Dr. Daniel Staffel 5 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 5 – Arztroman - Marie Francoise


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plötzlich?« Michaela schüttelte den Kopf. »Das ist schon sehr eigenartig.« Sie schwieg einen Moment. »Könnte sie in Japan jemanden kennengelernt haben?«

      »Möglich«, meinte Manfred, »aber eher unwahrscheinlich. Wäre das der Fall gewesen, dann wäre sie doch nicht früher zurückgekommen als geplant.« Er seufzte wieder. »Ich verstehe sie nicht, aber wahrscheinlich sind Frauen dazu da, daß man sie nicht versteht.«

      Michaela mußte schmunzeln. »Das ist aber nicht gerade ein Kompliment.«

      Da sah er ihr direkt ins Gesicht. »Du bist anders, Michaela. Bei dir weiß man immer, woran man ist.« Er zögerte. »Darf ich dich etwas fragen?«

      »Natürlich.«

      »Warum hast du keinen Freund?« Er errötete ein wenig. »Das ist schrecklich indiskret, ich weiß, aber… ich habe mich das schon oft gefragt. Du bist wunderschön, besitzt viel Charme und bist dabei so offen und ehrlich… so fröhlich und unbeschwert – genau das Mädchen, das sich jeder Mann an seiner Seite wünscht.«

      Forschend sah sie ihn an. »Du auch?«

      Er zögerte, dann nickte er. »Ja, Michaela, ich würde mir ein solches Mädchen wünschen.«

      »Dann nimm es dir, Manfred.« Sie atmete tief durch, weil sie dieses Eingeständnis ihrer Liebe viel Mut kostete. »Du bist der Grund, weshalb ich noch immer keinen Freund habe. Vor zwei Jahren habe ich in der Firma angefangen, und seit diesem Tag liebe ich dich, aber gegen Ines hatte ich nie eine Chance. Ich kenne sie… vielmehr, ich habe sie einige Male gesehen. Sie ist wirklich sehr hübsch.«

      Fassungslos hatte Manfred ihr zugehört. Auf seine Frage hatte er beinahe mit jeder Antwort gerechnet, aber damit nicht. Es war für ihn vollkommen unverständlich, daß dieses Traummädchen ihn liebte. Was war er denn schon? Ein kleiner Angestellter mit durchschnittlichem Aussehen und eher unterdurchschnittlichem Verdienst.

      »Warum ich?« konnte er nach einer Weile des Schweigens fragen. »Meine Güte, dir liegen die bestaussehenden Männer zu Füßen.«

      »Liebe fragt nicht nach dem Aussehen«, entgegnete Michaela, dann zuckte sie die Schultern. »Ich kann dir keine Antwort geben, Manfred. Ich liebe dich eben, das ist das Einzige, was ich weiß.«

      Manfred schluckte. »Wenn du jetzt von mir erwartest, daß ich dich küsse und dir ebenfalls meine Liebe erkläre, dann muß ich dich leider enttäuschen, Michaela. Ich habe dir vorhin gesagt, daß ich mir ein Mädchen wie dich an meiner Seite wünschen würde, und das ist auch die Wahrheit, aber bis jetzt habe ich dieses Mädchen immer in Ines gesehen. Ich kann nicht eine Freundin als Ersatz für eine andere nehmen. Dafür wärst du auch viel zu schade.«

      Da lächelte Michaela. »Genauso habe ich dich eingeschätzt, Manfred, und ich bin froh, daß du so bist.« Sie legte eine Hand auf seine Schulter. »Du mußt dich gefühlsmäßig erst von Ines lösen, dann wirst du bereit für eine neue Liebe sein, und ich kann nur hoffen, daß ich das Ziel dieser Liebe sein werde.«

      *

      Valerie Doschek war die erste Patientin, die Dr. Daniel an diesem Nachmittag aufsuchte. Sie selbst öffnete ihm die Tür, doch ihr Lächeln kam diesmal nicht von Herzen.

      »Es ist sehr nett, daß Sie mich zu Hause besuchen, Herr Doktor«, erklärte sie. »Aber ich wäre auch zu Ihnen in die Praxis gekommen. Ich fühle mich eigentlich recht gut.«

      »Körperlich vielleicht«, räumte Dr. Daniel ein, »aber ich sehe Ihnen an, daß Sie die Vorfälle noch längst nicht verarbeitet haben.« Er seufzte. »Es war eine unglückliche Situation, daß Sie ausgerechnet in dieser Klinik gelandet sind.«

      »Es gab keine andere Möglichkeit«, meinte Valerie. »Sigrid und ich mußten schnell handeln. Der Wehenschmerz hat mich buchstäblich überfallen, und dann ging das Fruchtwasser ab. Ich hatte Angst, und zudem herrschte in München gerade Stoßzeit.« Sie zuckte die Schultern. »Sicher, im Endeffekt hatte ich noch fast fünf Stunden Zeit, aber das wußte ich ja vorher nicht. Hätte ich es geahnt, dann wäre ich in die Waldsee-Klinik gefahren.« Sie schluchzte auf. »Es war so schrecklich, Herr Doktor. Der Arzt mußte meinen Tobias mit der Saugglocke holen. Er hat jetzt eine fürchterliche Geschwulst am Kopf. Und dann wurde er mir gleich weggenommen, gebadet und angezogen. Nichts lief so, wie Frau Lüder es gesagt hatte… daß mir das Baby auf den Bauch gelegt werden würde und…« Vor lauter Schluchzen konnte sie nicht mehr weitersprechen.

      Fürsorglich begleitete Dr. Daniel die junge Frau in ihr Wohnzimmer zu einem der bequemen Sessel, dann setzte er sich ihr gegenüber.

      »Zu allererst kann ich Sie beruhigen, Frau Doschek. Diese Geschwulst, die sich bei Ihrem kleinen Sohn durch die Saugglocke gebildet hat, wird in ein paar Tagen wieder verschwinden«, erklärte er. »Dar-über müssen Sie sich keine Sorgen machen. Viel beunruhigender ist Ihr psychischer Zustand. Ich fürchte, wir müssen aufpassen, daß sich diese Geburt nicht zu einem traumatischen Erlebnis entwickelt. Ich weiß, daß in München beinahe alles anders gelaufen ist, als es bei Ihnen zu Hause oder in der Waldsee-Klinik der Fall gewesen wäre, aber Sie dürfen das, was Sie erlebt haben, nicht als typisches Beispiel einer Geburt sehen. Früher standen solche Entbindungen an der Tagesordnung, das heißt, man kannte gar nichts anderes. Wenn Frauen Wehen bekamen, mußten sie sich ins Bett legen. Heute weiß man, daß das grundverkehrt ist. Doch das ist nicht das einzige: Der französische Arzt Frédérick Leboyer hat erkannt, daß man ein Baby durchaus sanft ins Leben bringen kann, ohne ihm dabei zu schaden. Seine Ideen haben sich mittlerweile schon an den meisten Kliniken durchgesetzt, aber einige Ärzte plädieren noch immer für diese veraltete Form des Kinderkriegens, die weder auf die Bedürfnisse der werdenden Mutter noch auf die des Babys ausgerichtet ist. Glücklicherweise sind es nur noch wenige Ärzte, die diese Art der Geburtshilfe verfechten.«

      »Und ich mußte ausgerechnet in eine solche Klinik geraten«, murmelte Valerie, dann sah sie Dr. Daniel an. »Ich fürchte, das werde ich niemals vergessen. Ich lag da oben mit gespreizten Beinen und fühlte nur noch die Schmerzen. Das Glück, das andere Frauen bei einer Geburt erleben, ging mir völlig verloren.«

      »Ich weiß, Frau Doschek, aber ich kann es leider nicht mehr rückgängig machen, genauso wie ich es nicht verhindern konnte.«

      Valerie senkte den Kopf. »Gestern war ich wütend und enttäuscht deswegen. Ich fühlte mich von Ihnen im Stich gelassen, aber heute weiß ich, daß Sie keine andere Wahl hatten. Sie können schließlich nicht in eine fremde Klinik gehen und Forderungen stellen.«

      »Gestern hätte ich es gern getan«, gestand Dr. Daniel, dann erhob er sich und ging zu Valerie, um ihr tröstend eine Hand auf die Schulter zu legen. »Was passiert ist, kann ich nicht ungeschehen machen, aber ich werde Ihnen helfen, diese schlimmen Eindrücke zu verarbeiten. Kommen Sie zu mir, wann immer Sie wollen – auch außerhalb meiner Sprechzeiten. Ich werde mir für Sie Zeit nehmen.« Er lächelte. »Und jetzt würde ich gern Ihren kleinen Sohn kennenlernen.«

      Da glitt ein glückliches Strahlen über Valeries Gesicht. »Er ist ein ganz herziges Kerlchen.« Sie wurde wieder ernst. »Nur diese Beule macht mir Sorgen.«

      »Die sind sicher unbegründet. Ich habe Ihnen ja schon gesagt, daß die Beule in ein paar Tagen weg sein wird«, erklärte Dr. Daniel, dann folgte er ihr ins Kinderzimmer, wo der kleine Tobias selig schlief.

      »Sie müssen übrigens auch an die Vorsorgeuntersuchungen denken«, meinte Dr. Daniel. »Morgen steht schon die U 2 an. Sie wissen sicher, daß in der Kreisstadt ein Kinderarzt ist, aber wenn Sie möchten, können Sie mit Tobias auch zu Frau Dr. Carisi gehen. Sie ist zwar Allgemeinmedizinerin, hat aber in letzter Zeit an vielen Kursen über Kinderheilkunde teilgenommen, weil von einer Landärztin noch mehr erwartet wird als von einem Allgemeinmediziner, der in der Stadt praktiziert.«

      »Da bin ich aber froh«, urteilte Valerie. »Frau Dr. Carisi ist eine so nette, freundliche Ärztin. Mein Mann und ich sind ja auch bei ihr in Behandlung.«

      »Dann wissen Sie sicher, daß sie ihre Praxisräume jetzt bei mir oben hat.«

      Valerie nickte. »Bei meiner letzten Vorsorgeuntersuchung habe ich das neue Schild gesehen, und ich


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