TO DIE FOR - Gnadenlose Jagd. Phillip Hunter
Ich lief an ein paar Wohnblocks vorbei bis zu dem mehrgeschossigen Parkhaus, wo ich meinen Vauxhall Carlton mit einer Langzeit-Parkerlaubnis untergestellt hatte. Ich schaute, ob noch genügend Benzin im Tank war und klapperte ein paar Orte im Norden von London ab.
Der dritte Ort, an dem ich mein Glück versuchte, war ein Pub, der Earl of Roxburghe in Enfield. Jedermann nannte es das Roxie. Als ich hereinkam, saß Kendall allein mit einem Glas Wodka-Tonic in einer Nische. Er nippte an seinem Drink, rührte die Eiswürfel mit seinem Finger um, nippte wieder und stellte das Glas vorsichtig auf den Tisch. Als er aufblickte und mich da stehen sah, grinste er breit. Er zog eine Zigarre aus dem Päckchen auf dem Tisch, zündete sie an und inhalierte tief. Er blies den Rauch aus und sagte: »Ich wollte dich anrufen. War beschäftigt. Bei dir alles in Ordnung?«
Ich nickte.
»Gut. Gut.«
Er zog wieder an seiner Zigarre, dann bemerkte er das Bitte-Nicht-Rauchen-Schild an dem Fenster neben ihm.
»Scheiße.« Er ließ die Zigarre auf den Boden fallen und trat sie aus. »Ich hasse diesen elenden Nichtraucher-Schwachsinn. Setz dich.«
Kendall trug einen teuren Anzug, aber an ihm sah er billig aus. Ich setzte mich ihm gegenüber und wartete. Er sah das Glas Wodka-Tonic vor sich an und stieß mit dem Finger dagegen, als hätte er vergessen, wofür der Drink da war.
»Hab gehört, dass du nach mir suchst«, sagte er. »Was ist los?«
Ich wartete. Er zündete sich noch eine Zigarre an, erinnerte sich an das Schild, fluchte und warf die Packung weg.
Ich wusste, dass ich es auf die subtile Art versuchen sollte. Darauf reagierten die Menschen besser, wie ich gelernt hatte. Das Problem war nur, dass ich nie verstanden hatte, was das genau bedeutete. Subtil zu sein erschien mir als reine Zeitverschwendung. Es bedeutete nichts anderes, als viel zu lang um den heißen Brei herumzureden. Ich überlegte, wie ich es subtil anstellen könnte, dann gab ich es auf und fragte: »Wo ist mein Geld?«
Kendall nahm einen Schluck von seinem Drink, und während er schluckte, schüttelte er den Kopf. Nach dieser Vorstellung sagte er: »Was ist los mit dir? Hast du nicht immer dein Geld gekriegt?«
»Ja.«
»Natürlich hast du das. Wo also ist das verdammte Problem? Es gibt eine kleine Verzögerung. Nichts, worüber man sich Sorgen machen muss.«
Er nahm den Umweg, um mir zu sagen, dass er das Geld nicht hatte. Vielleicht war er gerade subtil.
»Wo ist es?«
»Ich weiß es nicht. Beckett ist verschwunden. Ich kann den Wichser nicht finden.«
»Was ist mit den anderen? Walsh, Jenson?«
»Ich hab versucht, sie zu erreichen. Sieh mal, ich kenne Beckett. Der ist in Ordnung. Wenn er sich Zeit lässt, dann wird das einen Grund haben. Vielleicht hat er Probleme, das Geld sauber zu bekommen oder so was.« Er klopfte mit einem fleckigen Zeigefinger auf die Tischplatte, so als wollte er überprüfen, ob sie aus Holz war. »Hör zu«, sagte er. »Ich bezahle dich aus eigener Tasche. Ich meine, schließlich habe ich den Job an Land gezogen, richtig? Ich hole es mir später von Beckett zurück. Okay?«
In dem Moment wusste ich, dass etwas faul war. Sicher, es war Kendalls Art, einen hinzuhalten, wenn sich etwas verzögerte, aber sein eigenes Geld rausrücken? Vergiss es.
»Ich bringe es dir nachher vorbei«, sagte er. »Wohnst du immer noch bei diesem Pakistani? Tottenham High Road, richtig?«
»Bin umgezogen.«
»Wirklich?« Er hörte auf, auf die Tischplatte zu klopfen. »Wohin?«
»Nach oben. Nummer fünfzehn.«
»Dann bringe ich es nachher vorbei. Hey, du hattest noch gar nichts zu trinken.«
Er stand auf.
»Ich hab keinen Durst.«
Er zögerte, schien sich nicht wieder hinsetzen zu wollen.
»Ich muss mal eben pissen«, sagte er. »Warte kurz, okay?«
Er schwankte ins hintere Ende des Pubs. Hatte wohl ein paar Drinks mehr, als ich angenommen hatte. Während ich wartete, dachte ich nach.
Es war schon möglich, dass Kendall besorgt war, dass Beckett geschnappt worden oder in Schwierigkeiten geraten war und ihn vielleicht verpfiff. Möglich, aber unwahrscheinlich. Kendall war nicht wichtig genug, um sich Sorgen zu machen, und mit Sicherheit war es ihm scheißegal, wenn man mich schnappen würde. Glaubte er, dass sich Beckett mit der Kohle aus dem Staub gemacht hatte? Wieder – möglich aber unwahrscheinlich. Dann hätte er meinen Anteil in den Sand gesetzt, aber das war nicht so viel Geld, als dass es ihn groß gekümmert hätte.
Ich drehte mich um, musterte den Pub. Es war beinahe acht, viel zu früh für die Stammgäste. Ein paar Männer waren da, keine Frauen. Die meisten saßen in Zweier- oder Dreiergruppen zusammen, aber ein Mann saß allein am Ende der Bar, so weit wie möglich von mir entfernt. Mir fiel auf, dass Kendall die Nische am hintersten Ende gewählt hatte und mit dem Rücken zur Wand saß, sodass er den ganzen Pub im Blick hatte. Außerdem saß er am äußeren Rand der Bank, im Gang, um zu verhindern, dass ich mich neben ihn setzte. Der Mann an der Bar war riesig, mit wuchtigem Oberkörper und trainierten Armen. Vor ihm stand ein großes schmales Glas mit einer klaren Flüssigkeit darin. Vielleicht Wasser. Was immer es war, er trank nichts davon. Er hatte die Ellbogen auf den Tresen gelegt, und mit einer Hand hielt er das Glas, das er ab und an ein wenig ankippte, damit er darauf hinabsehen konnte.
Kendall kam zurück in die Nische. Er schwitze jetzt noch mehr.
Versuchsweise subtil sagte ich: »Hab noch nichts von Nathan King gehört.«
Er antwortete nicht darauf.
Ich fragte: »Hast du was für mich zu tun?«
»Nein, Joe. Nichts. Im Moment passiert nicht so viel.«
Er sah wieder auf den Tisch.
Ich stand auf und konnte förmlich spüren, wie die Anspannung von ihm abfiel.
»Und du willst wirklich nichts trinken?«, fragte er.
»Nein.«
Kendall hatte Angst. Mehr noch, er hatte Angst vor mir. Jemand hatte ihn angerufen und ihm gesagt, dass ich nach ihm suchte, oder er hatte seinen Anrufbeantworter abgehört. Dann hatte er sich einen schönen, sicheren Platz in der Öffentlichkeit zum Warten gesucht, mit einem freundlichen Leibwächter, der auf ihn aufpasste.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Kendall. »Wegen dem Geld.«
Ich verließ den Pub, stieg in meinen Wagen und fuhr ein paar hundert Meter die Straße rauf. Dann wartete ich und beobachtete den Eingang des Pubs durch den Rückspiegel. Kendall und der andere Typ kamen ein paar Minuten später heraus. Sie blieben im Licht der Fenster stehen und wechselten ein paar Worte, dann trennten sie sich. Kendall ging zu seinem Auto und fuhr davon. Ich folgte ihm. Nach einer Minute wusste ich, dass er nach Hause fuhr. Ich lehnte mich zurück und ließ ihn davonfahren.
Kapitel 3
Er wohnte in einem einzelnen Pseudo-Tudor-Haus in Palmers Green. Es war nichtssagend genug, um nach Geschäftsmann auszusehen, aber auch groß genug, damit man sah, dass er Geld hatte. Er lud mich nie ein, hatte mir tatsächlich auch nie verraten, wo er wohnte. Ich entschied eines Tages, es selber rauszufinden. Für alle Fälle.
Als er die Tür öffnete, sagte er: »Urgh.«
Ich stürmte hinein und schob ihn zurück, trat die Tür hinter mir zu und bugsierte ihn durchs Haus.
Er versuchte, seine Arme freizubekommen. »Was zur Hölle tust du da?«
Das Wohnzimmer war riesig, vollgestellt mit alt aussehenden Möbeln, Kunstdrucken mit Jagdszenen, diesen Staffordshire-Hundefiguren und solchen Sachen. Es gab einen weißen