Hans Hyan-Krimis: Der Rächer, Das Rätsel von Ravensbrok & Mord im Bankhaus Lindström. Hans Hyan
kamen die Photographen vom Präsidium, um ihre Aufnahmen vorzubereiten. Dann die beiden Kommissare, von denen der eine, namens Bendemann, den Büroschreiber sofort ins Verhör nahm.
»Also Sie sind gestern frühmorgens schon früher als sonst fortgegangen, sagten Sie gestern? Warum taten Sie das?«
Heinz Marquardt, von einer rasenden Ungeduld erfüllt, irgendetwas zu hören oder selbst zu unternehmen, das ihn der Entdeckung des Verbrechens näherbringen könnte, entgegnete unwirsch:
»Weshalb ich früher fortgegangen bin? ... Na, sehr einfach, weil ich zu tun hatte im Büro!«
»Was hatten Sie zu tun?«
Marquardt sah den Beamten an, als zweifle er an dessen Geistesfähigkeiten, dann sagte er, sich gewaltsam beherrschend:
»Ich hatte zu arbeiten, wie jeden anderen Tag auch, nur daß die Arbeit sehr drängte.«
»Gehen Sie häufiger so früh weg?«
Heinz Marquardt schüttelte den Kopf, er wußte nicht, was er aus diesen Fragen machen sollte, dem gab er denn auch ganz offen Ausdruck.
»Weshalb fragen Sie mich denn das? ... Das hat mit der Sache hier nicht das geringste zu tun! Hier handelt es sich doch ganz allein darum, so schnell als möglich auf die Spur dieses verdammten Lumpen zu kommen, der mein armes Weib ermordet hat! Das hat doch nichts damit zu tun, daß ich ins Büro gehe.«
»Beruhigen Sie sich,« sagte der Kommissar, einen raschen Blick mit seinem Kollegen wechselnd, »bei der Beurteilung eines derartigen Falles ist der kleinste Umstand wichtig.«
Und der nun auch hinzutretende Kommissar Hartmuth bestätigte das, indem er wohlwollend sagte:
»Sie müssen nicht etwa glauben, daß wir Sie zu dem Verbrechen in Beziehungen bringen!«
Heinz Marquardt sah ihn mit einem ungewissen Ausdruck im Gesicht an.
»Mich?! ... Mich?! ... Ja, was soll ich denn dabei?« Mit einem Male lachte er wild auf.
»Ach, Sie meinen, ich hätte es getan?! ... Ja, meine Herren, wenn Sie imstande sind, das auch nur einen Moment anzunehmen, dann ist allerdings wenig Aussicht vorhanden, daß Sie den Schuft jemals kriegen werden! ... Dann hat es auch gar keinen Zweck, daß ich Ihnen meine Hilfe anbiete!«
Der Kommissar Hartmuth lächelte skeptisch.
»Ihre Hilfe bieten Sie uns an? Mein Gott, im Grunde genommen, wundert mich das nicht, denn derartige Anerbieten werden uns bei solchen Gelegenheiten sehr oft gemacht, aber ich versichere Ihnen, Herr Marquardt, die Sache hat gar keinen Zweck, ein Laie kriegt in solchen Sachen nie was raus! Ich glaube auch nicht, daß Herr Geheimrat von Rhode darauf eingehen würde. Bis jetzt hat er wenigstens solche Anerbietungen immer kurzerhand zurückgewiesen ... Nein, was Sie in der Sache tun können, das ist einzig und allein, daß Sie mit der größten Präzision die Auskünfte erteilen, die wir von Ihnen brauchen. Sehen Sie mal, das Publikum behauptet immer, wir finden die meisten Mörder nicht. Aber daran ist niemand anders wie das Publikum selber schuld. Teilweise wollen sie uns nicht sagen, was sie wissen, und andernteils sind sie auch nicht imstande dazu, ihre Gedanken im geringsten zusammenzunehmen. Von Ihnen kann man dagegen erwarten, daß Sie dazu imstande sein werden, und nun bitte ich Sie nochmals, uns genau anzugeben, was Sie über die Beziehungen Ihrer Frau, über ihr ganzes Vorleben usw. wissen.«
»Meine Frau«, sagte Heinz Marquardt mit erzwungener Ruhe, »ist die beste und folgsamste Gattin gewesen, überhaupt der liebste Mensch, den es gibt ...«
Er wollte dadurch ähnlichen Erkundigungen, wie sie gestern schon der Geheimrat von Rhode an ihn gerichtet hatte, von vornherein aus dem Wege gehen. Aber das gelang ihm nicht.
Der Kommissar Bendemann nahm jetzt wieder das Wort und sagte, seinen Kollegen ablösend:
»Wir verstehen wohl, daß es einem Ehemann, besonders, wenn es ein anständiger Mensch ist, schwer sein muß, etwas Ungünstiges über seine Frau auszusagen. Aber es sind ganz bestimmte Beobachtungen unsererseits, die uns diese Frage auch heute wieder nahelegen. Regen Sie sich doch bitte nicht so auf!« setzte er hinzu, als er das Wetterleuchten in Heinz Marquardts Gesicht sah, der schon wieder wütend auffahren wollte.
»Wenn wir an den Schauplatz eines derartigen Verbrechens gerufen werden, so haben wir uns jedesmal zuerst die Frage vorzulegen: welcher Art der Mord ist, der hier begangen wurde. Ein Mord kann begangen sein aus Rache, aus Eifersucht, im Affekt, wo er sich dann als Totschlag charakterisiert, aus Wollust und, das ist wohl das häufigste, es kann ein Raubmord sein.«
»Zuerst haben wir natürlich hier auch an einen Raubmord gedacht. Aber dem widerspricht der Befund der Leiche. Es wäre ja freilich denkbar, daß der Mörder sich in einer Zeit, wo die Tote sich nicht in der Wohnung aufgehalten hat, hier eingeschlichen hätte und dann plötzlich aus dem Hinterhalt sein Verbrechen begangen hätte. Aber hierfür fehlen uns alle Anhaltspunkte ... Oder wissen Sie etwas darüber, daß Ihre Frau die Wohnung eine Zeitlang unbeaufsichtigt gelassen?«
»Ja, jawohl,« fiel ihm Heinz Marquardt rasch ins Wort, »das hat sie gestern nachmittag!«
Die beiden Kommissare sahen sich abermals bedeutungsvoll an, dann sagte Hartmuth in weit kühlerem Tone:
»Woher wissen Sie denn das so genau?«
Marquardt schüttelte unwillkürlich den Kopf, als wollte er damit den lächerlichen Verdacht, der schon wieder in den Beamten aufzutauchen schien, ein für allemal beseitigen.
»Ach, ich habe doch gestern mittag noch mit ihr gesprochen! Ich sagte ihr noch extra, sie solle die Kette vorlegen und da ...« Das Schluchzen brach plötzlich wieder wie ein Strom aus seiner Brust hervor, daß er eine ganze Zeitlang nicht sprechen konnte.
Die Kommissare sahen ein bißchen ungeduldig drein, schwiegen aber, durch diesen elementaren Ausbruch schmerzlichen Gefühls mehr als durch jedes Wort abgebracht von ihrem ersten Verdachte.
Endlich sagte Heinz Marquardt, noch immer von Schluchzen unterbrochen:
»Da habe ich sie gefragt, ob sie auch nicht etwa die Tür aufgelassen hätte, weil sie das öfter tat, und da sagte sie ja, sie hätte es getan, aber 'n Augenblick ...«
»Das ändert allerdings die Sachlage«, meinte Bendemann und besann sich eine Weile.
»Aber trotzdem, es fehlt absolut nichts in der Wohnung ... Mit Ausnahme des Portemonnaies, und da sagen Sie selbst, daß nur wenige Mark drin gewesen sein können.«
»Ja,« meinte Heinz Marquardt, »aber ich weiß bestimmt, daß meine Frau einige kleine Ersparnisse hatte, mit denen sie bei Gelegenheit unser Meublement vervollständigen wollte. Wo sie das Geld hingetan hat, das weiß ich auch nicht, aber da war's; sie hat's mir neulich noch erst gezeigt ... es lag in solchem Pappkasten von Zigaretten ...«
»Na, wieviel war's denn?« fragte der Kommissar Hartmuth.
»Ganz genau sagen kann ich es nicht, aber es war ein Zwanzigmarkschein dabei, das weiß ich.«
Hartmuth schüttelte immer wieder den Kopf.
»Ich kann nicht sagen, was mir den Anlaß dazu gibt, aber ich habe solch Gefühl, als spielte das Geld jedenfalls nicht die Hauptrolle bei der Tat.«
»Sie kommen also schon wieder darauf«, sagte Heinz Marquardt wütend.
»Ich bedaure,« sagte der Kommissar kalt, »ich bin Beamter und muß als solcher meine Pflicht tun. Persönliche Rücksichten können mich dabei nur insoweit beeinflussen, als ich freien Blick behalte für das, was mir Tatsache zu sein scheint.«
Er nahm ziemlich rücksichtslos den Kollegen beiseite, flüsterte mit diesem eine Weile und sagte dann, wieder zu Heinz Marquardt hintretend:
»Ich mache Sie darauf aufmerksam, Herr Marquardt, daß Sie alles das, was Sie hier sagen, später zu beschwören haben werden. Und die Eidesformel lautet außerdem noch »daß ich nichts hinzusetzen und nichts verschweigen werde!« Sie werden also einsehen, daß Sie gesetzlich gezwungen sind, alles, aber auch alles zu sagen, was Sie wissen. Und darum frage ich Sie