Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner
reden.«
Susanne verteilte den Kuchen. Die beiden fingen an zu essen.
»Wirst du in deiner freien Woche im Hotel ›Zum Ochsen‹ bleiben?«
»Ja, mein Chef hat alles schon gebucht und bezahlt.«
»Dann hast du ein festes Quartier und kannst von dort aus schöne Wanderungen machen. Ich habe heute schon mit Anna telefoniert. Sie freut sich darauf, dich kennen zu lernen. Ich habe einige Geschenke für Anna, Toni und die Kinder und für den alten Alois. Ach, und natürlich für den Hund! Es ist ein Neufundländerrüde. Anna ist eine richtige Hundenärrin.«
»Mit Hunden habe ich es nicht so, Sue. Ich liebe Katzen.«
»Oh, die kleine Franziska hat einen Kater, Max heißt er. Für ihn habe ich nichts gekauft. Den habe ich ganz vergessen.«
»Keine Sorge!« Judith stand auf und holte eine Dose mit Katzendrops. »Hier, die kannst du haben!«
»Danke! Wann fährst du?«
»Schon bald, dann bin ich heute schon im Hotel und kann mich in Ruhe auf meine Arbeit vorbereiten.«
»Das ist besser, als mitten in der Nacht loszufahren und dann abgehetzt anzukommen und gleich mit der Seminarleitung beginnen zu müssen.«
»Du sagst es, Sue! Jetzt trinken wir noch gemütlich unser Kaffee zu Ende, dann fahre ich. Hier sind die Schlüssel. Mein Handynummer hast du ja. Ich habe deine Telefonnummer auch meinen Eltern gegeben. Für die beiden alten Leute sind die Katzen wie Kinder. Sei also bitte nicht überrascht, wenn sie dich anrufen.«
Susanne schmunzelte.
»Mache dir keine Sorgen. Ich werde schon mit ihnen klarkommen. Ich habe sie ja kennen gelernt, als du hier eingezogen bist.«
»Richtig! Sie kamen und haben mir geholfen!«
Susanne und Judith aßen ihren Kuchen zu Ende und tranken ihren Kaffee aus. Judith wollte noch das Geschirr spülen, aber Sue hielt sie davon ab. Sie brachte sie zum Auto. Susanne holte die Tüte mit den Geschenken, die Judith mitnehmen sollte. Nach vielen Umarmungen der beiden Freundinnen fuhr Judy ab. Susanne winkte, bis sie am Ende der Allee um die Ecke fuhr. Dann ging sie mit Peter über die Straße zu sich heim.
*
An diesem Tag war Alban bereits in Waldkogel angekommen. Wie immer, wenn er seine Verwandten besuchte, hielt er unterwegs am Friedhof und schaute zuerst nach dem Grab seiner Eltern. Seine Tante hielt es in Ordnung. In einer Grableuchte aus Ton brannte ein ewiges Licht. Alban legte den kleinen Blumenkranz ab, den er unterwegs in Kirchwalden gekauft hatte. Er sprach ein Gebet.
Anschließend stand er lange vor dem Grab. In Gedanken erzählte er seinen Eltern von Alina und der Auseinandersetzung mit ihr. Sein Herz war schwer. Die Szene beim Mittagessen hatte sich tief in seine Seele gebrannt. Dass Alina an seiner Liebe zweifelte, hatte Alban sehr verletzt. In seinem Kopf drehten sich die Gedanken. Immer wieder stiegen leise Zweifel auf, die er sofort im Keim erstickte. Er hatte sich für Alina Fischer entschieden. ›Die Hoffnung stirbt zum Schluss‹, zitierte Alban in Gedanken das alte Sprichwort.
Er drehte sich um und schaute hinauf zum Gipfel des ›Engelssteigs‹. Er lächelte. Alban war mit den Geschichten vom ›Engelssteig‹ und dem ›Höllentor‹ aufgewachsen. Als kleiner Bub konnte der davon nicht genug hören. Alban lächelte vor sich hin. Er war sich sicher, dass seine Tante einige der Geschichten erfunden hatte. Denn über viele Jahre gehörte es zum Einschlafritual, dass sie ihm eine Geschichte von den Engeln erzählte, wie andere Kinder ein Märchen als Gutenachtgeschichte zu hören bekamen. Sie waren ihm in seiner Kindheit ein Trost gewesen.
Alban verließ den Friedhof und betrat die schöne Kirche von Waldkogel. Er setzte sich zuerst in die letzte Bank. Er sah sich um und betrachtete die schönen Barockmalereien. Auch die Putten an der Decke hatten es ihm angetan. Langsam wurde er ruhiger. Friede, Ruhe, Geborgenheit legten sich über sein Herz. Alban stiftete der Mutter Gottes Maria eine große Kerze. Leise erzählte er ihr seinen Kummer, wie er es als Kind immer getan hatte. Als er damit fertig war, hatte er das Gefühl, alles getan zu haben, was er tun konnte. Er ging zu seinem Auto und fuhr zum Grummer Hof.
»Mei, der Alban! Was eine Freud’!«
Seine alte Tante eilte aus dem Wohnhaus. Sein Onkel kam aus dem Schweinestall, dort hatte er die jungen Ferkel gefüttert. Sie schlossen nacheinander ihren Buben in die Arme.
»Kommst genau richtig! Wir wollten uns zur Vesper setzen. Komm mit rein! Erst essen wir! Dein Gepäck bringen wir später hinauf!«
Seine Tante hakte sich bei ihm unter. Sein Onkel ließ es sich nicht nehmen, Albans Reisetasche in sein Zimmer zu bringen.
»Was für eine Überraschung! Wie freuen wir uns. Warum hast net angerufen, Bub? Dann hätte ich dir deinen Lieblingskuchen gebacken. Aber morgen gibt es dein Lieblingsessen, Bratwurst, Rotkohl und Kartoffelbrei.«
Albans Tante sah die geringe Veränderung in seinen Gesichtszügen.
»Was ist Bub? Was hast? Du freust dich net? Bleibst nicht einige Tage?«
»Ja, schaust ein bisserl angespannt aus oder wie des neudeutsch heißt – gestresst!«, bemerkte sein Onkel, der in die Küche kam.
Alban nahm seine Tante in den Arm.
»Doch, ich bleibe länger! Ich habe mir Urlaub genommen und kann auch noch Überstundenfrei dranhängen.«
»So! Ich dachte, du wolltest alles für deine Flitterwochen aufsparen.«
Alban seufzte. Er war ein Mann, der nicht lange um den heißen Brei herumredete.
»Ich war am Sonntag bei den Fischers zum Essen eingeladen. Alina hatte gekocht, Bratwurst, Rotkraut und Kartoffelbrei. Aber es blieb ein bitterer Geschmack dabei zurück. Während des Essens gerieten wir in Streit. Das heißt, Alina wollte wie immer ihren Dickschädel durchsetzen. Es geht um die kirchliche Trauung. Jedenfalls ist sie dann heulend aus dem Zimmer gelaufen.«
»Des Madl beruhigt sich auch wieder, Alban«, bemerkte Adam Grummer. »Die Weiber sind vor der Hochzeit all’ net berechenbar! Des ist eine Tatsache! Des vergeht wieder! Am besten tust so, als würdest du den ganzen Trubel, des ganze Theater um das Hochzeitsfest net mitbekommen.«
»Des sagt sich so leicht, Onkel Adam! Die Planung der Hochzeit artet in eine echte Krise aus. Alina ist in der Beziehung richtig bockig!«
Das abendliche Angelusläuten drang durch die offenen Küchenfenster. Sie setzten sich an den Tisch. Der Bauer sprach das Tischgebet. Sie bekreuzigten sich. Dann verteilte Albans Tante Lore die dicke Suppe. Dazu gab es Brot.
»Wir waren heute Mittag oben auf der Alm. Deshalb habe ich für abends so eine kräftige Suppe gemacht. Wenn ich gewusst hätte, dass du kommen tust, dann …«
Alban griff über den Tisch und streichelte seiner Tante die Wange.
»Ich weiß! Lass es gut sein! Ich bin doch kein Staatsbesuch. Ich bin hier immer noch daheim!«
Die Tante lächelte. Sie aßen. Wie immer sprachen sie bei Tisch wenig. Erst als Lore Grummer den Tisch abgeräumt und Adam das Bier eingeschenkt hatte, redeten sie weiter.
»Mei, ich kann euch net verschweigen, dass ich von der Alina ein bisserl enttäuscht bin.«
Alban schilderte ausführlich die Auseinandersetzung.
»Des drückst du fein aus, Bub! Mei, ich wäre da net nur enttäuscht, sondern stocksauer. Ich erinnere mich, wie du uns einmal mit ihr besucht hast und sie sogar mit in die Kirche ging. Ich dachte, sie hätte begriffen, was dir das Gotteshaus bedeutet und der Glaube und so weiter, du weißt schon. Außerdem hast du ihr damals genau gesagt, dass die Grummers alle eng mit der Tradition verbunden sind. Und dass du, wenn du einmal heiratest, hier von unserem Pfarrer Zandler getraut werden willst.«
»Ja, ich erinnere mich daran! Damals dachte ich, Alina gefällt der Gedanke. Sie lächelte mich an. Ich habe ihr Lächeln wohl falsch gedeutet. Außerdem war des vor der Zeit, in der wir dann enger zusammengekommen