Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
hatten mittlerweile das Office erreicht.
Der Sheriff nahm sich der beiden Gefangenen an und beförderte sie sofort hinter Schloß und Riegel.
Als er ins Office zurückkam, saß der Marshal am Tisch und hatte die Jacke ausgezogen.
Sein weißes Hemd war oben links am Arm blutbefleckt.
»Verdammter Kram«, knurrte der Riese, kam auf ihn zu und half ihm beim Öffnen des Hemdes. »Kaum hatte ich hier den Laden aufgemacht, da kamen sie auch schon angerannt. Aus allen Himmelsrichtungen. Dem einen waren Kühe gestohlen worden und dem anderen Gäule. Ich ritt zunächst zu Callhauns Farm hinauf und dann zu Scott hinüber.«
»Scott?«
Wyatt schloß für einen Moment die Augen.
Er erinnerte sich plötzlich daran, daß der junge Clay Scott, ein wüster Revolverschwinger übrigens, mit den Flanagans befreundet war.
»Ja, und was war mit ihnen?«
»Was soll gewesen sein, sie hatten mich zur Ranch bestellt, weil man ihnen angeblich Vieh gestohlen hatte. Der Ochse war aber wahrscheinlich ich. Sie schlossen das Tor hinter mir ab. Ich habe mich trotzdem beeilt, schnell in die Stadt zurückzukommen, aber es war zu spät. Die Hunde hier waren schon verschwunden. Wo haben Sie Shibell gefunden?«
»Auf Huckleys Pferdewechselstation.«
»So weit war die Bande schon?«
»Ja, und Huckley ist tot.«
»Der Stationshalter?« fragte der Riese verstört.
»Ja, er war tot. Shibell hat mich im Stationsgebäude angefallen. Er muß hinter der Tür auf mich gewartet haben. Und er schlug mich mit dem Revolver nieder, als ich eintrat. Ich taumelte zurück, konnte ihn aber vom Boden aus noch mit einem schnellen Schuß stoppen. Dann fand ich den Alten hinterm Haus. Er war tot.«
»Dafür wird Shibell hängen!«
Wyatt zog die Schultern hoch.
Da stützte sich der Riese mit seinen gewaltigen Armen vor ihm auf die Tischkante.
»Meinen Sie etwa, daß er ihn nicht umgebracht hat?«
»Ich weiß es nicht«, entgegnete der Marshal. »Wo sind die beiden Flanagans?«
Der Texaner richtete sich auf: »Das möchte ich auch wissen!« Er zog eine schon angerauchte Strohhalmzigarre aus der Tasche und zündete sie wieder an.
»Bah, schmeckt das Zeug biestig.«
Er warf sie in den immer mit Wasser gefüllten bereitstehenden Brandeimer.
Wyatt nahm seine Zigarrentasche mit der Rechten aus der Jacke und reichte dem Riesen eine neue Zigarre.
»He, das habe ich gar nicht verdient«, wehrte der Tex ab, »Sie haben hier die Bande eingelocht, und ich lasse sie davonfliegen.«
Wyatt schüttelte den Kopf. »Sie können nichts dafür, Luke.«
»Ich weiß nicht, ich bin ein Idiot, wie kann ich die Kerle entkommen lassen? Sie jagen Kolby nach und haben ihn ganz bestimmt gestellt, und auf dem Rückritt müssen Sie die Halunken einsammeln, die mir davongekrochen sind.«
Ein stechender Schmerz zog durch den Oberarm des Marshals. Er verzog nur für den Bruchteil einer Sekunde das Gesicht.
»Ach – machen Sie sich doch keine Gedanken, Luke. Sie können doch wirklich nichts dafür. Wir wollen froh sein, daß sonst nichts passiert ist. Wenn Sie nicht gewesen wären, hätte sich hier eine Menge tun können.«
»Mir reicht’s. Es hat sich gerade genug getan«, knurrte der Riese und ließ sich auf einen Hocker nieder.
*
Doc Holliday war in den Crystal Palace zurückgegangen.
Er trat an den Tisch der Spielerin, nahm den Hut ab und erklärte: »Ich muß noch ins Office, nach dem Marshal sehen.«
Die Frau saß wie versteinert auf ihrem Platz. Sie hatte den Kampf mit angesehen.
Und obgleich sie schon manche Schießerei im Westen erlebt hatte, hatte sie dieser furiose Gunfight, den sie da beobachtet hatte, schmerzlich an den Augenblick erinnert, an dem sie selbst hier vorm Eingang des Crystal Palace von Kolby niedergeschossen worden war.
»Ist er schwer verwundet?« fragte sie.
»Nein, nein, ich komme gleich zurück.«
Sie nickte.
*
Als Doc Holliday ins Office kam, war der Texaner gerade damit beschäftigt, eine Whiskyflasche aus dem Schrank zu holen und dem Marshal ein Glas zu füllen.
Wyatt hatte die Hand schon um das Glas gespannt, als Holliday eintrat.
Der Marshal hatte also einen Schluck trinken wollen.
Dann war es also doch schlimmer, als der Georgier angenommen hatte.
»Kommen Sie, lassen Sie mich gleich nachsehen.« Er untersuchte die Wunde.
Glücklicherweise war es auch ein Durchschuß. Aber die Fleischwunde schmerzte offensichtlich sehr.
Holliday hatte seine schwarze krokodillederne Instrumententasche mitgebracht, die er auf all seinen Ritten durch den Westen stets mit sich führte.
Er reinigte die Wunde sorgfältig und legte einen sauberen Verband an.
Wyatt saß mit hartem Gesicht auf der Tischkante und blickte vor sich hin.
Er mußte an die Worte denken, die der Georgier heute mittag im Anblick der Turmpyramide gesagt hatte.
Es war wirklich ein höllisches Leben, das sie hier lebten.
Er hob den Kopf und blickte den Spieler an.
»Fertig?«
»Ja.«
Er zog seine Jacke an.
»Jetzt weiß ich wenigstens, warum ich einen Doktor mit mir durch den Westen schleppe. Die Rechnungen, die ich für Wundbehandlungen und Kugelzüge, Verbände und Pflaster zu zahlen hätte, gingen ins Astronomische. Am besten lasse ich Ihnen in Dodge gleich drei meiner Monatsgehälter überweisen.«
Holliday nickte. Er stand jetzt auf seinem gewohnten Platz, zwischen Tür und Fenster an die Wand gelehnt, den linken Fuß angezogen und die linke Hand unter dem rechten Ellbogen. In der Rechten hielt er eine Zigarette.
»Jetzt weiß ich wenigstens, aus welchem Grund ich durch den Westen reite«, kam es ironisch von seinen Lippen. »Man muß eben eine Lebensaufgabe haben. Das scheint meine zu sein.«
Da wurde die Tür aufgestoßen, und zur Verwunderung der drei Männer trat Nellie Cashman ein. Sie hatte den Messinggriff noch in der Hand, während ihre Augen den Marshal suchten.
»Mr. Earp!« entfuhr es ihr tonlos, »ist Ihnen etwas passiert? O Gott, Sie sind verwundet.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Weil Sie den Jackenärmel über der Schulter hängen haben, weil Sie die Jacke nicht angezogen haben. Was ist passiert? Ich habe nichts gehört. Ich stand gerade mit Sam vor der Tür. Er hat nur gesehen, daß Doc Holliday seine Tasche geholt hat.«
Der Marshal winkte ab. »Nicht so schlimm, Miß Nellie.«
Sie sah den Georgier an.
Der zog die Schultern hoch und senkte den Blick.
Luke Short stand am Gewehrständer, stieß eine Winchester in die Halterungen und knurrte: »Nicht so schlimm. Nein, bei ihm ist überhaupt nichts schlimm. Er scheint aus Eisen zu sein…«
Plötzlich sah Holliday den Lichtschein aus Virgils alter Schlafkammer ins Office fallen.
»Ist da jemand drin?« fragte er.
»Ach, du lieber Gott, das habe ich ganz