DAS VERGESSENE TAL. William Meikle
und eisern an seiner Entscheidung festgehalten.
Ab morgen werden wir also allein voranschreiten.
Doch seine Weigerung wird uns nicht aufhalten, denn der Indianer hat uns mit detaillierten Instruktionen ausgestattet und außerdem eine einfache Karte für uns angefertigt, die uns direkt zu unserer Bestimmung bringen wird.
Ich schreibe dies, während ich vor dem Eingang unseres größten Zeltes sitze, in dem wir uns heute Nacht zur Ruhe betten werden; eng aneinandergepresst, um keine Wärme zu vergeuden. Drinnen ist Williamson bereits dem Schlaf anheimgefallen. Der Schnaps zeigt auch bei den übrigen Männern schon Wirkung, daher werden sie bestimmt bald ebenfalls einschlummern. Ich hingegen möchte noch ein wenig wach bleiben und den Sternenhimmel genießen.
Zum ersten Mal seit Monaten, seit wir den Plan zu dieser Mission ausgeheckt haben, erfüllt mich Zuversicht. Denn hier oben herrscht eine Ruhe, die meine Seele rührt. Falls das Gold wirklich existiert und ich einen Anteil daran für mich gewinnen kann, werde ich mich wahrscheinlich für den Rest meiner Tage in eine Gegend wie diese zurückziehen. Schon heute träume ich von der herrlichen Einsamkeit im majestätischen Glanz der Berge.
So kurz vor unserem Ziel erscheint mir dieser Traum plötzlich greifbar nahe.
Zweifelsfrei sind wir nicht die Ersten, die alle Hoffnungen auf einen Schatz setzen, der im Gestein verborgen sein könnte, oder auch nicht, und wir werden sicherlich auch nicht die Letzten sein. Aber, Gott sei mein Zeuge, unsere Bemühungen werden von einem Triumph gekrönt sein, denn meine Seele verlangt danach.
Danny
Danny konnte die Siegesgewissheit in Nobles Augen erkennen, wann immer dieser über das Gold sprach. Er nahm aber auch die Blicke, die sich die anderen drei währenddessen zuwarfen, wahr. Die beiden anderen Männer und die Frau blieben offenbar gern unter sich und Danny wusste gut genug, wie sich Angst äußert, um das nervöse Flackern in Eriks Augen interpretieren zu können. Natürlich waren sie hinter dem Gold her … Narrengold, wenn man Gus Glauben schenken durfte. Mit Sicherheit beschäftigte sie darüber hinaus aber noch etwas anderes. Was es war, würde Danny heute Nacht allerdings nicht herausfinden können.
Nach dem Zähneputzen und einer Katzenwäsche mit eisigem Wasser aus der Regentonne legten sich alle ohne größeres Gerede auf die Pritschen. Sie schliefen komplett angezogen, obwohl es in der Hütte ziemlich warm war, nachdem der Ofen mehrere Stunden lang geheizt hatte.
Am Morgen war die Wärme allerdings verflogen und es gehörte zu Dannys Aufgaben, etwas dagegen zu unternehmen. Leise fachte er also den Ofen wieder an, bevor er nach draußen stapfte und sich, vor der Kulisse der Rockies, über den Rand der Veranda erleichterte. Dabei beobachtete ihn ein neugieriges Eichhörnchen.
Als die Städter endlich aufwachten und vor Schmerz jammerten, hatte Danny bereits den ersten Kaffee des Tages aufgebrüht. Die kurze Spanne zwischen dem Frühstück und den Vorbereitungen für die Weiterreise bot kaum Gelegenheit für ausschweifende Konversationen. Er half Jess stattdessen draußen bei der Einstellung der Schulterriemen ihres Rucksacks, der deutliche Spuren früherer Trips zeigte.
»Du hast so etwas offenbar schon öfter gemacht«, stellte er fest. »Denn du hast bequeme Klamotten an.«
»Damit komme ich aber auch nicht schneller vorwärts. Ich habe tatsächlich schon einige Bergtouren hinter mir, so hoch hinaus, wie es heute geht, bin ich allerdings auch noch nie gewesen. Ich war hauptsächlich an der Westküste wandern und zelten, in der Gegend, wo ich geboren wurde, bei New Brunswick. Im Herzen bin und bleibe ich wohl ein Landmädel.«
»Man merkt es.« Die Worte waren Dannys Lippen kaum entschlüpft, da wurde ihm klar, dass sie das durchaus missverstehen könnte. »Ich wollte nicht … ich meine …«
Sie lachte. »Ich weiß, dass du das nicht wolltest. Kannst du mir einen Gefallen tun und heute bitte besonders auf Mike und Erik aufpassen? Noble hängt ständig im Fitnessstudio rum, er ist in guter Form und sein schierer Wille treibt ihn schon von ganz allein an. Ich schätze aber mal, dass die anderen beiden keinen Schimmer haben, was ihnen heute blüht. Sie könnten uns also Stress machen.«
»Ich werde mich um sie kümmern und sie schon in der Spur halten, und Gus wird dort oben ganz bestimmt keinen leichtsinnigen Unfug zulassen.«
Endlich war sie da, die Chance auf eine längere Unterhaltung mit Jess, bei der Danny vielleicht herausfinden konnte, was die Stadtmenschen so sehr bedrückte.
Doch da rief Gus plötzlich nach ihm, und der Moment war verflogen. »Beweg deinen Arsch hier rüber, unsere Zeit ist kostbar. Ich möchte oben sein, bevor es heute Abend zu dämmern anfängt.«
»Ich beweg meinen Arsch ja schon, Chef«, entgegnete Danny lautstark, womit er sich ein weiteres Lächeln von Jess einheimste, bevor er sich umdrehte.
Fünf Minuten später waren sie bereits unterwegs.
***
Gus marschierte an der Spitze, Noble und Jess unmittelbar dahinter. Dann kamen Mike und Erik, denen eine lebhafte Diskussion über den letzten Star-Wars-Film Ablenkung von ihren Blasen verschaffte. Danny bildete das Schlusslicht.
Nach nur zehn Minuten wusste er, dass es ein zäher Tag werden würde, denn Gus, Jess und Noble hatten bereits vierzig Meter Vorsprung und Erik beschwerte sie in einer Tour über die harte Steigung, die Fliegen, die Kälte und was ihm sonst noch einfiel. Danny wünschte sich insgeheim, der Kerl würde in einen Haufen Elchmist treten, damit er wirklich etwas hätte, wofür sich seine Meckerei lohnen würde.
»Kommt schon, Kumpels«, trieb Danny die beiden unentwegt an. »Gus ist absolut verrückt nach Kaffee. So wie ich ihn kenne, werden wir bestimmt bald die erste Pause einlegen.«
Das war eine glatte Lüge, denn Gus konnte ohne Probleme einen halben Tag lang ohne Unterbrechung wandern … wenn es sein musste, sogar einen ganzen.
Doch davon haben sie keinen Schimmer.
In der nächsten Viertelstunde wuchs die Distanz zu dem Trio weiter vorn stetig an und Danny verlor die drei bereits komplett aus der Sicht, wenn sie um Ecken oder Felsvorsprünge bogen. Bedenken plagten ihn deswegen allerdings keine, denn der Pfad war zwar schmal aber leicht erkennbar und – zumindest bis jetzt – ohne gefährliche Stellen, an denen man abstürzen konnte.
Die kommen erst später.
Das sollte er aber wohl besser nicht laut sagen, denn er ahnte bereits jetzt, dass auf die beiden Männer vor ihm schwere Prüfungen zukommen würden, wenn sie erst einmal in das richtige Gebirge kamen, und damit hinein in raueres Wetter und klirrende Kälte. Hoffentlich litt keiner der Typen unter Höhenangst, denn wenn dem so war, würden sie garantiert niemals im Tal eintreffen.
Als Erik mal wieder über die Blase an seinem Zeh maulte, schaltete Danny seine Ohren einfach auf Durchzug.
Nun, da sie sich ein gutes Stück jenseits der Baumgrenze bewegten, hatten sie endlich freie Sicht nach Norden, zu den blauen Felstürmen mit den weißen Spitzen, die sich vor einem grauen Himmel abzeichneten, an dem dicke Wolken die Sonne verdeckten. Den Hang im Nordosten, den sie erklimmen würden, berührten grundsätzlich nur selten Sonnenstrahlen, selbst im Hochsommer. Von den Höhenzügen blies ein frostiger Wind herab, ein Vorbote, von dem, was ihnen dort drohte. Hinter ihnen reichte die Wildnis fast so weit, wie man sehen konnte. Lediglich eine Eisenbahnlinie, auf der regelmäßig Güterzüge durch einen Bergpass ratterten, zeugte von menschlicher Zivilisation.
Gefühlt lag Jasper hundert Meilen weit entfernt, und für Danny war das vollkommen in Ordnung. Sein Sommer war bisher eher mies verlaufen, denn er hatte kaum vernünftige Jobs an Land ziehen können. Ein paar Wochenenden hatte er in einer Bar an der Theke geschuftet, ansonsten hatte es nur einige Tage als Aushilfe bei der Müllabfuhr und als Hilfspolizist für Verkehrskontrollen gegeben. Jede Arbeit war gefühlt schlechter als die andere bezahlt worden und alle waren zum Schreien stumpfsinnig gewesen. In der freien Natur hingegen fiel der ganze Ärger jetzt langsam von ihm ab. Als er das letzte Mal