Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Almhütte ist kein ebener geteerter Parkplatz.«
Judith lachte.
»Meine Ausstattung ist wohl in keiner Weise bergtauglich. Aber ich passe mich an so gut es geht! Heute trage ich kein Sommerkleid, sondern Kniebundhosen und Bluse. Und die Wanderschuhe habe ich im Laden am Marktplatz gekauft.«
»Dann hast du den Gutschein eingelöst?«
Judith schoss das Blut in die Wangen.
»Nein! Das ist viel zu viel! Außerdem sind meine Schuhe schon wieder ganz. Den Absatz hat mir ein Schuhmacher befestigen können. Du musst sie mir nicht ersetzen. Ich will dir den Gutschein zurückgeben.«
»Des kommt net in Frage! Deine Schuhe, die kaputt gegangen sind, waren ganz teure Schuhe, ganz exklusive Damenschuhe einer bekannten Nobelmarke.«
»Du kennst dich damit aus?«
Judith war sehr überrascht.
Fast hätte Alban gesagt, dass seine Braut vorzugsweise auch diese Marke trägt. Doch etwas hielt ihn davor zurück. So sagte er nur: »Mei, ein Mann sollte sich da schon etwas auskennen. Die Frauen sind doch ganz verrückt auf Schuhe.«
»Oh ja!«, hauchte Judith und errötete.
Judiths Verlegenheit machte Alban unsicher. »Was ist? Habe ich etwas Falsches gesagt?«
»Nein, nein! Ich hatte da nur so einen Gedanken!«
Verlegen errötete Judith noch mehr.
»Ich glaube, es ist besser, wir reden nicht weiter über Schuhe!«
»Ja, dann sage ich mal wieder nur Pfüat di! Vielleicht sieht man sich mal wieder? So groß ist Waldkogel nicht!«
Judith lächelte ihn an.
»Pfüat di«, sagte sie leise.
Er stieg aus. Kaum, dass Alban die Wagentür geschlossen hatte, gab sie Gas, wendete und fuhr den Milchpfad hinauf. Er sah ihr nach. Sein Herz klopfte. Alban steckte die Hände in die Hosentaschen und ging heim.
Sein Onkel saß am Küchentisch und las die Sonntagszeitung. Seine Tante war noch mit dem Kochen beschäftigt. Wortlos ging Alban zum Schrank.
»Wo hast den Obstler vom alten Alois?«
»Der steht im Schrank in der Stube. Warum?«
Alban gab keine Antwort. Er holte die Flasche und schenkte sich ein. Sein Onkel wollte keinen Schnaps.
»So, fühlst du dich jetzt besser?«, fragte er seinen Neffen. »Was war das eben? Du rennst davon, steigst zu dem Madl ins Auto und fort bist? Da könnte man auf die Idee kommen, du hättest entdeckt, dass die Alina net das einzige Madl auf der Welt ist, wie?«
»Also, des Madl mit dem Auto, des ist nur eine Zufallsbekanntschaft aus Kirchwalden. Ich wollte sie nur vor den Burschen retten, wollte nur Kavalier sein. Wir sind doch freundlich zu Fremden, nicht wahr?«
»Sicher sind wir freundlich! Des streite ich net ab. Aber ein bisserl gewundert haben wir uns schon, deine Tante und ich. Du warst wohl sehr freundlich zu ihr. Wenn sie dich hat einfach so ins Auto steigen lassen, dann wird sie keine ganz so Fremde für dich gewesen sein. Ein fesches Madl ist sie. Mei Bub, wir sind eben neugierig! Was weißt über sie?«
»Sie ist eine Freundin einer Freundin von der Anna, der Frau vom Toni!«
»So, des ist eine gute Referenz! Dann ist sie net ganz und gar eine Fremde.«
»Onkel Adam!«, brummte Alban. »Nun gib Ruhe! Mehr weiß ich auch nicht!«
»Aber gefallen tut sie dir schon, oder?«
»Was ist des für eine Frage, des Madl ist schon fesch! Des sieht doch ein Blinder mit einem Krückstock! Du hast doch selbst gesehen, wie sie die Burschen angezogen hat. Die haben sie richtig belagert. Des grenzte schon fast an Nötigung, wie sie die Judith daran gehindert haben, anzufahren.«
»Ja, ja, ich hab’s ja gesehen!«
»Dann ist es ja gut! Jetzt will ich nix mehr darüber hören!«
»Mei, Bub, was bist empfindlich? Aber des hängt alles mit der Alina zusammen. Des lastet auf dir!«
»Über Alina will ich schon gar net reden – oder hat sie angerufen?«
»Naa! Nix!«, rief Lore Grummer durch die Küche.
Sie war damit beschäftigt, Kartoffeln zu zerdrücken. Es gab Kartoffelbrei, Sauerbraten vom Schwein und Salat aus dem Garten.
Alban erinnerte sich, dass er vor der Messe sein Handy ausgeschaltet hatte. Er holte es aus der Hosentasche und schaltete es ein.
»Ist ein Anruf gekommen?«
»Naa, Onkel Adam! Kein Anruf, keine SMS!«
Alban spielte eine Weile mit dem Handy. Dann schaltete er es wieder aus. Er tat es aus einem Impuls heraus. Er wusste selbst nicht genau warum. Wenn sie anruft, kann sie eine Nachricht hinterlassen, dachte er. Ich habe jetzt eine Woche gewartet, jetzt kann sie warten. Nach dieser Entscheidung fühlte er sich besser.
Sie aßen bald. Während Lore Grummer danach die Küche säuberte, saßen Alban und sein Onkel vor dem Haus auf der Bank und plauderten. Zuerst musste Alban von seiner Arbeit auf der Werft erzählen. Adam hörte ihm immer gerne zu. Aus jedem von Albans Worten sprach die Freude und Begeisterung für seine Arbeit. Das war für Adam Grummer die beste Bestätigung, dass sie es richtig gemacht hatten, den Buben in seiner Berufswahl zu unterstützen.
»Sag mal, Alban, willst du deinen ganzen Urlaub hier auf dem Hof verbringen? Net, dass du denkst, wir freuen uns nicht, dass du da bist. Aber du bist doch früher immer so gern gewandert.«
»Ja, daran habe ich auch schon gedacht! Es ist sinnlos, hier herumzusitzen. Wenn die Alina anruft, kann sie mich überall erreichen.«
»Richtig, Bub, so ist es! Der modernen Technik sei gedankt! Ich hab’s ja net so mit dem neumodischen Kram, aber ich sehe ein, es gibt Situationen, da kann so ein Handy recht nützlich sein.«
Alban schaute hinauf in den wolkenlosen blauen Himmel über Waldkogel. Er dachte nach. Sein Onkel ließ ihm Zeit.
»Es gibt auch einige Leut’, die ich gern mal wieder sehen möchte.«
»So? An wen denkst dabei?«
»Na, zum Beispiel den Lorenz Hofer, den Förster oder auch den Albert Weisgerber vom Sägewerk.«
»Gute Idee, Bub! Als du mit dem Madl im Auto fort bist und wir noch eine Weile vor der Kirche standen, haben wir kurz mit dem Lorenz und seiner Frau geredet. Ich soll dir Grüße bestellen. Sie würden sich freuen, wenn du sie besuchst. Entschuldige, dass ich vergessen habe, dir des zu sagen. Sie haben dich für heute eingeladen. Heute Abend gibt es ein Fest für die Waldarbeiter im Forsthaus. Der Hofer musste eine Bache erlegen, und deshalb gibt es heute Wildsau am Spieß!«
»Des gibt bestimmt ein schönes Fest. Aber bei soviel Leuten kommt man doch net zum Reden.«
»Dann besuche den Lorenz und die Lydia mal im Laufe der Woche. Aber vielleicht würde ein kleiner Waldspaziergang ganz gut tun. Kannst ja mal zum Sägewerk, vielleicht ist der Albert daheim.«
Alban stand auf. Er ging in sein Zimmer. Er zog sich um und tauschte den feinen Lodenanzug, den er immer sonntags in Waldkogel trug, mit seinen Wandersachen. Der Rucksack war schnell gepackt.
»Du nimmst aber viel mit, Alban!«, bemerkte seine Tante.
»Ja, vielleicht will ich in den Bergen biwakieren. Da ist es besser, etwas mehr mitzunehmen.«
Er schulterte den Rucksack, auf den er die Isomatte und einen Schlafsack gebunden hatte und ging los.
»Himmel, was bin ich froh! Net, dass ich den Bub loswerden will, Adam. Aber des Rumsitzen bringt doch nichts!«
»In den Bergen wird er sein seelisches Gleichgewicht wiederfinden und wissen, was er tun muss. Es muss etwas geschehen.«