Hans Hyan-Krimis: Der Rächer, Das Rätsel von Ravensbrok & Mord im Bankhaus Lindström. Hans Hyan

Hans Hyan-Krimis: Der Rächer,  Das Rätsel von Ravensbrok & Mord im Bankhaus Lindström - Hans Hyan


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der Arbeit beschäftigte, die seiner im Büro harrte, erinnerte er sich jetzt doch plötzlich und wie im Fluge in jene Zeit, da er und Trude noch nicht verlobt miteinander waren und er selbst eigentlich nie daran gedacht hatte, die Trude Kaiser zu seiner Frau zu machen.

      Mit einem langen, langen Kuß nahmen sie Abschied voneinander, und sie stand, die Lampe über das Treppengeländer haltend, so lange an ihrem Platz, bis sie unten das Haustor gehen hörte.

      Dann kam es auf dem dunklen Treppenflur plötzlich wie Furcht und Erschrecken über sie, und sie eilte so schnell hinein, daß sie sich ein wenig an der Tür die Schulter stieß ...

      Als Heinz Marquardt die bei der Potsdamer Bahn belegenen Büros der Güterexpedition erreicht hatte, war noch niemand anwesend.

      Um acht Uhr kamen seine Kollegen. Einige grüßten ihn freundlich, die anderen, meist nicht allzu gewissenhafte Arbeiter, gingen mit scheelen Blicken und mokantem Lächeln an ihm vorüber. Er kümmerte sich absolut nicht darum und sagte in genau derselben gleichgültigen Weise »guten Tag«, wie er ihm geboten wurde.

      Punkt neun Uhr trat der Betriebsdirektor ins Büro.

      Herr Weckerlin, der, die breite Brust vordrängend und die Hüften zurückschiebend, auf seinen kleinen und elegant beschuhten Füßen ein wenig knickebeinig einherstolzierte, sagte mit leicht näselnder Stimme:

      »Na, schon tüchtig gearbeitet? ... Hm? ... Liebe das, wenn ich Eifer sehe bei meinen Beamten ... Mir nichts unangenehmer, als wenn man so gewissermaßen mit der Uhr in der Hand arbeitet, hab's mir seinerzeit auch nicht so leicht werden lassen! ... Nur immer flott! Immer flott! ...«

      Mit diesem seinen Lieblingswort berührte er ganz leicht, eigentlich nur symbolisch, die Schultern des jungen Angestellten und verließ das Büro, in dem die Kopie aller Beamten sich tief über ihre Arbeit beugten.

      Aber kaum war er hinaus, so fuhren sie mit einer Wuptizität ohnegleichen in die Höhe, und in das Lachen und Plaudern, das nun wieder begann, mischten sich spitze Redensarten, die Heinz Marquardt galten. Solange sein Name dabei nicht genannt wurde, überhörte Heinz das absichtlich. Als ihn aber jemand gar zu direkt anzapfte mit den Worten:

      »Man sollte solchen Streber überhaupt nicht im Büro dulden!« da richtete er sich mit einem Male kerzengerade empor und sagte, den Sprecher, einen Bürogehilfen namens Maaß, mit seinen großen schwarzen, eng beieinander stehenden Augen anstarrend:

      »Soll das etwa auf mich Bezug haben?«

      Der andere, ein kleiner, schmächtiger Mensch mit rotem Haar und einem Gesicht voller Pockennarben, entgegnete mit impertinentem Achselzucken:

      »Wem die Jacke paßt, der zieht sie sich an!«

      Heinz Marquardt wandte sich an den Bürovorsteher.

      »Herr Hintzefuß, da muß ich mich bei Ihnen über Herrn Maaß beschweren.«

      Max Hintzefuß war ein außerordentlich tüchtiger Arbeiter. Aber auch nur dieser Eigenschaft hatte er es zu danken, daß er noch immer im Dienst war. Als sogenannter Quartalssäufer hatte er zu wiederholten Malen Anlaß zur Unzufriedenheit gegeben, die um so größer war, als gerade sein Posten die höchste Zuverlässigkeit voraussetzte.

      Der Bürovorsteher stand auf, ging zu dem kleinen Schreiber hin und sprach einige Worte mit ihm.

      Der Rothaarige schien erst etwas zu zögern, bequemte sich dann aber, an Heinz Marquardt heranzutreten und sich mit ein paar nichtssagenden Worten zu entschuldigen.

      Und Heinz, dem daran lag, nicht als Störenfried zu gelten, streckte ihm sofort die Hand entgegen zur Versöhnung.

      Diesem kleinen Menschen war er sowieso eine Art von Revanche schuldig. Durch ihn hatte er seine Trude kennengelernt. Es war da nämlich so ein kleiner Beamtenverein, dem er selbst zwar nicht angehörte, zu dessen Festlichkeiten er jedoch durch Maaß mehrfach geladen war. Und einst bei einem Maskenball war der Kollege in Begleitung von Trude Kaiser erschienen, die er offenbar selber anhimmelte. Heinz Marquardt fiel die in diesem Kreise seltene Erscheinung des jungen Mädchens sofort auf. Sie hatte wenig von der spießbürgerlichen Gescheiteltheit der anderen jungen Mädchen, welche dort tanzten. Ein freierer, fast künstlerischer Hauch umwebte ihre schlanke Gestalt, und schon die einfache und nur durch ihren wirklichen Geschmack auffallende Kleidung ließ sie aus dem Kreise der übrigen hervortreten.

      Kaum daß sie ihm vorgestellt war, hatte er ihren Kavalier, eben jenen rothaarigen Bürogehilfen, um die Erlaubnis gebeten, mit ihr tanzen zu dürfen. Dieser hatte mit einer etwas süßsauren Miene seine Einwilligung gegeben, und Heinz Marquardt benutzte die Erlaubnis zu einem einmaligen Tanze ohne weiteres für den ganzen Abend. Als ihn dann Trude bei der Damenwahl holte, legte er sich gar keine Schranken mehr auf und führte sie auch nicht wieder zu ihrem Herrn zurück. Mit diesem hatte er kurz darauf eine sehr energische Aussprache, bei der sich Maaß nur schwer auf sein älteres Anrecht berufen konnte, denn auch er war heute zum ersten Male mit Trude, die die Tochter seiner Logiswirtin war, ausgegangen, und das junge Mädchen, dessen Entscheidung man zum Schluß anrief, weigerte sich entschieden, ihm irgendwelche Ansprüche auf ihre Person einzuräumen.

      Aber das Mädchen hatte seitdem merkwürdigerweise einen entschiedenen Widerwillen gefaßt gegen den jungen Menschen, dessen Begleitung sie damals angenommen und dem sie das Glück ihrer Liebe zu danken hatte.

      An all das mußte Heinz Marquardt denken, als er jetzt, selbst bei der Versöhnung, die Augen des Kollegen voll heimlichen Grolls auf sich gerichtet sah.

      Der Vormittag verging unter drängender Arbeit. Da mit der sogenannten englischen Tischzeit gearbeitet wurde, so frühstückten die Angestellten der Büros für gewöhnlich gegen ein Uhr, falls nicht allzu drängende Beschäftigung zwang, auch diese Pause aufzugeben. Heute war der Hauptstoß des Güterverkehrs bewältigt, und in solchen Fällen gab der unermüdliche Hintzefuß selbst das Zeichen zu einer gemütlichen Erholungspause. Und jetzt, wo der Erste eben gewesen war, verschwand der größte Teil der Beamten, um in dieser oder jener Gastwirtschaft ein Eisbein oder ein Stückchen warmen Braten zu verzehren.

      Heinz Marquardt lockte etwas anderes hinüber in die kleine Restauration. Kaum hatte er sich ein Glas Bier bestellt, so begab er sich auch schon ans Telephon, um fünf Minuten lang mit seiner Liebsten zu schwatzen.

      Das Telephon lag auf dem Korridor, man konnte dort ganz vertraulich plaudern. Und das benutzte dieser lange, schwarzhaarige Mensch mit einer Naivität und Zärtlichkeit, die ihm niemand zugetraut hätte; derselbe Heinz Marquardt, dessen Rücksichtslosigkeit die meisten Frauen empfinden mußten, die ihn geliebt hatten.

      »Bist du da, Liebling?« fragte er, nachdem die Verbindung hergestellt war.

      Und ihre weiche, wie von einem seidenen Schleier umhüllte Stimme erwiderte:

      »Ja, mein Heinz! Wie geht es dir? Hast du viel zu tun?« ... Dann eine kleine Pause mit einem durch das Telephon hörbaren Seufzer. »Ach, wenn es doch erst Abend wäre!«

      Er drückte einen Kuß auf die Membrane und sagte:

      »Liebchen!«

      Und plötzlich fiel es ihm ein:

      »Aber es ist ja heute mein Skatabend! ...«

      Sie ließ einige Augenblicke vergehen, ehe sie antwortete:

      »Mußt du denn dahin gehen?!«

      »Aber Trude! ... Sollen sie mich denn ganz und gar für'n Pantoffelhelden ausschreien ... Du weißt doch, das ist mein einziges Vergnügen! – Und wenn ich gewinne, gehen wir auch nächsten Sonntag ins Apollo!«

      »Dann bin ich also wieder heute den ganzen Abend allein, du alter Bösewicht, du!«

      »Ach, Trude, laß doch, ich komme auch früh nach Hause! – Du bleibst doch so lange auf, ja?!«

      Sie erwiderte nichts, und er setzte rasch hinzu:

      »Und sieh dich ja vor, mein Herz ... und lege auch bestimmt die Sicherheitskette vor! ... Du kannst lieber aufstehen und mir nachher aufmachen!«

      Sie neckte ihn:


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