TO DIE FOR - Gnadenlose Jagd. Phillip Hunter

TO DIE FOR - Gnadenlose Jagd - Phillip Hunter


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meine Haare taten weh.

      Acht Jahre später schien er sein Versprechen gehalten zu haben. Ein einfacher Job, leicht verdientes Geld. Alles, was ich zu tun hatte, war auf seinen Anruf zu warten.

      Ich besaß kein eigenes Telefon. Ein paar Türen weiter war ein Zeitungsladen, und der Eigentümer, ein Typ namens Akram, nahm die Anrufe für mich entgegen. Er brachte mir eine Nachricht, und dann traf ich mich mit Kendall oder rief von einem öffentlichen Telefon zurück. Akram war außerdem mein Vermieter. Ihm gehörten drei Häuser an der Straße. Ich hatte eine Abmachung mit ihm: Er bezahlte alle Rechnungen und ich gab ihm das Geld bar auf die Hand. Nirgendwo tauchte mein Name auf. Vor Kurzem bin ich in ein Einzelzimmer umgezogen. Das habe ich gemacht, weil Akrams Verwandte aus Pakistan herüberkamen und Akram, der für sie aufkam, die Kosten so niedrig wie möglich halten wollte. Und weil seine alte Großmutter nicht mehr so gut die Treppen raufkam.

      Ein Makler hätte die Dachgeschosswohnung für renovierungsbedürftig eingestuft. Der Putz an den Rändern der einfachen Fenster bröckelte und es kam kalte Luft herein. Im Sommer würde es in dem Zimmer bestimmt heiß sein. Im Februar war es scheißkalt. Der Vormieter, ein alter Mann, der Selbstgedrehte rauchte und mit jedem Tag schlimmer keuchte, wenn er die Treppen bis in den vierten Stock hinaufstieg, hatte nie genug Geld besessen, um sich einen neuen Herd oder eine Lage Farbe zu leisten. Aber das machte nichts. Die Wohnung war weit genug von anderen Leuten entfernt, und das genügte mir. Ich hatte nicht vor, allzu oft Dinnerpartys zu geben.

      Ich wartete den ganzen Montag. Niemand rief an.

      Am Dienstag ging ich in mein Fitnessstudio im Viertel, einem altmodischen Boxklub namens Murrays, der nach Schweiß, Menthol und Wundbenzin roch. Man kannte sich vom Sehen hier, aber ich sprach kaum mit jemandem. Manchmal unterhielt ich mich mit einem der alten Hasen über das Boxen, aber das war's dann auch schon. Ich blieb für mich, bearbeitete den schweren Sandsack, versuchte die Blicke der anderen zu ignorieren – und die Stimmung, die in den Keller ging. Es gab weniger Geplänkel, wenn ich da war, weniger Witze, so, als ob sich die Luft veränderte, dichter wurde, schwerer.

      Auf meinem Weg zurück machte ich einen Zwischenstopp bei Akram, um nachzusehen, ob es eine Nachricht für mich gab. Der Laden war lang und schmal, mit ausgeblichenen gelben und weißen Vinylfliesen und einer dicken Staubschicht in den unbenutzten Ecken. An einer Wand standen Regale mit Magazinen, die vom Boden bis an die Decke reichten, und auf dem Boden stapelten sich gebündelt die Tageszeitungen. An der gegenüberliegenden Wand standen Regale mit Lebensmitteln. Süßigkeiten, Kartoffelchips, Getränke, solche Sachen.

      Akram trug stets das gleiche beigefarben gestreifte Hemd und eine braune Hose, und er schien nicht zu bemerken, dass ihm beides zu klein war. Immer stand er hinter seiner Kasse, immer schwitzte er unter seinem dichten schwarzen Bart, immer in Sorge, immer rechtfertigend, und immer umringt von Frauen. Zumindest machte es den Anschein. Der Laden war immer geöffnet und immer war Akram da oder seine Schwestern oder seine Mutter. Seine Frau verbrachte ihr Leben im Hinterzimmer, hinter dem Perlenvorhang, wo sie scharfe Gerichte kochte und einer asiatischen Radiostation aus London lauschte. Sie kam niemals heraus, so weit ich das beurteilen konnte, aber sie schrie immer mit schriller Stimme nach Akram, wenn sie eine neue Aufgabe für ihn hatte.

      Als ich hineinging, wetterte eine alte asiatische Frau in einem violettfarbenen Sari Akram an. Sie plapperte drauflos, und er, mit erhobenen Händen, schüttelte den Kopf und versuchte, etwas zu entgegnen. Akrams Frau rief dazwischen, er seufzte. Die alte Frau sah mich und wich zurück. Akram sagte etwas und deutete auf mich. Die alte Frau murmelte undeutlich eine Antwort und schlurfte davon, die Augen auf den Boden geheftet. Akram lächelte und nahm seine Arme herunter.

      »Meine Großmutter«, sagte er. »Sie glaubt, dass jeder hier sie entweder ausrauben oder vergewaltigen will. Sie will wieder zurück nach Pakistan.«

      »Dann sollte sie wieder zurück«, war die Stimme von Akrams Frau zu hören.

      Es gab keine Nachrichten für mich. Ich überließ sie ihrem Streit.

      Am Mittwoch ging ich in die örtliche Bibliothek. Die junge Angestellte am Empfang war eifrig mit Katalogisieren beschäftigt oder was man da eben so machte. Ich hatte einmal Hallo zu ihr gesagt und seitdem wich sie meinen Blicken aus, tat beschäftigt, so wie jetzt, bei einer Arbeit, für die sie angestrengt nach unten oder nach oben schauen musste. Ich lief an ihr vorüber. Vielleicht hatte mein Hallo zu aggressiv geklungen.

      Meistens las ich etwas über Geschichte. Mich interessierte, wie die großen Persönlichkeiten zu Ruhm gekommen waren, wie die großen Verbrechen verübt wurden. Man lernte, wozu Menschen fähig waren, wie ihre Sicht auf die Dinge war, wie sie ihr Eigeninteresse verschleierten, wie sie andere hereinlegten und schikanierten, um sie zur Gefolgschaft zu zwingen. Man lernte, was die Gegenseite dachte, wo die Gewinner es richtig machten und die Verlierer versagten. Besonders die Kriege interessierten mich. Ganz wie beim Boxen waren sie das Ende aller Dinge, die menschliche Natur in ihrer ursprünglichsten Form.

      Den restlichen Mittwoch verbrachte ich damit, über Berühmtheiten der Geschichte zu lesen, die es vermasselt hatten. In der ganzen Zeit meldete sich niemand bei mir, und das war merkwürdig. Für gewöhnlich würde Kendall zumindest anrufen und mir sagen, wann mit dem Geld zu rechnen war, oder mir den Grund nennen, warum es sich verzögerte. Ich hatte kein Problem damit, zu warten, aber wenn man drei Tage nach einem Job noch immer nichts hörte, stimmte etwas nicht.

      Und da war noch etwas. Ich wartete darauf, etwas über einen anderen Job zu erfahren, der in einer Woche oder so steigen sollte. Ich brauchte das Geld jetzt nicht so dringend, aber ich hatte bereits zugesagt. Ich besaß den Ruf, zuverlässig zu sein, und ich wollte, dass es dabei blieb. Das war das Wertvollste, was ich hatte. Der Job war ein Juwelier drüben in Brent Cross. Die Truppe war von hier, aus Tottenham. Nathan King und seine Crew. Ich kannte King. Wir arbeiteten ein paar Mal zusammen. Er war ein brauchbarer Gauner. Er hatte mich in Murrays Studio aufgegabelt und gefragt, ob ich den Job machen will.

      »Schnell rein und wieder raus«, hatte er gesagt. »Aber wir müssen das Ding am Nachmittag durchziehen. Der Laden ist groß. Wir könnten ein paar Jungs brauchen, um die Leute in Schach zu halten.«

      Das war vor ein paar Wochen gewesen und mittlerweile sollte King die Sache mit Kendall geklärt haben, der darauf wartete, dass der Casino-Coup über die Bühne gegangen war, bevor er grünes Licht gab.

      Am Donnerstag entschied ich, Kendall anzurufen. Ich lief die Stufen von meiner Dachgeschosswohnung hinunter und ging zu Akram. Er gab einer alten Frau ihr Wechselgeld, die sich darüber beschwerte, dass sie kein Gratis-Rubbellos bekam. Nachdem sie davon geschlurft war, kaufte ich eine Telefonkarte und ging nach draußen, um die Telefonzelle an der Ecke zu benutzen. Ich wählte Kendalls Nummer. Der Anrufbeantworter ging ran. Ich lief hinüber zu einem speckigen Imbiss namens Sams und versuchte es nach einer Stunde erneut bei Kendall. Wieder keine Antwort. Dieses Mal hinterließ ich eine Nachricht und sagte, er könne mich im Sam's erreichen.

      Ich saß in dem Imbiss. Der Tag mündete in eine trübe Dämmerung. Ich rührte in meinem Tee und sah nach draußen, durch die Pockennarben aus Staub und Schmutz auf der Fensterscheibe. Beobachtete, wie die Leute sich vorbeiquälten, wie die Welt sich vorbeiquälte. Ich hatte keine Kopfschmerzen, meine Gedanken waren klar. Eine Frage nagte an meinem Verstand: Warum ich?

      Ich hatte den Job angenommen, weil es nur ein Job war, und ich war nur irgendein Mistkerl, der nichts mit den Vorbereitungen zu tun hatte, der einfach nur die Drecksarbeit erledigte und einen kleinen Anteil bekam. Alles, was ich zu tun hatte, war Warren Angst einzujagen, ihn ein paar Mal herumzuschubsen und mich dann für eine Weile zu der Frau zu setzen. Beckett hatte seine gewohnte Crew um sich, und der Job selbst, soweit ich das beurteilen konnte, schien leicht genug. Simpson hätte sich um Warren kümmern können. Wieso brauchten Sie mich dafür? Und warum brauchten sie überhaupt jemanden, der sich neben die Frau setzte? Sie war gefesselt gewesen, und Warren war sich sicher, dass sie in Gefahr war. Sie hätten sie sich selbst überlassen können. Das Haus stand frei, niemand hätte sie gehört. Noch besser wäre gewesen, sie an einen verlassenen Ort zu bringen und sie dort zurückzulassen.

      Es war dunkel geworden. Nieselregen schwebte durch die kalte Luft. Der Verkehr,


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