TO DIE FOR - Gnadenlose Jagd. Phillip Hunter
fertigzumachen. Ihn auseinanderzunehmen. Nach ein paar Minuten richtete er sich wieder auf. In seinen Augen schwammen Tränen.
»Sieh mal, Joe …«
»Erzähl mir was über Beckett. Er wusste, dass das Casino Cole gehörte. Warum das Ding dann trotzdem durchziehen?«
»Abgekartet. Die ganze Sache. Cole bot Beckett einen Anteil der Beute, wenn er das Casino ausrauben würde.«
»Cole?«
»Cole.«
»Beckett hatte Insider-Informationen.«
»Ja.«
»Wozu dann Warren?«
»Das war nur Show. Sollte wie der Job von jemand anderem aussehen.«
Und mich wollte man für ein paar Stunden aus dem Weg haben.
»Beckett sollte einen Anteil bekommen? Den Rest Cole zurückgeben?«
»Ja.«
»Aber der Fang war zu gut. Zu gut, um ihn aufzugeben, richtig? Also entschied er, das Geld für sich zu behalten, und brauchte einen Blödmann wie mich. Jemanden, dem man unterschieben konnte, dass er Beckett reingelegt und das Geld für sich behalten hat. Also ist er deswegen zu dir gekommen.«
»Er suchte …«
»Er suchte was? Einen Dummen?«
»Joe, bitte.«
Ich verpasste ihm eine.
»Stimmt das? Er kam zu dir und meinte, er braucht einen Trottel, den er verarschen kann.«
»Ja.«
»Aber ich habe einen guten Ruf, immer schon. Zu gut. Cole wäre vielleicht misstrauisch geworden. Beckett musste es ein wenig hindrehen, also habt ihr euch abgesprochen, das Gerücht zu streuen, ich hätte was damit zu tun, dass sie Tony Ellis Gang hochgenommen haben. Das hat das Wässerchen getrübt und ließ mich schlecht dastehen.«
»Was hätte ich tun sollen?«
»Warum wurde Simpson getötet?«, fragte ich.
Jetzt weinte er. Er hob eine zitternde Hand unter seine Nase und wischte sich den Rotz ab.
»Beckett«, sagte er.
»Was soll das heißen?«
»Das muss Beckett gewesen sein. Mehr weiß ich nicht.«
Er schaute zur Tür hinüber.
»Du würdest es nicht schaffen«, sagte ich.
Er schluckte ein Schluchzen hinunter.
»Geld«, sagte er. »Wie viel?«
Ich nahm meinen Blick nicht von ihm, nagelte Kendall mit meinen Augen fest. Er hob die Hände, so als würde er einen Angriff abwehren.
»Oh, Gott«, sagte er.
Ich schlug seine Hände beiseite.
»Wie viel hat er dir bezahlt?«
»Zehn Mille, auf die Hand. Fünf Prozent der Beute. Gehört dir.«
Er hob wieder seine Hände. Ich denke nicht, dass er wusste, was er tat. Einfach nur der Drang, sich zu verteidigen. Ich schlug wieder nach den Händen.
»Wann bekommst du den Rest? Wo?«
»Beckett sollte ihn mir geben, nachdem …«
»Nachdem was?«
»Er sollte es mir einfach später geben.«
»Nachdem ihr mich um die Ecke gebracht habt?«
Er streckte seine Arme aus, berührte meine Hände und hielt sie fest.
»Hör zu, Joe, ich habe einen Fehler gemacht. Das weiß ich. Es tut mir leid.«
Ich zog meine Hände aus seiner feuchten Umklammerung. Er versuchte wieder, mich anzufassen, fuchtelte herum, versuchte am Leben zu bleiben. Tränen rannen seine Wangen hinab.
»Wir beide kennen uns seit einer Ewigkeit, stimmt‘s? Acht Jahre, länger. Ich erinnere mich noch, als wir uns das erste Mal trafen. Du auch? Das war nach dem Kampf in Leyton. Haben dich ausgezählt, weil du blind warst. Du würdest immer noch diese Scheiße machen, wenn ich nicht gewesen wäre. Du wärst jetzt blind oder tot, wenn ich nicht gewesen wäre. Nun, ich hab einen Fehler gemacht. Hast du noch nie einen beschissenen Fehler gemacht? Ich überlass‘ es dir. Sag mir einfach, was du willst. Was willst du, Joe, verdammt noch mal.«
Seine Augen waren weit aufgerissen, seine Brust bebte.
»Bist du fertig?«, fragte ich.
Er ließ die Arme fallen. Senkte den Kopf.
»Wieso wurde Simpson umgebracht?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht bekam er es mit der Angst, ist eingeknickt. Damit habe ich nichts zu tun.«
»Wieso wollte Cole seinen eigenen Laden ausrauben lassen. 'Ne Versicherungssache?«
»Weiß nicht. Ja, möglicherweise.«
Er griff mit einer Hand nach der Wodka-Flasche, zog sie zu sich und nahm hustend einen Schluck. Ich griff die Flasche und warf sie weg. Er sah zu, wie sie an der Wand zerschellte.
»Warum ist Cole noch nicht hinter mir her?«
»Hmm?«
»Der Job war vor vier Tagen.«
»Vielleicht … hat er den Zusammenhang noch nicht erkannt.«
Sollte das möglich sein, dass Cole noch nicht wie von Beckett geplant die Punkte miteinander verbunden hatte? Vielleicht hatte Cole erkannt, das Beckett hinter dem falschen Spiel steckte. Vielleicht waren in diesem Moment aber auch schon Coles Männer auf der Suche nach mir.
Kendall setzte sich auf. »Ich kläre das mit Cole«, sagte er. »Ich sag ihm, dass du mit der Sache nichts zu tun hattest. Ich sag ihm, dass es Beckett war.«
»Wo ist Beckett?«
»Woher zum Teufel soll ich das wissen? Er hat die Fliege gemacht, mich in Schwierigkeiten gebracht. Walsh und Jenson genauso. Die Schweine haben sich in Luft aufgelöst.«
Hätte mich überrascht, wenn Kendall etwas gewusst hätte. Er hatte seine Aufgabe erfüllt, warum also sollte Beckett ihm sein Schlupfloch verraten?
»Ich hab versucht, sie zu finden«, sagte er. »Gib mir etwas Zeit. Ich kriege die Jungs, wir waschen dich rein und bringen das mit Cole in Ordnung.«
»Wie?«
»Hmm?«
»Wie hast du versucht, sie zu finden?«
»Ich hab 'ne Telefonnummer«, sagte er und deutete auf einen Schreibtisch in der Fensternische des Wohnzimmers. »In der obersten Schublade.«
Ich stand auf und drehte mich zu dem Schreibtisch um. Was ein Fehler war.
Kendall sprang auf die Beine. Er war schnell, von der Verzweiflung angetrieben. Ich streckte den Arm aus und bekam ein Büschel seiner Haare zu fassen, riss sie mitsamt der Wurzel aus, zog ihn zurück und drehte ihn herum. Er schrie, sein Gesicht war verzerrt von Angst, Schock und Schmerz. Ich schlug ihm meine Faust ins Gesicht. Hörte das Knirschen von Knorpel, als seine Nase brach. Sein Kopf schnappte mit einem Knacken nach hinten. Er fiel auf den Boden, zuckte. Blut gurgelte aus seinem ruinierten Gesicht hervor. Sein Körper bäumte sich auf, seine Hände griffen nach seinem Gesicht und krallten sich in den Teppich. Er rollte herum, versuchte auf die Knie zu kommen, und brach zusammen. Er atmete gepresst, seine Bewegungen ließen nach.
Als ich wusste, dass er tot war, lief ich zu dem Schreibtisch, öffnete die Schublade und ging die Papiere und Fotografien darin durch. Nichts. Ich fegte alles vom Schreibtisch herunter. Durchsuchte den Rest des Hauses. Ich fand ein paar Bargeldverstecke, zusammen etwas um die Tausend. In einem der Koffer fand ich Kendalls Mobiltelefon. Ich wartete darauf, dass seine Frau wieder zu Bewusstsein