer war es still. Das einzige Geräusch kam von oben. Die Dielen knarzten, eine Schranktür wurde geöffnet. Wir drei warteten. Simpson warf mir einen Blick zu, schaute dann in eine andere Richtung. Er streckte die Finger, dehnte dabei das dünne Leder, und begann, im Raum auf- und abzulaufen. Die Frau beobachtete ihn mit aufgerissenen Augen, aber er ignorierte sie jetzt. Lief hin und her, angespannter Kiefer, steifes Genick. Oben floss irgendwo Wasser in ein Waschbecken. Simpson sah zur Decke.

      Das war der leichte Teil. Ich konnte nicht sagen, mit wie viel Widerstand sie rechneten, wenn sie das Casino ausraubten, aber eines war klar: Simpson war kurz davor, die Nerven zu verlieren.

      Ich kannte ihn nicht. Wusste nicht, welche Jobs er schon gemacht hatte, und wie er sie gemacht hatte. Ich dachte nach.

      Um ehrlich zu sein, wusste ich auch kaum etwas über die anderen. Jenson war ein großer schlaksiger Mann mit weißblonden Haaren und machte die ganze Zeit über blöde Witze, was einem schnell auf die Nerven ging. Walsh war der Kleinste der Truppe, drahtig, überall Tätowierungen. Ich hatte kaum mit ihnen gesprochen, dafür war keine Zeit gewesen. Nur wenige Tage zuvor erfuhr ich, was ich tun sollte. Beckett, Walsh und Jenson arbeiteten seit Jahren zusammen und hatten schon ein paar Dinger durchgezogen. Kendall meinte, dass sie zusammenhielten. Mir als Außenstehendem aber vertrauten sie nicht. Das war in Ordnung. Ich machte den Job nur deshalb, weil Kendall bisher immer darauf bedacht war, keine Cowboys anzuheuern.

      Simpson hörte mit seiner Herumlauferei auf und sah mich an.

      »He, was hältst du von der Sache?«, fragte er.

      Ich wollte ihn gerade fragen, was er meint, als Beckett mit Warren im Schlepptau zurückkam. Warren sah jetzt ordentlich aus und hatte sich beruhigt. Simpson machte die Tischlampe aus. Im Zimmer wurde es dunkel. Die drei verließen den Raum. Ich hörte, wie sich die Vordertür öffnete und wieder schloss. Es war 01:45 Uhr. Seit die Frau ihren Mann angerufen hatte, war weniger als eine Stunde vergangen.

      Ich zog mir einen Sessel an die hintere Wand und setzte mich. Wartete. Mir blieben noch etwa fünf Stunden.

      Zuerst starrte sie mich an. Sah mir direkt in die Augen, unerschrocken, unerbittlich. Die Frau hatte Nerven. Mehr als ihr Ehemann. Ich saß da und starrte zurück. Sie hasste mich aus vollem Herzen. Ich nahm's nicht persönlich. Berührte mich nicht. Nach einer Stunde oder so hatte sie genug davon, mich zu hassen und begann, herumzuzappeln. Rutschte auf ihrem Stuhl herum, soweit es das Klebeband zuließ. Alles sie einsah, dass sie sich nicht befreien konnte, ließ sie den Kopf hängen und schloss die Augen. Ich denke nicht, dass sie eingeschlafen war. Gegen vier Uhr nahm ich eine Wasserflasche aus meinem Jackett und trank ausgiebig. Mit der Flasche ging ich zu der Frau hinüber und nahm ihr den Knebel ab. Ihr Kopf schnellte nach hinten.

      »Binden Sie mich los«, sagte sie. »Bitte. Ich werde auch nicht weglaufen oder so.«

      Ich hob die Flasche an ihren Mund, kippte an. Sie spuckte, versuchte zu reden, während ihr das Wasser in den Mund floss. Als sie genug hatte, nahm ich die Flasche herunter. Wartete, bis sie mit Husten aufhörte.

      »Ich muss aufs Klo. Bitte. Bitte.« Ich wischte ihr den Mund ab. »Bitte.«

      Ich schob den Knebel zurück und klebte das Tape wieder darüber. Sie kämpfte gegen mich an, schüttelte wild ihren Kopf, vor und zurück. Ich nahm wieder in meinem Sessel Platz und sah ihr vierzig Minuten lang zu, wie sie undeutlich bettelnd und mit Schweiß auf der Stirn gegen ihre Fesseln ankämpfte. Dann urinierte sie, ihr Körper zuckte unter ihrem Schluchzen. Danach war sie still, eingesunken auf ihrem Stuhl. Ein säuerlicher Geruch hing jetzt in der Luft, der sich mit dem süßen Blumenduft und der Wärme eines gemütlich eingerichteten Hauses vermischte. Ekelhaft.

      Es war 06:52 Uhr, als mein Telefon klingelte.

      »Wir sind fertig«, sagte Beckett.

      Als ich aufstand, sah sie mich böse an. Ich lief in den Flur, nahm die Strumpfmaske ab, öffnete die Eingangstür und zog die Handschuhe aus. Die Tür ließ ich hinter mir ins Schloss fallen.

      Draußen war es kalt. Ich brauchte etwa eine halbe Stunde zu der Bushaltestelle, die ich zuvor ausgekundschaftet hatte. Von hier aus würde ich den Bus nach Walthamstow Central nehmen und dort umsteigen. Ich dachte nicht mehr an den Job … oder Warren … oder Warrens Frau … oder Becket.

      Es wurde langsam hell. Der Himmel hatte die Farbe von Beton angenommen. Ich lief an einem Spielfeld vorbei, aufgeworfen und von einer Reihe Limettenbäume bewacht, die aussahen, als hätte sie jemand mit Kohle auf graues Papier gekritzelt. Krähen schrien in der morgendlichen Stille. Ich überholte einen alten Mann, der sich irgendwohin quälte, gebeugt über eine Gehhilfe, wegen einer Sache, die er selbst nicht verstand oder die ihn nicht interessierte, einfach nur immer weiter. Ich lief an einer Reihe von Doppelhäusern in den gleichen tristen Grautönen vorbei. Grau von den Abgasen, dem sauren Regen, dem Ton von Gleichförmigkeit, so als hätte der Kontakt mit der Umgebung das Leben aus ihnen herausgewaschen. Ich lief an all diesen Dingen vorbei, nahm sie kaum wahr, interessierte mich nicht dafür.

      Kapitel 2

      Als ich aufwachte, was es früher Nachmittag und noch immer trüb. So etwas Ähnliches wie Tageslicht kroch durch die kleinen Fenster, gab auf halber Strecke auf und überließ das hintere Ende des Zimmers der Dunkelheit. Von unten schwirrte der Lärm der Hauptstraße herauf, ein Laster oder ein Bus dröhnte mit einem tieferen Brummen vorbei. Ich lag da, hörte zu und sah zur rissigen Decke hinauf, weit weg von allem. Wieder ein Tag, den man überstehen musste. Wieder ein Tag, den man von der Liste streichen konnte.

      Erneut


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