Auferstehung. Лев Толстой

Auferstehung - Лев Толстой


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Energie, das wäre unmöglich, da sie ja selbst gestanden, das Pulver in das Glas geschüttet zu haben.

      »Sie hat das Pulver hineingeschüttet, es aber für Opium gehalten,« bemerkte der Kaufmann.

      »Aber auch Opium ist Gift,« versetzte der Oberst und erzählte bei der Gelegenheit die Geschichte seiner Schwägerin, die zufällig Opium genommen und ohne die wunderbare Geschicklichkeit eines schnell hinzugerufenen Arztes gestorben wäre. Der Oberst erzählte mit solchem Wohlgefallen, daß niemand den Mut hatte, ihn zu unterbrechen, bis einer der Geschworenen ausrief:

      »Mein Gott, meine Herren, es ist ja schon 4 Uhr.«

      »Nun, meine Herren?« fragte der Obmann, »was wollen wir antworten? Wollen wir sagen: ›Ja, sie ist schuldig, das Gift eingeschüttet zu haben, aber ohne Absicht zu stehlen‹?«

      Peter Gerassimowitsch, der mit dem in der vorigen, Frage erzielten Erfolge zufrieden war, gab diesmal seine volle Zustimmung.

      »Ich wünsche, daß man hinzufügt: »mit mildernden Umständen,« rief der Kaufmann.

      Damit waren alle gleich einverstanden, nur der Handwerker wünschte von neuem, man solle antworten: »Nein, sie ist nicht schuldig.«

      »Aber die von mir vorgeschlagene Antwort kommt doch auf dasselbe heraus,« erklärte ihm der Obmann. »›Ohne Absicht zu stehlen‹, das ist ebenso gut, als wenn wir sagten, ›sie ist nicht schuldig‹.«

      »Ja, aber unter der Bedingung, daß hinzugefügt wird, mit mildernden Umständen, um die Angeklagte vollends freizusprechen,« entgegnete der Kaufmann, der auf diesen Ausweg sehr stolz war.

      Die Antworten wurden in der von den Geschworenen angegebenen Form aufgeschrieben und dem Gerichtshof übergeben.

      Als der Präsident sie sich durchgelesen hatte, klingelte er. Der Gendarm, der mit dem Säbel vor der Thür gestanden hatte, steckte ihn wieder in die Scheide. Die Richter nahmen wieder auf ihren Sesseln Platz, und die Geschworenen kehrten einer nach dem andern in den Saal zurück. Mit feierlicher Miene trug der Obmann der Jury das die Antworten enthaltende Blatt, ging bis zu dem Tische vor, an welchem der Gerichtshof saß, und übergab es dem Präsidenten. Dieser überflog es mit einem Blick, schien sehr überrascht und wandte sich nach seinen Kollegen um, um sie nach ihrer Meinung zu fragen. Mit Bestürzung sah er, wie die Jury, die die Frage des Diebstahls verneint, die des Mordes rückhaltslos bejaht hatte. Aus dieser Antwort ging hervor, daß die Maslow weder das Geld, noch den Ring genommen, dagegen den Kaufmann ohne jedes Motiv vergiftet hatte.

      »Da sehen Sie nur, welche Albernheit Sie da zu stande gebracht haben,« sagte der Präsident zu seinem Nachbar links, »Das bedeutet Zwangsarbeit für dieses Mädchen, und dabei ist sie ganz sicher unschuldig.«

      »Aber warum soll sie denn unschuldig sein?«

      »Nun, das springt doch in die Augen. Meiner Ansicht nach müßte hier der Artikel 817 zur Anwendung kommen.«

      Wer Artikel 817 besagt, daß der Gerichtshof das Recht hat, die Entscheidung der Jury zu verwerfen, wenn sie dieselbe für falsch begründet hält.

      »Und was meinen Sie dazu?« fragte der Präsident seinen andern Nachbar.

      »Vielleicht sollten wir in der That den Artikel 817 zur Anwendung bringen,« sagte der Richter mit den gutmütigen Augen.

      »Und was meinen Sie?« fragte der Präsident den mürrischen Richter.

      »Ich bin der Meinung, wir dürfen das um keinen Preis thun,« versetzte dieser Beamte in entschlossenem Tone. »Man beklagt sich so schon genug, daß die Geschworenen die Angeklagten freisprechen; nie und nimmer würde ich darauf eingehen.«

      Der Präsident zog seine Uhr.

      »Ich bin untröstlich; aber was soll ich thun?« dachte er und übergab die Antworten dem Obmann der Geschworenen zur Verlesung.

      Sofort erhoben sich alle Geschworenen, und ihr Obmann las, sich hin- und herwiegend, mit lauter Stimme die Fragen und Antworten. Der Aktuar, der Verteidiger, ja, selbst der Staatsanwalt konnten ihre Bestürzung nicht verbergen. Nur die Angeklagten blieben unbeweglich auf ihrer Bank sitzen, denn sie verstanden den Sinn der Antworten nicht.

      Dann setzten sich die Geschworenen wieder, der Präsident wandte sich zum Staatsanwalt und fragte ihn, welche Strafen er für die Angeklagten beantrage.

      Der Staatsanwalt, der von der Strenge der Jury der Maslow gegenüber entzückt war, und dieselbe ausschließlich seiner Beredtsamkeit zuschrieb, überlegte ein Weilchen und sagte dann:

      »Für Simon Kartymkin verlange ich die Anwendung des Paragraphen 1452; für Euphemia Botschkoff die Anwendung des Paragraphen ... und für Katharina Maslow die Anwendung des Paragraphen ...«

      Die in diesen Paragraphen ausgesprochenen Strafen waren natürlich die allerhöchsten.

      »Der Gerichtshof wird sich zur Beratung zurückziehen,« sagte der Präsident, erhob sich und ging mit den beiden Richtern hinaus. Auf der Estrade hatte jeder das Gefühl, das das Bewußtsein der vollendeten Arbeit verleiht, und die Geschworenen schwatzten laut.

      »Na, Väterchen, Sie haben ja da 'was Hübsches angerichtet,« sagte Peter Gerassimowitsch, an Nechludoff herantretend, dem der Obmann der Geschworenen etwas erklärte. »Sie haben die Unglückliche ja ins Zuchthaus geschickt.«

      Nechludoff war bei diesen Worten so erregt, daß er sich nicht einmal über die verletzende Vertraulichkeit des früheren Hauslehrers seiner Schwester ärgerte.

      »Was, was sagen Sie da?«

      »Na gewiß,« versetzte Peter Geraffimowitsch; »Sie haben ja ganz vergessen, in Ihrer Antwort hinzuzufügen: ›aber ohne die Absicht, zu töten.‹ Der Aktuar hat mir eben gesagt, der Staatsanwalt hätte 15 Jahre Zwangsarbeit beantragt.«

      »Aber die Antwort stimmt doch mit unsern Entschließungen vollständig überein!«

      Peter Gerassimowitsch widersprach ihm von neuem und erklärte, da man behauptete, die Maslow hätte das Geld nicht genommen, so hätte man auch hinzufügen müssen, sie hätte nicht die Absicht zu töten gehabt.

      »Aber ich habe die Antworten doch noch einmal vorgelesen, bevor wir in den Gerichtssaal traten,« rechtfertigte sich der Obmann; »niemand hat widersprochen.«

      »Ich mußte während der Verlesung auf einen Augenblick hinausgehen,« entgegnete Peter Gerassimowitsch. »Aber wie konnten Sie das durchgehen lassen, Dimitri Iwanowitsch?«

      »Ich habe nichts bemerkt,« versetzte Nechludoff.

      »Die Sache war doch aber so leicht zu bemerken.«

      »Man kann das Uebel ja noch gut machen,« sagte Nechludoff.

      »Oh nein, dazu ist es zu spät, jetzt ist alles aus.«

      Nechludoff richtete den Blick auf die Angeklagten. Während über ihr Schicksal beraten wurde, saßen sie noch immer zwischen den beiden Soldaten auf ihrer Bank. Die Maslow lächelte, und ein häßlicher Gedanke schlich sich in Nechludoffs Seele. Eben, als er die Freisprechung der Maslow und ihre Freilassung erwartete, fragte er sich, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Jetzt aber raubte ihm die Zwangsarbeit und die Verschickung nach Sibirien jede Möglichkeit, die alten Beziehungen mit ihr wieder aufzunehmen. Der verwundete Vogel mußte bald aufhören, in der Jagdtasche


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