Hans Hyan-Krimis: Der Rächer, Das Rätsel von Ravensbrok & Mord im Bankhaus Lindström. Hans Hyan

Hans Hyan-Krimis: Der Rächer,  Das Rätsel von Ravensbrok & Mord im Bankhaus Lindström - Hans Hyan


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bin ich böse!«

      Sie hörte durch das Telephon, wie er mit seinem Fuß die dicht an seiner Seite befindliche Tür aufstieß. Gleich darauf sagte er:

      »Die anderen sind schon alle fort, eben geht Maaß ... und ein Gesicht macht der! ... geradezu unheimlich! ... Adieu, mein Herz, leb recht wohl und denk an mich!«

      »Du an mich auch!«

      »Ja, wenn ich nur nicht so viel zu arbeiten hätte! – Adieu, adieu! – Und du, hör' mal! – Trude! – Daß du mir ja nicht die Tür aufläßt, wenn du runter gehst und was einholst! ...«

      Sie schwieg.

      »Du hast es doch nicht etwa schon getan, Trude?«

      »Ach, Heinz, vorhin, nur'n Augenblick, nur'n Augenblick, wie ich Butter holte unten aus'm Buttergeschäft ...«

      »Aber du sollst doch vorsichtig sein, Geliebte! ... Ich sage es dir tausendmal! ... Nicht wahr, du tust es nicht wieder, du machst die Tür zu?! ...«

      »Ja, ja, ich verspreche es dir! ... Also um halb elf, nicht wahr?«

      »Na, schön, adieu, mein Liebling, adieu!«

      »Adieu, Heinz!«

      Dann ging er fort mit einem heißen Gefühl in der Brust und voller Sehnsucht nach seinem Weibe.

      Als er ins Büro kam, waren die übrigen Beamten schon alle anwesend.

      »Wo ist denn Maaß?« fragte Heinz den alten Stegemann, der Bürodiener und am längsten von allen im Dienst war.

      »Hat sich krank gemeldet,« erwiderte der Alte, skeptisch seinen kahlen Kopf schüttelnd, »dabei hat a ausjesehn, als wollt er eenen erschlagen!« ...

      Wenn so viel zu tun war wie heute, verging Heinz Marquardt die Zeit immer wie im Fluge. Ehe er sich's versah, wies der Zeiger der großen Bürouhr auf fünf, und schon standen die meisten der Herren auf, zogen ihre Schreibärmel herunter und begaben sich in die Ecke, wo die Waschtoilette stand, um in einer unglaublich kurzen Zeit mit Stock und Hut noch einmal an ihrem Platz zu erscheinen, die Pulte abzuschließen und in fluchtähnlicher Eile das Büro zu verlassen.

      Die Laternen schimmerten rötlich in der kalten Luft, und am Himmel, der schwarzblau und wolkenlos war, standen mit ihrem glimmenden Leuchten einzelne Sterne.

      In der Flottwellstraße, die vom Lärm der Eisenbahnzüge und dem Gerassel der Wagen erfüllt war, drängten sich heimkehrende Arbeiter, Geschäftsangestellte, die zur Post und mancherlei Besorgung liefen.

      In dem kleinen Lokal in der Steglitzer Straße, wo Marquardt und seine Bekannten an jedem Freitag abend zusammentrafen, war er bei seinem Eintreten der einzige Gast.

      Der Kellner, der ihn gut kannte, behandelte ihn mit der Vertraulichkeit, wie solche Leute sie stets zeigen Gästen gegenüber, die nicht viel verzehren.

      Heinz Marquardt nahm die wohlgemeinten Erkundigungen des Ganymeds mit Humor auf, dann holte er sich eine Zeitung und erwartete bei einem Glase Bier die Bekannten, die bald darauf eintrafen.

      Die Skatpartie verlief wie immer, angeregt und heiter, und die drei anderen Herren waren nur deswegen ungehalten, weil sich der junge Beamte schon vor zehn Uhr, trotz ihrer Einreden und Bitten, er möchte doch noch bleiben, entfernte.

      Noch in der Tür winkte er ihnen ein lachendes Lebewohl zu und ging, ohne sich durch ihre etwas anzüglichen Bemerkungen im mindesten verletzt zu fühlen, durch die fast ausgestorbene Gegend schnell nach der nächsten Haltestelle seiner Elektrischen.

      Von der Ecke, wo er herunterstieg, hatte er noch gut fünf Minuten bis zu seinem Hause. Die rannte er fast.

      Vor dem Tor der sehr ausgedehnten Mietskaserne trieben sich wie gewöhnlich einige Frauenzimmer mit ihren Begleitern umher. Furcht kannte Heinz Marquardt nicht. Und so wollte er, ohne sich im geringsten um diese unheimlichen Gestalten zu kümmern, eben aufschließen, als eine von den Mädchen sagte:

      »'s ist offen ... Lassen Sie bitte auf!«

      Er ging hinein und schloß dessenungeachtet zweimal hinter sich ab.

      Drinnen riß er ein Streichhölzchen an, weil es ihm schon zu wiederholten Malen passiert war, daß er auf Betrunkene getreten hatte, und ging schnell über den Hof in den Seitenflügel hinein und erstieg, immer drei Stufen auf einmal nehmend, die vier Treppen.

      Oben kam er mit dem Öffnen der Tür nicht gleich zurecht. Es hatten sich offenbar ein paar Krümel oder etwas Wolle in der Tasche in die Höhlung des Drückers hineingesetzt, und da er sicher war, daß die Trude noch auf ihn wartete, klingelte er. Aber sie kam nicht.

      »Nun ist sie doch eingeschlafen«, dachte er und bemühte sich, mit einem Streichhölzchen den Schlüssel auszubohren.

      Endlich! Er schloß auf. – Die Sicherheitskette hatte sie doch nicht vorgelegt! ...

      Wie stets ging er in seiner Wohnung, wo er ja genau Bescheid wußte, zuerst in die Küche, um dort ein kleines Lämpchen anzustecken.

      Dabei stolperte er über einen auf dem Boden liegenden Gegenstand und stieß sich, lang hinfallend, das Knie.

      Wie Ameisen in einem Haufen, in den plötzlich der Stock eines Wanderers hineinfährt, stürzten seine Gedanken von allen Seiten zusammen ... Wie kam der umgefallene Stuhl hierher? – Wer hatte ihn umgeworfen? War Trude nicht mehr in der Küche gewesen? Hatte sie's nicht gesehen? ... Das war doch sonst ihre Sache nicht!

      Und plötzlich schrie er laut in die Dunkelheit hinein: »Trude, Trude!«

      Nichts antwortete ihm.

      Durch den düsteren Hof der Mietskaserne, in deren Fenster noch hier und da Licht schimmerte, hallten furchtbare Schreie:

      »Zu Hilfe! Hilfe! Mörder! Mörder! Hilfe ... Hilfähh!«

      Und dann ein krachendes Poltern die Treppe herab und immer wieder das markerschütternde Gebrüll eines Menschen, der mitten ins Leben hineingetroffen ist.

      Die Bewohner, schon im Begriff, zu Bett zu gehen, stürzten aus ihren Wohnungen auf den dunklen Flur, Lampen in der Hand, in Nachtkleidern; aber der, der da so gräßlich schrie, war längst vorbei an ihnen, über den Hof gestürzt, dessen Mauern noch bebten von der Wucht seiner Hilferufe. Und nun riß er an der Haustür, die er selbst vorher verschlossen hatte, und wußte nicht, daß man aufschließen mußte, um hinauszukommen.

      Endlich wurde von draußen geöffnet. Ein Wächter stand vor ihm; er stieß den Mann fast über den Haufen und schrie, vorwärts stürzend:

      »Meine Frau! ... Meine Trude!! ... Um Gottes willen, Hilfe! ... Hilfe ... meine arme Trude! ...«

      Sein Schreien wurde zum Schluchzen, und plötzlich, wie er zwanzig Schritte in die Nacht hineingerannt war, kehrte er wieder zurück nach dem Haustor, wo sich jetzt plötzlich allerlei Menschen sammelten, aus der Nacht herkommend, neugierig und von Grauen geschüttelt beim Anblick dieses vor Verzweiflung heulenden Mannes.

      Eines der Mädchen, die da standen, die ihr trauriges Gewerbe festhielt nachts auf der Straße – eines von diesen armseligen Geschöpfen kam an den in seinem irren Schmerz hin und her laufenden Mann heran und sagte, selber weinend:

      »Was ist denn, Herr Marquardt? ... Ich wohne ja da oben, und ich kenn' se doch auch, Ihre Frau! ...«

      Heinz Marquardt hatte nie acht gegeben, wer in seiner Nähe wohnte; jetzt sah er das Mädchen an, als könne von ihr das Heil kommen, als könne sie ihm helfen, sein Liebstes, das er da oben tot, ermordet gefunden hatte, wieder zu erwecken.

      »Einen Arzt!« stieß er hervor, »einen Arzt!« und rannte davon wie gehetzt, und hinter ihm das Mädchen, rufend:

      »In der Koloniestraße, da wohnt einer, bei den geht meine Wirtin immer!«

      »Wo denn? Wo denn?« ächzte er.

      Nun führte sie ihn, beide im Laufschritt, atemlos, keuchend, er ganz seinem Schmerze hingegeben und sie vor Mitleid mit ihm schluchzend.

      Es


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