Hans Hyan-Krimis: Der Rächer, Das Rätsel von Ravensbrok & Mord im Bankhaus Lindström. Hans Hyan
unerlaubten Beziehungen gestanden hätte?«
Heinz Marquardt biß die Zähne aufeinander.
»Nein,« stieß er hervor, »nein, ich weiß nichts, meine arme Trude war mir treu! Sie war das beste, das geliebteste Wesen unter der Sonne! Und nun lassen Sie mich in Frieden! Quälen Sie mich nicht so furchtbar!«
Er wandte sich ab und verhüllte von neuem sein Gesicht.
»Der arme Kerl tut mir leid,« sagte der Kommissar Hartmuth leise zu seinem Kollegen, »und doch bin ich fest überzeugt davon,« er dämpfte seine Stimme noch mehr zum Flüstern, »ich bin fest überzeugt, daß bei der Sache irgendetwas nicht in Ordnung ist. Sieh mal, Bendemann, so sieht 'n Raubmord nicht aus! Der Mensch, der jemand tötet, um ihn zu berauben, bedient sich zunächst nicht des Dolches. Es ist nicht so leicht, jemand mit einem Dolchstich zu töten ... 'n Schlächtermesser, ein Beil, ein Hammer, das alles laß ich gelten, aber ein Dolch? ... Nein! ... Und dann, nachdem der Raubmörder seine Tat vollbracht hat, da läßt er keinen Korb, keine Kommode, keinen Schrank undurchsucht! Er schmeißt die Kleider, die Sachen, die Wäsche, alles schmeißt er auf 'n Boden und hat natürlich gar keine Zeit, wieder was einzupacken. Hier war alles so ordentlich, als hätte überhaupt kein fremder Fuß die Wohnung inzwischen betreten.« Und mit einer leichten Bewegung des Kopfes nach Heinz Marquardt, der am Fenster stand und in den grauenden Morgen hinausstarrte, setzte er hinzu: »Versuche du doch noch mal, ob du nicht irgendeine Form findest, um etwas aus dem Manne herauszuholen. Der arme Kerl kann einem ja leid tun, aber es hilft doch alles nichts, wir sollen und wollen den Mörder haben.«
Darauf ging Bendemann noch mal an den Büroschreiber heran, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte freundlich:
»Sind Sie denn schon lange verheiratet, Herr Marquardt?«
Sich umschauend und den Beamten anblickend, so fremd, als hätte er ihn nie vorher gesehen, meinte Heinz:
»Ja, 'n halbes Jahr ...«
»Wo haben Sie denn Ihre Frau kennengelernt?« fragte der andere ganz harmlos.
Heinz Marquardt wurde auf einmal dunkelrot.
Der Kommissar begriff sofort und meinte mit gespannter Miene:
»Meine Frage scheint Ihnen nicht angenehm zu sein?«
Heinz Marquardt zuckte die Achseln.
»Was heißt: nicht angenehm? ... Ich habe Trude auf 'n Ball kennengelernt, sie war da mit 'm Kollegen von mir aus meinem Büro.«
»Ach, und dem haben Sie sie weggeschnappt?« Bendemann lachte.
Peinlich berührt meinte Heinz Marquardt:
»Weggeschnappt? Wie Sie wollen ... Der betreffende Kollege wohnte damals gerade bei Trudes Mutter, die inzwischen verstorben ist, und da ging Trude eines schönen Tages mit ihm auf 'n Ball, wo ich auch war ... irgend'n Verhältnis hat zwischen den beiden niemals bestanden ...«
»Wenigstens wissen Sie nichts davon«, warf der Kommissar ein.
»Nein,« meinte Heinz Marquardt, sich wieder ereifernd, »es hat keins bestanden! Denn wenn eins bestanden hätte, dann hätte es mir Trude gesagt! Die verschwieg mir nichts. Von der wußte ich alles!«
Der Kommissar erwiderte darauf nichts, er fragte nur: »Wie hieß denn der Mann?«
»Maaß«, antwortete Marquardt zögernd. Er sah deutlich, daß er jetzt seinem Kollegen Unannehmlichkeiten bereitete.
»Und ist er noch bei Ihnen im Büro?«
»Ja.«
»Wissen Sie auch zufällig, ob er gestern während der Zeit, wo ... wo das Verbrechen etwa passiert ist, wo sich der Herr Maaß da aufgehalten hat?«
Heinz Marquardt schwieg.
»Also er war nicht im Büro?« fragte Bendemann lauernd.
»Nein«, erwiderte Heinz, der das Wort mühsam herausbrachte.
Der Kommissar wandte sich um nach seinem Kollegen, als wollte er fragen:
»Hast du gehört, Hartmuth?«
Der andere Beamte, der am Tische stand und aufmerksam lauschte, nickte mit dem Kopf. Statt seines Kollegen nahm er jetzt das Wort.
»Haben Sie denn ein besonderes Interesse an diesem Maaß, Herr Marquardt?«
»Das nicht,« sagte Heinz, »aber ... der arme Kerl ist heute noch traurig darüber, daß er damals den kürzeren gezogen hat, ich möchte ihm nun nicht obendrein noch Unannehmlichkeiten machen.«
Kommissar Hartmuth lächelte ironisch.
»Das werden nicht die schlimmsten Unannehmlichkeiten sein ... War er gestern den ganzen Tag nicht im Büro?«
»Nein, vormittags war er da ... Erst nach dem Frühstück, was wir für gewöhnlich so um eins, halb zwei halten, wir gehen da manchmal runter und trinken 'ne kleine Weiße, und ich habe dann oft in der Budike an meine arme Trude telephoniert ... wie wir wieder oben kamen gestern, war er nicht da. Er hatte sich entschuldigt, sagten die anderen, er wäre krank.«
»Und ist auch nachmittags nicht wiedergekommen?« fragte Bendemann.
Heinz Marquardt schüttelte den Kopf.
»Na, den werden wir uns vor allen Dingen mal langen«, meinte Bendemann. »Du könntest mal gleich runterfahren, Hartmuth. Nimm dir aber für alle Fälle noch jemand mit.«
Kommissar Hartmuth winkte mit der Hand und wollte eben das Zimmer verlassen, als es klingelte. Gleich darauf betrat der Geheimrat von Rohde das Zimmer.
»Jetzt können Sie gleich Ihren Wunsch vorbringen«, sagte Bendemann leise zu Marquardt, und dieser besann sich auch nicht einen Augenblick.
Mit einer Verbeugung gegen den Geheimrat brachte er sein Anliegen vor.
Der Geheimrat betrachtete ihn eine Weile durch seine scharfen Brillengläser, über die die borstigen Augenbrauen noch etwas hinauswuchsen, dann sagte er:
»Das macht Ihrem Herzen alle Ehre, junger Mann, was Sie da wollen. Aber es jeht nich! Jeht absolut nich! ... Würde den janzen Betrieb erschüttern ... Nee, wahrhaftig, können wir nich machen! ... Wir haben Vigilanten, das sind ehemalige Verbrecher, die können uns hin und wieder was verraten, und dann bezahlen wir se, und wenn's mal im Reichstag zur Sprache kommt, dann schimpft die sojenannte Linke schon so wie so darüber ... Nu noch 'n anderes Laienelement reinbringen, nee, junger Mann, 's jeht wirklich nich ... Is ja sehr nett von Ihnen, aber das müssen Sie nun schon uns überlassen ...«
Heinz Marquardt erwiderte kein Wort. Er ging wieder zurück ans Fenster, sah hinaus, hinüber zur anderen Seite, wo neben dem Giebel des Seitenflügels die Felder sich hinbreiteten, die im grauen Nebeldunst verschwammen, dann wandte er sich an den Kriminalkommissar und fragte diesen mit einer gleichgültigen tonlosen Stimme, ob er jetzt gehen könne.
»Ja, vorläufig werde ich Sie wohl nicht brauchen,« meinte Bendemann, »aber später müssen Sie wieder hier sein.«
Heinz Marquardt nickte, setzte seinen Hut auf und verließ das Zimmer.
3
Alfred Maaß lag nach einer durchzechten Nacht noch im Bett, als seine Wirtin anklopfte und ihm zurief, draußen wären zwei Herren, die ihn zu sprechen wünschten. »Gleich,« sagte er übellaunig, »ich komme gleich!«
Dann erhob er sich mit schweren Gliedern und wüstem Schädel und dachte mit trostlosen Empfindungen an die gestrige Nacht und an das Geld, das ihn seine Kneiperei gekostet hatte.
Er war absolut nicht imstande gewesen, gestern nachmittag wieder ins Bureau zu gehen. Das Renkontre mit Marquardt hatte ihn zu sehr verstimmt. Er haßte diesen Menschen. Und obwohl seine Vernunft ihm riet, diesen im Grunde doch törichten Groll fahren