Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
Vordachpfeiler, hatte den Hut tief ins Gesicht gezogen, das Sombreroband ums Kinn. Er kaute an einem erloschenen Strohhalmzigarrenstummel herum.
Ohne den Marshal anzusehen, raunte der Marshal dem Gefährten zu:
»Sehen Sie sich den an.«
Holliday nickte unmerklich. »Ja. Er scheint auf uns gewartet zu haben.«
Sie taten, als wollten sie an ihm vorbeireiten. Und als sie auf gleicher Höhe mit ihm waren, hielten sie plötzlich die Pferde an.
»Hallo, Mister!« rief der Marshal ihn an.
Aber der Mann hob nicht den Kopf.
Dadurch vergrößerte er den Argwohn, den die beiden Dodger schon hegten.
»Wir möchten hier irgendwo ein anständiges Quartier nehmen. Können Sie uns vielleicht einen Rat geben?«
Da hob der Mann langsam den Kopf.
Die beiden blickten in ein verschlagenes Augenpaar, das eine seltsam gelbliche Färbung hatte.
»Ein Quartier sucht ihr? Well, da könnt ich euch einen Rat geben. Das könnte ihr nämlich gleich hier bei mir nehmen. Ich habe das beste Hotel in der Stadt.«
Doc Holliday blickte die Straße hinunter. Sie war vielleicht knapp eine halbe Meile lang, und es war kaum anzunehmen, daß es überhaupt noch ein zweites Boardinghouse in der Stadt geben würde.
»Was kosten die Zimmer?«
»Zwei Dollar pro Stück.«
»Das ist billig«, tat der Marshal erfreut.
»Kommen Sie nur herein«, meinte der Mann, spie seinen Zigarrenstummel aus, wandte sich um und ging auf den Eingang seiner Behausung zu.
Tatsächlich entdeckten die beiden jetzt neben dem Eingang auf der Holzwand die mit weißer Farbe aufgepinselte großspurige Bezeichnung: HOTEL.
Sie nahmen vorn in dem Raum zur Straße hin Platz, so daß sie ihre beiden Pferde beobachten konnten.
Der Mann kam selbst, um sie zu bedienen.
»Was darf ich bringen?«
Doc Holliday verlangte einen Brandy und der Marshal eine Tasse Kaffee.
»Auch etwas zu essen?«
»Nein, wir essen erst abends«, entgegnete der Marshal, da der Geruch, der drüben dem Küchenraum entströmte, ein Mittagessen ganz sicher einem Abenteuer gleichkommen ließ.
Holliday nippte an dem Brandy. »Gar nicht schlecht«, sagte er.
Der Mann stand immer noch in unmittelbarer Nähe ihres Tisches.
»Sehen Sie, ich habe Ihnen ja gesagt, ich habe das beste Hotel in der Stadt.«
Wyatt Earp wandte den Kopf. »Ich hätte gern eine Auskunft, Mister.«
»Natürlich, wenn ich Ihnen helfen kann. Man soll für das Gesetz immer…«
Er unterbrach sich, und eine dunkle Röte überzog sein Gesicht.
Dieser Mann hatte sich verraten! Wyatt tat, als habe er es nicht bemerkt.
»Ja, man muß dem Gesetz dienen, das sagen wir auch immer. Hören Sie, Mister, wir suchen einen Mann, einen rothaarigen Burschen, der zwischen Tombstone und Bisbee einen Rancher ermordet hat.«
»Oh, einen rothaarigen Burschen. Soll er heute durch die Stadt gekommen sein?«
»Ja. Er hatte einen Vorsprung von ein paar Stunden. Er müßte am Morgen gekommen sein. So gegen neun oder zehn.«
»Ja, ich habe ihn gesehen. Es muß halb zehn gewesen sein. Er ritt hier die Straße hinauf und bog hier nach Süden ab. Ich vermute, daß er zur Grenze
geritten ist. Viele Burschen nehmen
ja den Weg. Vor allem das ganze Gesindel, das herunter aus dem Norden kommt.«
»Der Mann kam aber aus Westen«, gab der Marshal zu bedenken.
Es konnte keinen Zweifel daran geben, daß der Wirt ihn täuschen wollte.
Der Spieler, der unbemerkt einen prüfenden Blick über die Gestalt des Salooners geworfen hatte, hätte beinahe einen Ausruf der Verwunderung ausgestoßen, als er an der linken Hand des Mannes einen Ring sah, auf dessen abgeplatteter Fläche ein Dreieck eingraviert war.
Holliday berührte unter dem Tisch mit der Fußspitze den Stiefel des Marshals. Wyatt Earp tat, als wolle er zum Fenster hinaussehen und streifte dabei unauffällig den Spieler.
Holliday tippte mit dem Mittelfinger der Rechten auf den Ringfinger seiner linken Hand.
Als Wyatt den Wirt wieder ansah, hatte der beide Hände in die Taschen geschoben. Sollte er etwa Lunte gerochen haben?
Da Holliday Wert darauf legte, daß auch der Marshal den sonderbaren Ring zu Gesicht bekam, überlistete er den Mann, indem er ihn fragte:
»Wie spät ist es jetzt?«
Der Salooner griff prompt mit der Linken an die Westentasche, um die Uhr herauszunehmen.
Rasch aber ließ er die Uhr wieder in die Tasche zurückgleiten und steckte die Hand in die Hosentasche, nahm dann mit der Rechten die Uhr aus der Westentasche.
Aber der kurze Augenblick hatte dem Marshal genügt, auch er hatte den Ring mit dem eingravierten Dreieck gesehen.
Sollte das ein Zufall sein? Wenn nicht – dann war es eine ungeheure Entdeckung, die der Georgier da gemacht hatte. Wenn die Galgenmänner als Erkennungszeichen einen Ring trugen, auf dem das Symbol ihrer Organisation eingraviert war. Und dann zuckte es jäh durch das Hirn des Missouriers. Sollte jeder Bandit einen solchen Ring haben?
Wohl kaum. Denn dann hätte der Marshal längst bei irgendeinem der Outlaws ein solches Erkennungszeichen gefunden. Und? Bedeutete das nicht, daß dieser Mann etwas Besonderes in der Bande darstellen mußte!
War er vielleicht – aber dieser Gedanke schien dem Marshal denn doch zu weit hergeholt. Dieser Mann sah nicht aus, als ob er der Chief einer so großen Gangsterbande sein könnte!
Wyatt Earp blickte wieder auf die Straße.
»Könnten Sie unsere Pferde in den Stall bringen lassen, Salooner?«
»Selbstverständlich!« Der Mann wandte sich um und verschwand in der Küche. Er zog die Tür zwar nicht ganz zu, und es stand zu erwarten, daß er die beiden beobachten würde, aber dennoch flüsterte Doc Holliday an der Hand vorbei, in der er die Zigarette hielt, dem Marshal zu: »Er sieht nicht so aus – aber das besagt gar nichts. Denken Sie an Jonny O’Keefe. Oder an Frederic Astor.«
»Ich finde, zumindest Astor sah nicht so unbedeutend aus wie dieser Bursche«, gab der Marshal zurück.
Holliday nickte.
»Das stimmt. Aber verschlagen ist er auf jeden Fall. Ich kann allerdings auch nicht glauben, daß diese armselige Type der große Boß der Graugesichter sein soll.«
Da wurde die Küchentür wieder aufgestoßen, und der Mann näherte sich eilig ihrem Tisch. Offenbar hatte er sich darüber geärgert, daß er kein Wort dieser allzu leise für ihn geführten Unterhaltung hatte verstehen können.
»Ich habe Bescheid gegeben, daß Ihre Tiere in den Hof geholt und versorgt werden.«
Holliday, der erst zweimal an seinem Brandy genippt hatte, stieß den Marshal plötzlich unter dem Tisch an.
Wyatt fing seinen Blick auf, der seiner Kaffeetasse galt. Der Missourier hatte das Getränk noch nicht probiert. Weniger wegen des schlechten Duftes, der davon aufstieg, sondern weil die Tasse einen so schmierigen Rand hatte.
Holliday deutete auf eine Zeitung, die drüben an der Wand hing.
»Dürfte ich wohl einen Blick hineinwerfen, Mister?«
»Aber selbstverständlich.« Der Mann wandte sich um und ging auf die