Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
fest davon überzeugt, daß dieser Indianer ihm die Wahrheit gesagt hatte.
Er stand jetzt vor ihm, senkte den Blick in die Augen des Roten und sagte halblaut: »Da liegt mein Freund. Ich wäre froh, wenn du ihm helfen könntest.«
Der Indianer bückte sich, tastete Hollidays Schädel ab, wandte sich dann um und befahl dem Mann, der neben dem Fackelträger stand: »Hol meine Tasche!«
Er hatte es auf englisch gesagt, um die beiden Weißen nicht mißtrauisch zu machen.
Dennoch stieß sich Shibell von dem Fels ab, an den er sich gelehnt hatte und keuchte: »Wenn Sie das zulassen, Wyatt, sind Sie für mich ein Selbstmörder!«
»Schweigen Sie!«
Shibell stand vor dem Marshal und ballte die Fäuste. Mit schiefgelegtem Kopf brüllte er: »Sie sind irrsinnig, Earp! Der Kerl holt eine Kanone aus der Satteltasche und knallt uns beide ab.«
»Ich habe gesagt, daß Sie still sein sollen!«
»Er knallt uns ab!«
»Nein, das wird er nicht tun, wenn ihm nämlich etwas am Leben des Häuptlings liegt!«
»Häuptling? Pah! Dieser Bursche ist so wenig ein Häuptling wie die zwei anderen da!«
Wyatt gab dem Roten einen Wink, dem Wunsch des Häuptlings nachzukommen.
Weiße Feder erhielt eine Campflasche, die mit Leder umwickelt war, goß etwas von der Flüssigkeit über den Kopf des Georgiers und nahm dann mehrere Blätter aus der Tasche, die er auf die angeschwollene Stelle legte; schließlich nahm er das Tuch, das Holliday vorhin gegen den Staub vorm Gesicht getragen hatte und das jetzt um seinen Hals hing, knotete es auf und wickelte es als Notverband um den Kopf des Betäubten.
In diesem Moment entdeckte der Marshal, daß er einen großen Fehler gemacht hatte: In seiner Erregung hatte er bisher nicht daran gedacht, daß Shibell die Waffen Hollidays an sich genommen haben könnte. Jetzt erst sah er die beiden weißknäufigen Sixguns des Spielers im Gurt des Sheriffs stecken.
Er erhob sich, ging auf Shibell zu und nahm die Waffen weg.
»Und Sie lassen sich von mir noch einen Colt geben, Mensch!«
Verblüfft starrte der Mann auf die beiden Revolver. Er hatte sie ganz vergessen.
»Schade, was?« schoß ihm der Marshal zu. Aber er mußte sich eingestehen, daß sich Shibell, als vorhin die Roten kamen, nicht gerade feindselig verhalten, sondern ihm den Indianer aus dem Rücken gehalten hatte. Allerdings konnte das auch eine Reflexhandlung gewesen sein, dem Impuls entspringend, daß es immer noch besser war, ein Gefangener des Marshals zu sein, als von den Indianern getötet zu werden.
Weiße Feder erhob sich.
»Er ist schwer getroffen worden. Ich glaube nicht, daß er die Sonne noch einmal sehen wird.«
Wyatt schluckte. Seine Augen suchten Shibell.
Der wich vor diesem Blick zurück.
»Lassen Sie sich doch nicht von diesem Banditen hochnehmen, Wyatt. Merken Sie denn nicht, was der Strolch vorhat? Er will uns dazu bringen, daß wir uns selbst aufreiben. Alter Indianertrick!«
»Schweigen Sie!«
Shibell lehnte sich wieder gegen den Fels.
Wyatt legte die Hände um den Mund und rief mit lauter Stimme: »Luke!«
Die Antwort kam sofort.
»Ja!«
»Kommen Sie mit den beiden her und bringen Sie auch die Pferde mit!«
Verblüfft lauschten die drei Indianer in die Schlucht, hörten den Huftritt der Pferde und sahen nach einigen Minuten einen weißen Mann kommen, dem ein wahrer Goliath folgte. Dann kamen die Pferde. Den Schluß machte der Schwarze. Der Texaner wußte, daß der Neger niemals in die Dunkelheit der Schlucht fliehen würde. Außerdem war sein Gewissen offenbar nicht so schlecht, wie das des geflüchteten Sträflings.
Die Indianer hatten finstere Gesichter bekommen.
Da erklärte der Marshal: »Dieser große weiße Mann ist mein Freund Luke Short. Der andere ist ein Gefangener von mir.«
Da flog der Kopf des Häuptlings herum.
»Du bist ein Sheriff! Jetzt weiß ich, wo ich dein Gesicht gesehen habe. In der Stadt, die ihr Grabstein (Tombstone) nennt. Da ist auch dein Bruder Sheriff.«
Der Marshal schüttelte den Kopf.
»Du verwechselst mich mit meinem Bruder Morgan.«
»Morgen Earp! Ja, so ist der Name.«
»Mein Bruder Morgan ist tot. Vor zwei Jahren haben ihn die Freunde dieses Mannes hinterrücks erschossen.«
Chandler warf den Kopf hoch.
»Damals waren sie noch nicht meine Freunde!« stieß er gallig hervor.
»Aber jetzt sind sie es. Und das ist noch schlimmer!«
Der Texaner blickte mit weiten Augen auf den Georgier.
»Was ist mit dem Doc? Haben diese Ledergesichter ihn etwa verletzt?«
»Nein, aber Shibell. Er hat ihm oberhalb des Schluchteingangs aufgelauert und dann einen Stein nach ihm geschleudert, der ihn am Kopf traf.«
Der Riese schnaufte, während er Chantler zur Seite stieß und sich nach vorn schob.
Er kniete neben dem Gambler nieder.
»Das hat dieser schäbige Bruder eines Galgenmannes gewagt! Dieser armselige Bursche! Und dann steht er noch da und wagt sich mir unter die Augen! – He, Doc! Damned, machen Sie doch die Augen auf!«
Aber Holliday lag längst wieder in tiefer Ohnmacht.
Der Hüne fuhr hoch und baute sich drohend vor Shibell auf.
»Hör zu, Amigo! Wenn der Doc einen ernsthaften Schaden davonträgt, hast du ausgesorgt.«
»Marshal!« zischte der Sheriff. »Wie können Sie es zulassen, daß der Kerl mich in dieser Weise bedroht!«
Klatsch! Die Ohrfeige des Riesen ließ den Kopf des County Sheriffs regelrecht zur Seite fliegen.
»Tut mir leid, Wyatt«, entschuldigte sich der Texaner, »da ist mir wirklich die Hand ausgerutscht. Und wenn der Halunke jetzt noch ein einziges Wort sagt, stutze ich ihn so zusammen, daß er hinterher zu schwach ist, noch seinen eigenen Stern zu tragen! Sein Charakter scheint ja ohnehin zu schwach zu sein!«
Shibell zog es nach dieser bitteren Erfahrung vor, zu schweigen.
Wyatt Earps Blick ruhte auf dem vom Fackelschein beleuchteten Gesicht des Spielers.
Draußen ließ der Sturm jetzt endlich nach. Aber es dauerte noch anderthalb Stunden, ehe er völlig vorüber war.
Längst war auch die letzte Fackel der Indianer verlöscht.
Mit düsteren Gesichtern standen die roten und die weißen Männer beieinander und blickten auf die Savanne hinaus.
Die letzten Sterne waren verblichen, und das Silbergrau des neuen Tages stieg im Osten über den Horizont.
Der Häuptling blickte den Marshal an.
»Wir können jetzt weiterreiten?«
Wyatt nickte, nahm die Waffen der Mescaleros vom Boden und gab sie ihnen zurück.
Da reichte ihm Weiße Feder die Hand.
»Ich weiß jetzt deinen Namen. Du bist Wyatt Earp, nicht wahr?«
Der Marshal nickte.
In diesem Moment schlug der Georgier die Augen auf. Sein Blick verdunkelte sich, als er die abenteuerlichen Gestalten der drei Apachen sah.
Wyatt beugte sich über ihn. »Doc!«
Holliday bemühte sich, die Augen weiter