TO DIE FOR - Gnadenlose Jagd. Phillip Hunter

TO DIE FOR - Gnadenlose Jagd - Phillip Hunter


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fest, dass sie aufgehört hatte zu atmen und bereits kalt wurde. Sie war wohl schon seit einer halben Stunde tot.

      Vielleicht bewahrte Kendall irgendwo Dokumente auf, mit deren Hilfe ich Beckett finden konnte. Ein Tagebuch, ein Adressbuch. Ich nahm die Bude auseinander. Es gab Rechnungen, Fotografien, Briefe, aber über seine geschäftlichen Aktivitäten war nichts zu finden. Kein Anzeichen dafür, dass er Männer bezahlte, die Banken überfielen, Schutzgelder erpressten und Schulden mit Vorschlaghämmern eintrieben. Vielleicht war eine Frau der Grund gewesen, warum er die beiden Bereiche seines Lebens getrennt hatte, oder vielleicht konnte Kendall hier so tun, als wäre er ein gewöhnlicher, aufrechter Bürger. Ich durchsuchte die Garage und die Autos. Nichts. Ich erinnerte mich, dass Kendall einmal ein Büro erwähnt hatte, aber ich wusste nicht, wo es sich befand.

      Ich schaltete Kendalls Handy an und drückte so lange darauf herum, bis ich das Adressbuch fand. Ich ging die Einträge durch, bis ich »Beckett, J.« fand. Es gab zwei Nummern, davon eine Mobilnummer. Ich rief an, aber niemand ging ran. Ich schrieb mir die Nummer auf und scrollte durch Kendalls restliches Adressbuch, auf der Suche nach einem Walsh, einem Simpson, einem Jenson. Ich konnte keinen davon finden. Hatte ich auch nicht erwartet; denn Beckett hatte das Sagen. Ich fand eine Anrufliste, blätterte mich bis zu den Becketts durch, ließ den Finger über die Liste gleiten und suchte nach einer Übereinstimmung mit der Nummer, die ich hatte. Es gab keine. Dann rief ich die Telefonauskunft an und fragte nach der Adresse eines J. Beckett. Sie konnte mir nicht helfen. Ich benutzte Kendalls Hausanschluss, tippte zuerst die 141 ein, um meine Nummer zu verbergen, und wählte Becketts Festnetznummer.

      »Ja?«, meldete sich eine männliche Stimme. Nicht Beckett.

      »Ist John da?«, fragte ich.

      »Wer ist da?«

      »Ein Freund von ihm.«

      Es gab eine Pause.

      »Er ist gerade nicht da. Ich versuche selbst, ihn zu finden. Sie können …«

      Ich legte auf. Sicher einer von Coles Männern. Ich sah mich in dem Zimmer um, auf der Suche nach etwas Festem. Ich war es gewohnt, zu handeln, manchmal schnell, manchmal langsam. Jetzt wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ungewissheit war wie eine juckende Stelle, an der man sich nicht kratzen konnte.

      Kendall und seine Frau lagen vor mir auf dem Boden, zusammengerollt wie Müll. Ich starrte sie eine Weile an, bevor mir klar wurde, dass ich ihre Leichen noch nicht untersucht hatte. Ich probierte es zuerst bei der Frau, die ich mit dem Fuß umdrehte. Als sie herumrollte, fiel ihr Arm auf den Boden. Das Fett an ihrem Hals wackelte hin und her. Sie trug ein Baumwollkleid, zu dünn, um etwas zu verbergen, außer den Falten auf ihrer Haut, sogar zu dünn, um die Form ihrer Unterwäsche zu verbergen, die sich durch das Gewebe abzeichnete und sie selbst als Tote noch dumm wirken ließ. Ich sah sie für einen Moment an. Ich war ihr einmal begegnet, als Kendall einen Zwischenstopp im Fitnessstudio machte, um mir etwas Geld vorbeizubringen. Das war schon eine Weile her, aber ich erinnerte mich, dass sie überheblich war und sich demonstrativ von mir abwendete, als Kendall sie mir vorstellte.

      Ich hatte nicht vorgehabt, sie umzubringen. Sie geriet in Panik und versuchte, aus dem Haus zu rennen, und mir blieb nichts anderes übrig, als ihr eine zu verpassen. Sie schlug hart auf dem Boden auf, aber ich dachte nicht, dass mein Schlag sie umgebracht hatte. Vielleicht hatte sie ein schwaches Herz oder so. Jetzt, wo sie tot war, wirkte ihr Leben mit all dem dicken Make-up und den goldenen Armreifen wie eine elende Zeitverschwendung.

      Es war Kendalls hintere rechte Hosentasche, in der ich einen Zettel fand. Darauf waren in seiner Handschrift eine Reihe von Namen notiert. Ich kannte keinen davon. Alle Namen waren durchgestrichen, bis auf den letzten: R. Martin. Sagte mir gar nichts. Martin war ein gebräuchlicher Name. Weiter fand ich nichts.

      Ich durchsuchte noch einmal das Haus, versuchte zu erraten, wo Kendall seine wichtigen Informationen verstecken würde. Wäre ich nicht im vorderen Schlafzimmer gewesen, hätte ich wohl die Scheinwerfer nicht bemerkt, als sie in die Einfahrt bogen. Ich ließ die Schublade fallen, die ich in den Händen hielt, und lief zum Fenster. Unten hielt ein schwarzer Mercedes hinter Kendalls Wagen und versperrte die Zufahrt. Drei Männer sprangen aus dem Auto. Einer blickte hinauf und ich sah ein langes, dünnes, weißes Gesicht, das mich anstarrte. Die kleinen schwarzen Augen, der kleine Mund und die scharfen Wangenknochen ließen das Gesicht maskenhaft wirken. Es war ein fein geschnittenes Gesicht, reizend auf seine Art. Es gehörte einem Mann, den ich kannte, und an dem war nichts Reizendes. Ich kannte ihn von früher. Sein Name war Kenny Paget. Damals arbeitete er für einen Mann namens Frank Marriot, Zuhälter und Pornograf, einer der größten in London. Paget war sein Mann fürs Grobe. Wir waren uns ein paar Mal über den Weg gelaufen. Verdammt, was machte der hier? Ich bewegte mich nicht. Er sah weiter in meine Richtung, dann drehte er sich weg, hatte mich in dem abgedunkelten Raum nicht sehen können. Er sagte etwas zu den anderen Männern. Die drei schwärmten aus, zwei gingen zur Vordertür, einer lief um die linke Seite herum. Es läutete.

      Zu dem Zeitpunkt, als ich in der Küche ankam, drückte der dritte Mann an der Tür die Türklinke herunter. Ich hatte meinen Wagen oben an der Straße stehen lassen, und ich hatte meine Kanonen in dem Wagen gelassen. Das war dumm. Ich war leichtsinnig gewesen, hatte darauf gebrannt, Kendall zusammenzuschlagen.

      Im Schutz der Schatten im hinteren Teil des Hauses lief ich ins Esszimmer. Von dort aus führte eine Balkontür auf die Terrasse. Als ich in der Küche Glas splittern hörte, löste ich die Verriegelung an der Balkontür und schob sie gerade weit genug auf, um mich hindurchzuzwängen. Ich zog die Tür wieder zu, lief um das Haus herum zur Seite und sprang über den Zaun in den Garten von Kendalls Nachbarn. Geduckt bewegte ich mich über die weiche Erde an dem Zaun entlang, bis ich zur Straße kam. Hinter mir hörte ich, wie Kendalls Haustür geöffnet wurde.

      »Er ist tot«, sagte ein Mann. »Jemand hat hier rumgewühlt.«

      Als die Tür wieder geschlossen wurde, stand ich langsam auf. Paget und seine Männer waren ins Haus gegangen. Ich lief zu meinem Wagen und fuhr davon.

      Ich fuhr ziellos durch die Straßen, ohne darüber nachzudenken, wohin ich fuhr. Die Dinge holten mich langsam aber sicher ein. Wenn Cole oder die Bullen mich nicht bereits suchten, würde es nicht mehr lange dauern. Ich war gebrandmarkt. Gerade hatte ich den Mann umgebracht, der meine Verbindung zu der einzigen Art von Arbeit darstellte, der ich in diesen Tagen nachgehen konnte. Aber am schlimmsten war, dass meine Reputation zum Teufel war. Das zählte.

      Ich hatte Kendall nie vertraut, aber ich hätte vorsichtiger sein sollen. Ich hatte die Deckung aufgegeben. Kendall war dumm genug gewesen, mich zu verarschen. Und ich war dumm genug gewesen, es mit mir machen zu lassen.

      Ich fuhr an den Straßenrand, angelte Kendalls Handy aus der Tasche und tippte Kings Nummer ein.

      »Scheiße, wer ist da?«, fragte eine heisere, schlaftrunkene Stimme.

      »Joe.«

      »Verdammt. Bleib dran.«

      Ich hörte Kings Frau fragen, wer dran sei, und King, der ihr sagte, sie solle weiterschlafen. Ich hörte, wie er aus dem Bett stieg, hörte, wie sich eine Tür schloss. Ich behielt die Augen auf der Straße und die Hand an meiner Waffe. Die Straße war wie ausgestorben. Ein näherkommendes Fahrzeug würde sich lange genug vorher ankündigen. Ich war nervös. Ich mochte es nicht, nervös zu sein – das machte mich auch nervös.

      »Was ist los?«, fragte King.

      »Ich muss jemanden finden.«

      »Für wen hältst du mich, die Polizei?«

      »Beckett ist abgetaucht. Ich muss ihn finden.«

      Er lachte laut auf. »Wirklich? Dann viel Glück.«

      »Willst du mir nicht helfen?«

      »Worum geht's hier eigentlich, Joe?«

      »Er hat Coles Geld.«

      »Und schiebt es dir in die Schuhe?«

      »Wirst du mir helfen oder nicht?«

      »Wenn Beckett sich versteckt hat, werde ich ihn nicht finden. Selbst


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