Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
einzelne Galgenmann zählte nichts, er war weniger als ein Bauer auf dem Schachbrett.
Aber auch Halbot war nicht viel mehr als nur ein Läufer…
Wyatt stand im Hof, sah das offene Tor zur Parallelgasse, und als er drüben das Gatter eines Corrals entdeckte, wußte er, daß der Galgenmann ein Pferd hatte und entkommen war.
Es stand für Wyatt fest, daß die Verbrecher ihre Pferde nicht unbewacht zurückgelassen hatten. Also mußte noch ein Mann irgendwo mit den Tieren stehen.
Als er ins Bankhaus zurückkam, sah er schon gegen die Fenster im Schalterraum die Silhouette des Spielers.
»Die Pferde müssen noch irgendwo mit einem Wächter sein, Doc.«
»Schon erledigt!« entgegnete der Spieler.
Ferry Pligger, Jim Huston und Felix Jonas saßen im Jail von Cazador.
Wieder waren drei Galgenmänner hinter Schloß und Riegel.
Die beiden Dodger hielten auf der Straßenmitte und sahen sich nach einem Boardinghouse um.
Da trat oben der Sheriff in die Tür seines Bureaus.
»Suchen Sie ein Quartier, Marshal?«
»Ja.«
»Da kann ich Ihnen Baxters Boardinghouse empfehlen. Es ist zwei Häuser weiter, und die Frau hat sehr saubere und preiswerte Zimmer.«
Nachdem Doc Holliday sich niedergelegt hatte, stand der Marshal in seinem Zimmer am Fenster und blickte auf die dunkle Straße hinaus.
Wieder waren drei Galgenmänner hinter Gitter gebracht worden. Aber, es war wie ein Jagen nach Wolken, überall tauchten die Galgenmänner auf, und ihre Zahl schien bereits riesengroß zu sein.
Der rote Halbot war nicht unter den gestellten Banditen gewesen, er war mit der Beute entkommen.
Der Marshal mußte ihm folgen. Das bedeutete weiteren Aufschub für seinen Ritt zum San Pedro Valley.
In der Frühe des nächsten Morgens verließen die beiden Reiter die Stadt. Doc Holliday saß mit bleichem, ernstem Gesicht im Sattel und blickte düster vor sich hin.
Sicher hatte er Schmerzen.
Wyatt hatte während der Nachtstunden, die er schlaflos auf seinem Lager vebracht hatte, überlegt, wohin sich Halbot gewendet haben könnte. Zurück nach Bisbee konnte er nicht, denn jetzt wußte er ja, daß er verfolgt wurde. Er hatte die Festnahme Hiltons in Bisbee beobachtet, war aus der Stadt geflüchtet und hierher nach Cazador gekommen. Wenn er auch nicht mit Sicherheit wußte, daß es Wyatt Earp war, der ihn bei dem Bankraub gestört hatte, so konnte er es sich doch ausrechnen. Wyatt hatte in der Nacht die Lampe angezündet und stundenlang die Karte geprüft. Hinüber nach Bisbee konnte er nicht, hinauf nach McNeal würde er höchstwahrscheinlich auch nicht geritten sein, denn gerade in dieser Stadt trug seit einigen Jahren ein Mann den Sheriffstern, dessen Nähe die Banditen sicher nicht freiwillig suchten: Edward Masterson, der Bruder des bekannten William Bat Masterson.
Hinüber nach Osten zu reiten, nach Bernardino, war ebenfalls nicht naheliegend, da das Gelände zu übersichtlich war. Die Straße hinauf nach Chiricahua war stark befahren, weil sie den geraden Weg nach Apache und zur Grenze von New Mexico darstellte.
Also blieb nur der Süden. Und im Süden lag in zwölf Meilen Entfernung die mexikanische Grenze. Aber es war zu einfach, dorthin zu fliehen, wohin sich jeder wenden würde.
Der Marshal schätzte den rothaarigen Ranchermörder Jake Halbot nicht dumm genug ein, diesen Weg zu wählen.
Dieser Galgenmann würde nach Osten fliehen.
Deshalb hatte sich der Marshal nach Osten gewandt.
Sie erreichten die alte Missionssiedlung Bernardino am Vormittag.
Wyatt suchte vergeblich nach einem Sheriffs-Bureau – so etwas gab es hier gar nicht.
Er sprach mit einigen Leuten, stieß aber überall auf scheue Gesichter und verstocktes Kopfschütteln.
Niemand wollte Auskunft über einen Mann geben, der verfolgt wurde.
Der Marshal blickte die Straße hinunter.
Sollten sie weiterreiten?
Das war natürlich ein großes Risiko, denn bis hierher nach Bernardino konnten sie einen Mann auf gut Glück folgen. Aber weiter hinauf – die Straße nach Chiricahua oder gar Apache – das war schon ein Risiko.
Doc Holliday hatte sich eine Zigarette angezündet und schnipste das Streichholz auf die Straße.
Der Marshal stützte sich mit beiden Händen auf das Sattelhorn und überlegte.
Rechts auf einer Vorbaukante hatte ein kleiner Junge gesessen, der trotz des schon kühlen Spätnovembertages noch barfuß war. Der etwa elfjährige Bengel hatte den Marshal eine ganze Weile fixiert. Plötzlich blitzte es in seinen Augen auf, er sprang hoch, warf beide Arme in die Höhe und rief:
»Wyatt Earp! Sie sind Wyatt Earp!« Dann wandte er sich um und brüllte die Straße hinunter: »Wyatt Earp ist in der Stadt!«
Der Marshal wechselte einen kurzen Blick mit dem Georgier, und als der Junge sich umwandte, sah er zu seinem Schrecken, daß der Marshal und sein Begleiter die Pferde wieder gewendet hatten, um davonzureiten.
Da lief der barfüßige Boy den beiden nach und streckte dem Marshal seine erdbraune kleine Hand entgegen.
»Marshal! Ich habe gehört, daß Sie Mr. Lupcin etwas gefragt haben. Und Mr. José und Mr. Fontana! Sie haben Ihnen keine Auskunft gegeben, weil sie annahmen, daß Sie ein Schießer wären, weil Sie ja einem Mann folgen. Aber Sie sind Wyatt Earp und… ich kann Ihnen etwas sagen…?Warten Sie doch, Marshal. Ich habe den Mann gesehen, nach dem Sie gefragt haben. Heute morgen um sechs Uhr.«
Die beiden Reiter hatten ihre Pferde angehalten, und Wyatt blickte den Jungen fragend und etwas ungläubig an.
»Na, dann erzähle mir mal, was du gesehen hast, Jack.«
»Ich heiße nicht Jack, ich heiße Bill.«
»Habe ich mir doch gedacht. Also, Bill, dann erzähle mal.«
Heftig gestikulierend erklärte der Junge dem Marshal, daß er in der Morgenfrühe, als er drüben im Store die Milch für daheim geholt hatte, einen Mann durch die Stadt hätte reiten sehen, auf den die Beschreibung paßte, die der Marshal vorhin Mr. José, den er gefragt hatte, gegeben hatte.
»So, du weißt also genau, daß der Mann rotes Haar hatte?«
»Ja, ganz genau!«
»Kann es nicht auch blond gewesen sein?«
»Nein, ausgeschlossen.«
»Und er trug gelbes Lederzeug?«
»Ja, und er hatte eine gelbliche Jacke an, die mit Pelz gefüttert war. Und dann war er an der linken Hand verwundet. Ich weiß es nicht genau, aber jedenfalls hatte er einen Verband um zwei Finger gewickelt. Ich habe es zufällig gesehen, weil er die Hand herunterhängen ließ. Er ist bestimmt nach Chiricahua geritten, Marshal…«
Wyatt warf dem Jungen ein kleines Geldstück zu, reichte ihm die Hand und nahm seinen Falbenhengst herum.
Der Junge rannte auf eine Cantina zu, riß die Perlenschnurvorhänge auseinander und brüllte:
»Wyatt Earp hat mir einen Nickel geschenkt! Der große Wyatt Earp…«
Eine Frau gab ihm eine Ohrfeige.
»Du vorlauter Bengel!« schimpfte sie.
Sie ritten nach Chiricahua.
Das einstige Indianerdorf lag öde und verlassen da.
Zu beiden Seiten der breiten Mainstreet standen in größeren Abständen flache, eingeschossige graubraune Holzhäuser. Der Wind, der jetzt von den Bergen kam, trieb den Flugsand schmirgelnd an den hölzernen Giebeln entlang und ließ ihn am Ende