TO DIE FOR - Gnadenlose Jagd. Phillip Hunter
fahren. Das würde ihm sicher nicht gefallen, aber ich nahm nicht an, dass er mir auf seinem eigenen Grundstück etwas tun würde. Eine alte russische Makarov PM Pistole klebte unter dem Beifahrersitz. Ich würde die Kanone mitnehmen, aber draußen vor dem Haus deponieren. Auf die Art konnte ich ohne größeres Aufsehen reinspazieren, hätte aber eine Rückversicherung, sobald ich das Haus wieder verließ. Wenn ich es wieder verließ.
Die Makarov war klein und schwer, aber der Rückstoß verlieh ihr Treffergenauigkeit, und sie war zuverlässiger als die meisten anderen Pistolen. Ich reinigte die Waffe und prüfte, ob sie noch funktionierte.
Dann fuhr ich zur U-Bahn-Haltestelle Oakwood und ließ den Wagen dort auf dem Parkplatz stehen. Ich lief ein Stück weiter, bis zu einem Doppelhaus in einer ruhigen Straße. Ich lief die Auffahrt hinauf und hielt neben Kings schwarzem BMW an. Dort schob ich die Makarov unter das Hinterrad auf der Beifahrerseite.
Die Frau, die mir die Tür öffnete, war klein, jung und pummelig. Sie hatte blondierte Haare und trug so viel Make-up, dass man einen Nagel hineinschlagen konnte. Sie sah zu mir auf, seufzte, hielt die Tür mit einer Hand auf, stemmte sich die andere in die Hüfte und rief über ihre Schulter: »Nate, ist für dich.«
Dann lief sie davon, ließ die Tür aber offen. Ich trat ein, ließ die Tür angelehnt. Ich hörte den Fernseher laufen und Kinderstimmen. Der Geruch von frittiertem Fleisch und Parfüm hing schwer in der Luft. King kam aus dem Wohnzimmer. Er war ein Schwarzer mit grauen Schläfen und einem harten, zerfurchten Gesicht. In der Hand hielt er ein Dosenbier. Er blieb abrupt stehen, als er mich sah und seine gute Laune war dahin. Stattdessen bekam er einen unerbittlichen Gesichtsausdruck. Ein wenig kniff er die Augen zusammen.
»Joe. Was machst du hier?«
»Wir müssen reden.«
»Worüber?«
»Geschäftliches.«
Er nahm einen Schluck von seinem Bier und nutzte den Moment, um mich zu mustern. Ich stand ruhig da, die Hände an den Seiten. Eine männliche Stimme rief von drinnen nach King.
»Sieh mal, wer da ist«, rief King zurück.
Tony Daley war ein stämmiger Weißer mit einem Faible für Goldklunker. King und er arbeiteten seit zwanzig Jahren zusammen. Sie waren in Wood Green aufgewachsen, mit Blick auf den Ally Pally. Ihnen gehörte ein Gebrauchtwagenladen in Muswell Hill, der ihnen als Tarnung diente. Sie ließen sich nie auf halbgare Dinger ein, gingen nie ein unnötiges Risiko ein, versuchten nie, das ganz große Ding zu drehen. Ich hatte ein paar Mal mit ihnen zusammengearbeitet und wir kamen miteinander aus. King und Daley wussten, wie sie ihren Job zu machen hatten, und sie taten es ohne großes Tamtam. Sie waren clever und vorsichtig. Wenn ich mittlerweile als unzuverlässig galt, würden die beiden es wissen. Außerdem waren sie wohl diejenigen, die am meisten zu verlieren hatten, wenn ich ein Informant wäre.
Daley lächelte, als er mich sah. Es war ein sorgloses Lächeln, und ich glaubte, er sah mich zumindest nicht als Bedrohung an. Ich wurde ein wenig lockerer und spürte, wie sich meine Schultern entspannten.
»Joe. Was führt dich hierher?«
»Was Geschäftliches, sagt er«, antwortete King statt meiner.
Schnell tauschten sie in paar Blicke. Ich kannte sie nicht gut genug, um sagen zu können, was die Blicke bedeuteten. Wenn sie vorschlugen, dass wir das Haus verlassen sollten, würde ich einwilligen, und mir dann die Pistole schnappen.
»Muss was Wichtiges sein«, sagte Daley. »Wenn ich mich recht erinnere, verlässt du Tottenham sonst nie. Außer für 'nen Job.«
»Es ist wichtig.«
Sie sahen sich wieder an, wogen die Sache ab.
King fragte: »Bist du allein hier?«
»Ja.«
»Wo ist dein Wagen?«
»An der U-Bahn in Oakwood. Von da bin ich gelaufen.«
Er sah zu Daley und nickte mit dem Kopf in Richtung Straße. Daley lief an mir vorbei und zur Vordertür raus. Wir warteten, schweigend.
Nach ein paar Minuten kam Daley zurück. »In Ordnung«, sagte er.
»Komm mit«, sagte King.
Er führte uns ins Haus. Ich kam an ein paar Kids vorbei, die vor einem Fernseher saßen. Sie spielten Videospiele an so einem Computer-Konsolen-Ding und stritten, wer als Nächstes dran war. Zwei Frauen, Kings Ehefrau und eine andere Frau, wahrscheinlich die Frau von Daley, saßen mit Drinks in der Hand auf einem Sofa. Kings Frau warf ihm einen bösen Blick zu, als wir vorbeiliefen. Er seufzte und sah woanders hin. Sie würde ihm später die Hölle heißmachen. Daleys Frau sah mich böse an. Sie sah aus, als hätte sie so was schon öfter erlebt. Sie widmete sich wieder ihrem Drink.
King führte uns in die Küche, in der sich benutztes Geschirr und Pfannen auftürmten. Es war heiß vom Dampf und dem gekochten Essen. Durch die Hintertür gingen wir in einen weiteren Raum, der früher mal eine Garage gewesen war. Jetzt stand hier ein Pool-Tisch und an der langen Seite war eine Bar aufgebaut. Daley ließ sich in einen schwarzen Ledersessel fallen und griff nach einem Glas Scotch, das auf dem Boden stand. Ich hatte sie beim Billardspielen gestört. King lehnte sich gegen den Tisch. Niemand bot mir etwas zu trinken an. Hatte ich auch nicht erwartet. Ich blieb zwischen den beiden Männern an der Bar stehen, aber mit genug Abstand. So hatte ich beide im Blick und konnte mir eine Flasche greifen, falls ich musste.
»Also«, sagte King. »Schieß los.«
»Hab gehört, dass ihr beiden nicht mehr mit mir zusammenarbeiten wollt. Stimmt das?«
King atmete tief durch. »Nein. Das stimmt nicht. Zumindest nicht ganz.«
»Wir haben gehört, du wärest nicht verlässlich«, sagte Daley.
»Und der Job? Heißt das, ich bin raus aus der Nummer?«
»Nein, Joe«, sagte Daley. »Du bist weder dabei noch raus. Wir lassen die Sache einfach sein.«
»Wegen mir?«
»Spielt das eine Rolle?«, fragte King.
»Ja, tut es.«
»Wir lassen es sein, weil die Sache stinkt«, sagte Daley. »Nichts für ungut, Joe. Aber wir müssen vorsichtig sein.«
»M-mh.«
»Was aber nicht heißt, dass wir dich für einen linken Hund halten. Nate hat gleich gesagt, dass das Schwachsinn ist, als er es hörte.«
»Stimmt«, sagte King.
»Außerdem dachten wir nicht, dass du in nächster Zeit auf der Bildfläche auftauchst. Schon gar nicht, um einen Job zu machen.«
»Wie meinst du das?«
King nahm die weiße Kugel vom Tisch, dann legte er sie wieder zurück. Daley schüttelte den Kopf und sagte: »Ach, komm schon, Joe. Du kannst nicht einfach einen Mann wie Cole ausnehmen, ohne dass die Scheiße auf dich zurückfällt.«
»Cole? Bobby Cole?«
»Natürlich Bobby Cole. Der Casino-Job.«
»Das war Coles Casino?«
»Das wusstest du nicht?«, fragte King.
»Nein.«
Cole auszurauben war reiner Wahnsinn. Er würde nicht ruhen, bis er uns alle aufgeknüpft hatte. Möglicherweise hatte er Simpson umgebracht. Und Beckett. Wenn dem so war, wieso hatte Kendall das nicht gecheckt? Aber andererseits, vielleicht hatte er das ja. Vielleicht zog er sich aus der ganzen Sache zurück.
»Wer hat euch erzählt, dass ich nicht vertrauenswürdig wäre?«, fragte ich. »Hatte das was mit der Sache von Ellis zu tun?«
»Wir haben es nicht von Ellis gehört«, meinte Daley. »Das war einfach nur Pech, sagt Ellis selbst. Er gibt Caine die Schuld dafür.«
»Dave Kendall hat es uns gesteckt«, sagte King. »Letzte Woche. Sagte, er würde