Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Alban erreichte den Grummer Hof.
»Da bist du ja, Bub!«, rief Lore Grummer aus dem Küchenfenster. »Ich bin hier drin!«
Alban ging hinein.
»Ja, ich bin wieder da! Hast sicherlich auf mich gewartet. Ich war in Kirchwalden noch in einer Eisdiele. Die Pflanzen habe ich im Kofferraum. Wann willst du auf den Friedhof? Ich komme mit und fahre dir die Sachen hin.«
»Irgendwann heute Nachmittag! Aber es ist besser, du tust die Pflanzen ausladen und in den Schatten stellen. Im Auto wird es zu warm werden. Und gib ihnen auch ein bisserl Wasser.«
»Ich stelle sie in den Schuppen!«
Alban ging sofort hinaus.
Adam Grummer kam in die Küche.
»Was macht der Bub?«
»Ich weiß net! Jedenfalls hat er nicht sofort gefragt, ob die Alina angerufen hat. Des ist schon einmal ein Fortschritt. Mei, was ist des Madl auch so stur. Adam, mich würde net wundern, wenn der Alban des Interesse an dem Madl verliert.«
»Lore, des muss der Bub selbst entscheiden.«
»Des stimmt, Alban! Des ist eine Herzensangelegenheit, da können wir wenig tun. ›Kleine Kinder – kleine Sorgen, große Kinder – große Sorgen‹, so heißt es.«
Sie nickten sich zu. Das Gespräch brach ab. Alban kam in die Küche. Er wusch sich die Hände am Spülstein und setzte sich an den Tisch und las die Zeitung.
*
Am nächsten Tag stand Alban mit seiner Tante und seinem Onkel nach der Sonntagsmesse vor der Kirche. Sie unterhielten sich mit Nachbarn.
»Des müsst ihr euch anschauen! Dort drüben vor dem Hotel«, sagte Adam Grummer.
Alle drehten sich um. Vor dem Hoteleingang stand eine junge Frau in einer Bergwanderer-Ausstattung, die völlig neu aussah. Jemand vom Hotel hatte einen kleinen Sportwagen vorgefahren. Der Mann in der Livree hielt die Wagentür auf. Die junge Frau mit den hellen lockigen Haaren verstaute ihren Rucksack und eine Einkaufstüte im Kofferraum.
»Des ist ein lustiges Bild. Ein Madl wie aus einem Katalog für Wandermoden ausstaffiert und der elegante dunkelblaue Sportwagen. Des passt irgendwie net. Wo will sie denn mit dem Auto hin? So tief wie der gelegt ist, tut sie net weit kommen. Sie sollte sich besser einen Jeep leihen.«
»Da stößt bei ihr auf Granit! Die lässt sich nix sagen. Die hat Haare auf den Zähnen«, bemerkte Alban.
»Du kennst des Madl?«, staunte seine Tante.
»Mei, kennen? Des ist zu viel gesagt. Wir sind gestern in Kirchwalden aneinandergeraten. Sie heißt Judith Jäger und kommt aus Frankfurt. Immerhin läuft sie nimmer auf Schuhen mit hohen Absätzen herum. Ich hab’ ihr gesagt, dass solche Treter schlecht für die Berge sind.«
Es war schlecht zu sagen, was die jungen Burschen mehr anzog, die junge Frau oder der Sportwagen. Jedenfalls gingen sofort einige der ledigen Burschen von Waldkogel auf sie zu. Das zog andere Burschen nach und bald war Judiths Auto belagert. Alban spürte einen Stich, als er das sah. Ohne lange nachzudenken, schritt er über die Straße. Die Burschen versuchten, mit Judith ins Gespräch zu kommen. Sie lehnten am Wagen und hinderten sie abzufahren.
»Schert euch fort! Lasst des Madl in Ruh’!«, rief er.
»He, des ist ja der Alban Grummer, der Herr Schiffsbauingenieur. Ist des dein Madl? Hast du da was zu sagen?«, setzte einer der Burschen entgegen.
»Ich kenne sie, und die Antwort muss euch genügen«, sagte Alban laut und deutlich.
Inzwischen hatte Judith den Motor angelassen. Sie konnte allerdings nicht losfahren, weil die Burschen sie nicht ließen. Alban sah, wie peinlich das Judith war. Er ging um das Auto herum, zog einen der Burschen zur Seite, riss die Tür auf und setzte sich auf den Beifahrersitz.
»Wenn du hier irgendwie loskommen willst, dann solltest du mich als Helfer akzeptieren«, flüsterte er leise.
Er griff ins Lenkrad und hupte. Dann streckte er seinen Arm aus und umfasste Judiths Sitz in dem kleinen Zwischenraum zwischen Rückenlehne und Kopfstütze.
»Mach die Scheiben rauf!«
Judith drückte auf den Knopf des elektrischen Scheibenhebers und die Glasscheiben wurden nach oben geschoben. Judith sah, wie die Burschen zurücktraten. Sie waren verärgert.
»Fahr los!«, raunte Alban.
Judith gab Gas. Der Wagen heulte auf und schoss davon.
»Wohin?«, fragte sie.
»Fahr bis um die Kurve! Dort ist ein Gasthaus. Auf dem Hof kannst du halten. Ich steige wieder aus.«
Es war nicht weit bis zum Wirtshaus und der Pension ›Beim Baumberger‹, die Tonis Eltern gehörten.
»Kannst hier halten! Ich steige aus.«
Judith nahm die Sonnenbrille ab. Sie sah ihn mit ihren großen blaugrünen Augen an.
»Danke!«, sagte sie leise. »Die waren richtig aufdringlich und so plump! Ich wusste gar nicht, wie ich reagieren sollte.«
»Gern geschehen!«, antwortete Alban.
Er öffnete die Tür und stellte einen Fuß nach draußen.
»Wo wollen Sie eigentlich hinfahren?«
Judith lächelte und streckte ihm die Hand entgegen.
»Sagen wir ›Du‹, wie es hier wohl in den Bergen üblich ist. Ich bin die Judy, so werde ich gerufen.«
»Alban! Einen Rufnamen hab’ ich net. Die Dorfbuben verpassten mir einen Spitznamen, aber den will ich lieber nimmer hören.«
»So schlimm?«
»Net wirklich schlimm, heute sehe ich das anders. Aber damals als junger Bub hab’ ich sehr gelitten darunter. Es war echt ehrverletzend.«
»Wie nannten sie dich?«
»Alf! Wie der Außerirdische aus der Fernsehserie!«
»Das war doch sehr schmeichelhaft. Ich mochte die Figur. Wie kamen sie darauf?«
»Das ist eine lange Geschichte. Da müsste ich dir mein ganzes Leben erzählen. Dazu habe ich jetzt keine Zeit. Ich will dich auch nicht aufhalten. Ich muss heim. Doch du hast mir noch nicht gesagt, wo du hin willst.«
»Rauf zur Berghütte. Kennst du die Anna und ihre Familie?«
»Sicher! Wer kennt die Anna hier net! Sag bloß, du kennst sie auch?«
»Sie ist die Freundin meiner neuen Freundin aus Frankfurt. Susanne heißt sie, Susanne Hack.«
Alban fing an zu lachen.
»Wie klein die Welt ist! Der Susanne verdanken wir, dass wir hier in Waldkogel mit der Anna jetzt so eine tüchtige und freundliche Hüttenwirtin haben. Sie hat die Anna nämlich hierhergebracht. Dabei wollte die Anna niemals in die Berge.«
»Oh, davon hat Susanne mir nichts erzählt!«
»Dann musst die Anna oder die Susanne fragen. Die Kurzfassung der Geschichte geht so: Hätte die Susanne die Anna damals nicht hergebracht zum Toni, dann gäbe es die Berghütte so bestimmt nimmer. Dann stünde dort jetzt ein hässliches, hypermodernes Hotel!«
»Das klingt nach einem Krimi!«
»Das war auch ein Krimi, was der hinterlistige Ruppert Schwarzer da versucht hatte, abzuziehen. Aber zum Glück ging alles gut!«
»Ich habe Geschenke von der Susanne dabei! Ist es weit bis zur Berghütte?«
»Naa! Jedenfalls net für uns Einheimische! Du fährst dort drüben den Weg hinauf. Des ist der Milchpfad. Am Ende des Weges steht die Oberländer Alm. Von dort aus musst du zu Fuß gehen. Es führt keine Straße hinauf zur Berghütte.«
Er