TO DIE FOR - Gnadenlose Jagd. Phillip Hunter

TO DIE FOR - Gnadenlose Jagd - Phillip Hunter


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das von einem bulligen hässlichen Etwas seinem Ende entgegengezogen wurde. Ein gutes Gemälde. Wenn ich es ansah, fühlte ich etwas, aber ich wusste nicht, was es war. Wahrscheinlich ließ es mich an sie denken. Ich betrachtete es, so wie ich es oft tat, und versuchte, mir ihr Bild ins Gedächtnis zu rufen, um den leeren Moment zu füllen. Aber es fiel mir immer schwerer und schwerer, mich an sie zu erinnern, und die leeren Momente wurden immer leerer; jede Sekunde, die verstrich, trennte mich mehr von ihr, von ihrem Bild. Ich betrachtete das Gemälde immer und immer wieder, bis das Bild zu ihr wurde, oder sie zu dem Schiff. Irgendwie so.

      Ich sah also das Bild an, zählte die Risse an der Decke, starrte an die Wand und betrachtete noch etwas länger das Bild, und in dieser ganzen Zeit entfernte ich mich immer weiter von ihr, Zentimeter um Zentimeter, Sekunde für Sekunde, jeden weiteren jämmerlichen Tag, solange, bis all diese kleinen Dinge zu einem einzigen undeutlichen Fleck verschwammen. Und dieser Fleck wurde trüber, dunkler, leerer. Die Jobs, die ich erledigte, bedeuteten immer weniger, solange, bis ich sie nur noch aus Gewohnheit übernahm, um irgendetwas zu tun und um die Leere davon abzuhalten, mich zu verschlingen.

      »Dieses arme, alte Schiff, Joe«, würde sie sagen.

      Und während der Schleier immer größer wurde, meine Erinnerungen an sie immer mehr verblassten, und ich älter wurde und müder, wurden auch die Aufträge kleiner. Jeden Tag starb ich ein wenig mehr.

      Und dann bekam ich diesen Job. Einen großen Job. Und alles, was ich tun musste, war hier zu sitzen, das Bild anzusehen und zu versuchen, an sie zu denken, auf meinen Anteil zu warten und mich zu fragen, wieso ich so viel Kohle fürs Nichtstun bekam.

      Ich hatte beschlossen, etwas von meinem Anteil auf die hohe Kante zu legen, auch wenn ich nicht für etwas Bestimmtes sparte. Ich hatte kaum Ausgaben. Ich sparte es einfach nur, um zu sparen. Ich war wie dieser alte Mann, der sich an seine Gehhilfe klammerte. Ich redete mir ein, dass es für Notfälle war, meine Altersvorsorge. Irgendetwas von Bedeutung.

      Ich quälte mich aus dem Bett und spürte, wie meine Muskeln schmerzten. Ich duschte, rasierte mich und versuchte, etwas von der Benommenheit loszuwerden, die in diesen Tagen besonders an mir zu kleben schien. Ich machte ein paar Push-ups, Sit-ups und Dehnungsübungen für den Rücken. Nachdem ich mich angezogen hatte, ging ich in die Küche, kochte mir einen Tee und briet mir ein Omelett mit Käse und Zwiebeln. Omelettes waren so ziemlich das Einzige, was ich halbwegs gut kochen konnte. Wenigstens mochte ich Omelettes.

      Ich setzte mich an meinen kleinen Tisch, schaltete das Radio ein und lauschte den Geschichten über Lügen, Totschlag und Massenmord, während ich aß. Die Welt hatte sich verändert. Dann kamen die Lokalnachrichten. Der Casino-Job war gleich nach einem Bericht über eine Messerstecherei in Kilburn an die Reihe. Eine Million Pfund, das war die Beute. Ich arbeitete für ein Pauschalhonorar plus zweieinhalb Prozent von der Beute. Hätte ich mich einer der Gangs in Vollzeit angeschlossen, hätte ich mehr rausholen können, aber das wollte ich nicht. Ich schaltete das Radio aus. Fühlte mich gut.

      Mein Anteil betrug Fünfundzwanzigtausend. Blieben fünfzehn, falls man das Geld waschen musste. Da kannte ich mich nicht aus. Zwanzig Prozent weniger. Dazu die festen Viertausend. Machte insgesamt Sechzehntausend. Minimum. So viel hatte ich noch nie verdient. Mit sechzehntausend konnte ich es eine Weile ruhig angehen lassen. Ich hatte noch keine Idee, was ich dann machen würde, aber mir würde schon was einfallen. Vielleicht irgendwohin fahren. Keine Ahnung. Ich hatte immer die fixe Idee, irgendwann aufs Land zu ziehen, aber das war natürlich Blödsinn. Ich gehörte so sehr in die Stadt wie der Berufsverkehr.

      Ich aß meine Eier, trank meinen Tee. Dann saß ich eine Weile da und dachte an gar nichts. Alles, was ich zu tun hatte, war auf Kendall zu warten, der mir sagen würde, wo und wann ich mein Geld bekam.

      Ich traf Kendall vor acht Jahren. Kämpfte gegen einen Typen namens Hadley. Der war nichts Besonderes und ich hätte ihn der ersten Runde auf die Bretter schicken können. Aber er bewegte sich gut, und zu spät bemerkte ich, dass er auf einen Knock-out aus war. Er war schneller als ich, jünger, und ich konnte mit seinen Schlägen nicht mithalten. In der fünften Runde war mein linkes Auge zugeschwollen und ich verbrachte zu viel Zeit damit, es zu decken, sodass ich darüber die Rechte vergaß. Und Hadley, der vom alten Schlag war, legte für einen Linkshänder eine gute Show hin. Er verpasste mir ein paar Schläge auf mein rechtes Auge. Irgendwann platzte es auf. Ich musste nah an ihn ran und ihm die Tour vermasseln, aber mit einem zugeschwollen linken Auge und Blut im rechten, schlug ich blind um mich. Wenn ich ihn getroffen hätte, wäre er k.o. gegangen, aber so konnte ich den Mistkerl nicht finden und wurde irgendwann angezählt.

      Ich stieg aus dem Ring und sie schafften mich in den Umkleideraum, wo Browne mich notdürftig zusammenflickte, mir eine Handvoll Pillen gab und sagte, dass ich wohl für eine Woche oder so Kopfschmerzen haben würde und bald damit aufhören sollte, weil ich sonst das Risiko bleibender Hirnschäden einging.

      »Ich meine es ernst, Joe«, sagte er.

      Ich nickte. Das kannte ich schon.

      Ich ging schnell unter die Dusche, wechselte von heißem zu eiskaltem Wasser, versuchte, ein paar der Schmerzen loszuwerden und die Benommenheit aus dem Kopf zu kriegen, und als ich wieder herauskam, lief draußen ein zappeliger, Zigarre rauchender Mann in einem Kamelhaarmantel und Maßanzug herum. Er hatte dunkles, nach hinten gegeltes Haar, das an den Schläfen grau wurde, und olivfarbene Haut. Er bewegte sich wie ein junger Mann, voller angestauter Energie, aber sein Gesicht war schlaff, die hohlen Wangen und tief eingesunkenen dunklen Augen ließen ihn alt und krank aussehen. Seine beständigen Bewegungen wirkten auf mich, als ob er wusste, dass er nicht weitermachen konnte, wenn er erst einmal damit aufhörte.

      Als er mich erblickte, trat er die Zigarre aus. Sah mich von oben bis unten an und nickte.

      »Ich hab Sie ein paar Mal kämpfen sehen.«

      Ich schnappte mir ein Handtuch und begann, mich abzutrocknen. Mir tat der Kopf weh. Mein Kopf tat immer weh. Das gehörte eben dazu. Aber ich brauchte niemanden, der es noch schlimmer machte.

      »Sie haben eine starke Linke«, sagte er. »Ich hab selten jemanden mit so einer starken Führhand erlebt. Und Sie können einstecken, das muss man Ihnen lassen.« Er zögerte, sah auf seine zertretene Zigarre hinab, als wäre sie ein alter Freund, den er verloren hatte. »Aber Sie sind alt.«

      Das hörte ich von allen Seiten. Den Ärzten, den anderen Boxern, der Menge.

      »Sie sind zu langsam für diese Kids«, sagte er. »Die machen Sie fertig.« Er hielt mir seine Hand hin. Ich sah sie an. Sie war klein und schwitzig. »Mein Name ist Kendall. Dave Kendall. Schon mal von mir gehört?«

      Hatte ich nicht, aber das sagte ich ihm nicht. Als er es leid war, seine Hand ins Leere zu halten, zog er sie zurück und benutzte sie, um sich am Ohr zu kratzen.

      »Hab auch gekämpft. Crystal Kendall. Crystal, wegen meines angeknacksten Kiefers.«

      Sagte mir immer noch nichts.

      Er sah auf seine Uhr. Eine teure Uhr. Oder eine gute Fälschung. Er sah wie einer aus, der jemandem eine gefälschte Uhr andrehen würde. Vielleicht war er aber auch durcheinandergekommen und hatte sie sich schlussendlich selbst verkauft.

      »Hören Sie, ich muss in ein paar Stunden in Deptford sein, aber bis dahin habe ich Zeit. Wie wäre es mit einem Bier?«

      Ich wartete darauf, dass er zur Sache kam. Er fing an, mich zu langweilen. Roch nach Pomade und Zigarren. Bewegte sich zu viel.

      »Sie reden nicht viel, stimmt‘s?«, fragte er. »Das ist okay. Ich brauche auch keinen Redner. Hören Sie, ich will Sie nicht reinlegen oder so etwas.«

      Ich zog mich an. Kendall trat von den Spinden zurück und machte mir etwas Platz. Er kratzte sich wieder am Ohr.

      »Sie lassen sich die Scheiße aus dem Leib prügeln. Wie oft? Zweimal die Woche? Wie lange werden Sie das noch durchhalten? Was halten Sie von einem anderen Job?«

      Er zog eine neue Zigarre aus einem Päckchen in seiner Manteltasche. Er zündete sie an, blies etwas Rauch aus und sagte: »Ein einfacher beschissener Job.«

      Ich


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