Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
des Marshals stehen.
Keuchend stieß er hervor: »Mr. Earp!« Er rang nach Atem. »Mr. Earp! Sie sind da…, welch ein Glück!«
»Was gibt’s denn, Kleiner?«
»Die Galgenmänner.«
Wyatt glitt sofort aus dem Sattel und streichelte dem Burschen über seinen schwarzblauen Haarschopf.
»Was sagst du da?«
»Die Galgenmänner, Marshal! Sie sind in der Stadt. Zwei stehen hier vorn hinter dem Haus. Ich kann es nicht beschwören, aber…«
Doc Holliday war nun auch heran, hatte in einer wahren Fontäne von Staub seinen Rappen zum Stehen gebracht und war abgestiegen. Er hatte die letzten Worte des Jungen noch gehört.
»Nun beruhige dich mal, Boy. Und sprich schön langsam«, forderte der Missourier den Kleinen auf.
»In der Bank unten, Mr. Earp, in der Bank da sind sie, drei Männer! Ich habe sie vom Nußbaum aus beobachtet. Sie sind bei Mr. Cornfelder im Office und haben ihre Revolver in der Hand.«
»Wie kommst du darauf, daß es Galgenmänner sind?« forschte da der Georgier, während er einen unauffälligen Blick über die Straße schickte.
»Sie tragen graue Gesichtstücher.«
Die beiden Dodger wechselten abermals einen kurzen Blick miteinander.
Dann reichte der Marshal dem Jungen die Hand und streichelte ihm übers Haar.
»So, wir müssen jetzt so tun, als wenn wir alte Freunde wären, Boy. Hast du verstanden?«
Der Kleine nickte.
»Ja, das ist schön. Dann gehst du jetzt langsam hinter uns her und verschwindest am besten in eurem Haus.«
»Wir wohnen am anderen Ende der Stadt.«
»Kennst du denn niemanden?«
»Doch, den Reverend. Er wohnt hier gleich im ersten Haus links.«
»Dann gehst du zu ihm. Und während wir jetzt auf das Haus zugehen, berichtest du mir, was du weißt.«
In fliegenden Worten erzählte der kleine Billy Ovarim, was er in der letzten halben Stunde erlebt hatte.
Dann verschwand er im Haus des Pfarrers.
Wyatt Earp und Doc Holliday zogen sich wieder in die Sättel und trabten die Straße hinunter.
Hundert Yards vor dem Bankhaus stiegen sie ab, warfen ihre Zügelleinen um einen Querholm und betraten den Vorbau von Judy Harrisons Clothing Store.
Während Doc Holliday neben der Tür stehenblieb, betrat der Marshal den Shop.
Die junge blondhaarige Frau, die gerade in einem der Wäschefächer hantierte, hatte ihm den Rücken zugekehrt.
Als der Mann sich räusperte, fuhr sie herum – und in ihre großen Augen trat zu dem kleinen Schrecken eine grenzenlose Verblüffung.
»Marshal Earp!« entfuhr es ihr.
»Ja, Miß Harrison.« Der Marshal nahm seinen Hut ab und ging auf die junge Frau zu.
Judy Harrison hatte ein hübsch geschnittenes, etwas helles Gesicht, das von weichen goldblonden Locken umrahmt und von einem wasserhellen, allerliebsten Augenpaar beherrscht wurde. Sie war gut gewachsen und konnte für sich in Anspruch nehmen, das schönste Mädchen der ganzen Stadt zu sein. Seit dem Tode ihrer Eltern – sie waren vor zwei Jahren bei einem Bandenüberfall hier draußen vor dem Store beide niedergeschossen worden – führte sie den Laden des Vaters weiter, so gut sie es vermochte.
Es war Marshal Wyatt Earp gewesen, der damals den Mörder ihrer Eltern hier draußen auf der Mainstreet zur Strecke gebracht hatte. Ebenso wie der kleine William Ovarim konnte sie den Marshal nie vergessen. Eine flammende Röte übergoß ihr hübsches Gesicht vom Haaransatz bis zum Kinn. Und ihre kleine weiße Hand, die in der großen braunen Rechten des Marshals lag, war urplötzlich eiskalt geworden.
»Sie sind wieder in der Stadt, Mr. Earp?« fragte sie stotternd.
»Ja, Miß Harrison, und ich habe auch gleich eine Bitte.«
»Ja…«
»Die Galgenmänner sind in der Stadt. Und…«
»Die Galgenmänner«, entfuhr es ihr entgeistert. Und die Röte wich sofort aus ihren Wangen.
»Ja, sie sind schon in der Bank. Ich wußte von dem geplanten Überfall, aber offenbar haben sie früher zugeschlagen, als ich vermutete. Ich möchte Sie bitten, durch Ihren Hof gehen zu dürfen.«
»Aber selbstverständlich. Wollen Sie in den Hof des Bankhauses?«
»Ja, ich will es versuchen.«
»Das ist gar nicht schwer. Hier nebenan ist der Butchersshop, dessen Mauer ist niedrig. Der wiederum hat eine Tür zum Garten von Mrs. Flambush, und ihr kleiner Garten schließt an den Hof der Schenke an. Von dort aus könnten Sie hinüber in den Hof der Bank steigen.«
Wyatt hatte die letzten Worte der Frau kaum vernommen, als er schon draußen im Hof war und den nicht allzu schwierigen Weg einschlug.
Inzwischen hatte sich in der Bar eine kurze Szene zwischen Gibson und Averhof abgespielt.
Gibson war noch einen Augenblick auf dem Vorbau stehengeblieben und dann in die Schenke zurückgekehrt.
Aber das Mißtrauen hatte sich in der Brust des texanischen Schießers festgefressen. Er blieb nicht wie vorhin ruhig auf seinem Platz sitzen, sondern stand nach einer Weile wieder auf und erschien vorn im Eingang.
Er hatte noch nicht zwei Schritte auf den Vorbau hinaus gemacht, als der Georgier Holliday ihn plötzlich entdeckte.
Auch Gibson hatte ihn gesehen. Wie angenagelt war er stehengeblieben und starrte den Spieler an.
Kaum achtzig Yards trennten die beiden voneinander.
Der sonst so kaltblütige Revolvermann verlor die Nerven. Er sprang auf die Straße und warf den Arm hoch.
Das war das Zeichen für den Posten in dem Planwagen.
Der schlitzäugige, fahlgesichtige Bandit Egon Jackfink hatte den leisen Pfiff gehört, den Gibson ausgestoßen hatte, und sah den Texaner jetzt mit erhobenem Arm auf der Straße stehen.
Sofort riß Jackfink das Sharpsgewehr vom Wagenboden hoch und stieß es vorn durch die Öffnung der Plane.
Er erblickte den Mann, auf den ihn Gibson hinweisen wollte.
Jackfink kannte den Mann nicht, aber er wußte, daß es ein Feind sein mußte, der ausgeschaltet werden sollte. Sorgfältig zielte er, und dann zog er den Stecher durch.
Der Schuß röhrte über die Straße.
Aber der Mann aus Georgia, der seit mehr als dreizehn Jahren mit dem Tod durch eine Kugel rechnen mußte, ja, der diesem Tod durch dieses rauhe, wilde Land zu folgen schien, wurde nicht getroffen.
Um einen halben Yard fehlte ihn die Kugel und schlug klatschend in das Holz eines Vorbaupfostens.
Doc Holliday war sofort in der Türnische verschwunden.
Hinter ihm wurde die Tür geöffnet. Judy Harrison trat in den Eingang und stand schweratmend neben ihm.
»Doc Holliday! Sie sind hier? Das wußte ich nicht. Wer hat geschossen?«
»Das sind eine ganze Menge Fragen auf einmal, Miß«, entgegnete der Spieler, ohne sich nach der Frau umzusehen. Er stand genau in der Türecke und fixierte den Texaner.
»Damned, wenn das nicht der fahle Gibson ist…«
Holliday wußte von dem Bericht des Jungen, daß noch mehrere Männer hier in der Straße postiert sein mußten. Da er ihre Standorte nicht kannte, wäre es mehr als gefährlich gewesen, wenn er sich jetzt mit Gibson angelegt hätte.
Aber er mußte auf