Kleopatra. Alfred Schirokauer

Kleopatra - Alfred Schirokauer


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aus, vermindert kaum das Jagen der Hengste. Ein Laut bricht von ihren Lippen. Ein Jauchzen. Übermütig schwingt sie die lange Peitsche.

      Sie hat es gesehen. Deutlich. Cäsars Bildsäule trägt die Königskrone.

      II.

      Sie ist wieder in der Villa auf dem Janikulum. Wirbelt in das Ankleidezimmer. Charmion, die Griechin, Eiras, die Ägypterin, Vertraute, Zofen, einst Gespielinnen, entkleiden sie.

      »Ein ganz dünnes Hauskleid, Charmion. Mir ist gräßlich heiß.«

      »Sei vorsichtig, Herrin. Diese ersten Frühlingstage sind tückisch.«

      Kleopatra zieht die grünen Augen schmal, katzenhaft zusammen. Die Dienerin weiß genug, hastet davon, bringt das fast durchsichtige koische Gewand.

      Die Königin läßt sich kleiden, hält gegen ihre flatternde Gewohnheit fügsam still. Ihre Gedanken sind weit fort. Unten auf dem Forum. Seine Bildsäule ist gekrönt. Seine Bildsäule ist gekrönt! Nichts anderes hat Sinn in dieser gewaltigen historischen Stunde.

      Das Mahl ist bereitet, der Hofstaat wartet. »Sie sollen ohne mich essen.« Charmion drängt. »Laß mich«, wehrt Kleopatra nervös. Sie sitzt vor dem Toilettentisch mit dem großen silbernen Spiegel. Charmion, die treue, bringt ihr eine kräftige Brühe. Sie kostet, mag nicht. Die Gewißheit, daß unten auf dem Forum Cäsars Bildsäule die Krone trägt, raubt ihr den Appetit.

      Sie sitzt mit zusammengekniffenen Augen, die Finger der Linken in das Kinn, dieses starke, feine, tatbewußte Kinn verkrallt, den Ellbogen des nackten Arms auf den Schenkel gestemmt, der über das rechte Knie geschlagen ist. Und sinnt.

      Endlich! Vier Jahre hat sie auf diesen Tag gewartet. Ihn Cäsars Bedachtsamkeit abgerungen, abgetrotzt. Der Alexandertraum wird endlich zur Tat. In den ersten Nächten, damals, als Cäsar nach Alexandrien kam und sie in der ersten Nacht nahm, hat sie ihm diesen Plan des Weltkönigtums, diesen Herrschaftsgedanken über Ost und West als süßes Gift eingeträufelt, eingeküßt, eingehaucht. Ihren Plan! Ihren Gedanken! Ihre heilige Sehnsucht! Und heute endlich –

      Sie federt empor. Klatscht in die Hände. Befiehlt Cäsarion. Die pompöse mazedonische Kinderfrau im Hauptschmuck der vielen wehenden bunten Bänder bringt das Kind. Es läuft auf die junge Mutter zu. Kleopatra hebt es hoch über sich empor. Erstaunlich ist die Kraft in der kleinen zarten Gestalt, mit der sie den großen dreijährigen Knaben hochschwingt. Er lacht fröhlich und beginnt ihr eine große Wichtigkeit seines Kinderdaseins zu erzählen. Sie winkt die Frau hinaus.

      Doch sie hört nicht auf das Kindergeplapper. Sie ist zerstreut. Sie sieht in ihm nicht ihr Kind, heute nicht. Sie sieht durch ihn hindurch auf Reiche, auf die Erde, die ihr und Cäsar gehören soll für ihn – einst für ihn. Er ist für sie Symbol und Verkörperung ihrer Weltherrschaftsidee. Nur für ihn, seinen einzigen Sohn, hat Cäsar –

      Unrast packt sie. Sie klatscht in die Hände. »Die Frau soll das Kind holen! Wo sind die Läufer?! Wo bleiben die Nachrichten aus der Stadt?!«

      »Ein Bote harrt draußen.«

      »Draußen?! Warum kommt er nicht herein? Seleukos soll gepeitscht werden. Und sag ihm, ich lasse ihn fragen, ob er seines blöden Kopfes müde ist. Herein mit dem Boten!«

      Bis er kommt, fingert sie unruhig an ihren Gliedern hin. Der Läufer wirft sich vor ihr nieder. »Auf, auf! Was geschieht in der Stadt?«

      »Eine ungeheure Menge ist auf dem Forum zusammengeströmt. Alles blickt auf die gekrönte Bildsäule, Herrin.«

      »Weiter!«

      »Weiter nichts, Herrin. Sie stehen und deuten und starren darauf und flüstern miteinander.«

      »Was flüstern sie?«

      »Teils sind sie dafür, teils heftig dagegen, daß Cäsar als König geehrt wird.«

      »Welche Meinung ist in der Mehrzahl? Muß ich dir jedes Wort abringen, du Tölpel!«

      Sie stampft heftig auf mit dem unwahrscheinlich kleinen Fuß in dem Seidenschuh.

      »Es ist schwer zu sagen, Herrin. Die Leute sind in ihren Äußerungen sehr vorsichtig.«

      »Gut. Ich verlange dauernd Bericht.«

      Der Läufer verbeugt sich tief und geht.

      Für und wider. Ja, ja. Das hat sie gewußt und erwartet. Und Cäsar auch, als er einem Vertrauten den Befehl gab, seine Säule zu krönen. Ein Versuch. Ein Fühler am Pulse des Volkes.

      Sie stöhnt auf. Der Tag vergeht nicht. Die Schwingen der Stunden sind gelähmt. Cäsar ist in Alba. Hat am frühen Morgen die Stadt verlassen. Absichtsvoll. Am Nachmittag will er zurückkehren. Die Rückkehr wird alles entscheiden. Alles. Königtum, Weltreich von Ost und West.

      Sie geht hinaus in den weiten Park. Erschauert. Es ist kühl. Die Sonne ist verschwunden. Sie hetzt zurück ins Atrium. Betrachtet fahrig die Bildsäulen, die Kunstwerke, die Cäsar aus aller Welt zusammengetragen hat. Und sieht nichts. Wo bleiben die Boten?!

      Atemlos stürmt einer herein.

      »Cäsar ist auf dem Rückwege, kurz vor der Stadt.«

      »Was geschieht auf dem Forum?«

      »Ich habe es nicht gesehen, Herrin. Mein Weg hat mich nicht darüber geführt.«

      Im Speisezimmer wird gedeckt. Sie hört das leise Klirren der Gefäße. Jeden Nachmittag kommt Cäsar zu ihr zu einem kleinen Imbiß.

      Sie geht ins Ankleidezimmer. Läßt sich schmücken für ihn, schminken, pudern. Den schmalen Bogen der Brauen nachziehen. Dann ist sie wieder allein im Wohnzimmer. Wartet, wartet. Draußen auf dem Forum entscheidet sich das Geschick der Welt. Sie sitzt in einem tiefen, weichen Sessel, schlägt gewohnheitsmäßig die Beine übereinander. Und plötzlich rieselt eine Welle der Sinnlichkeit über ihre Glieder. Seit zwei Jahren, seit ihrer Ankunft in Rom, hat Cäsar sie nicht mehr berührt. Er ist sehr gealtert – sehr –, diese epileptischen Anfälle! Älter geworden in diesen letzten Jahren als seine Sechsundfünfzig bedingen. Ganz gleich – sie liebt ihn. Sie lächelt sphinxhaft. Kann sie lieben? Irgend etwas lieben außer sich – außer der Macht –?

      Ihre Gedanken schwimmen. Gut und wohlig war die erste Zeit – vor vier Jahren. Nach ihrer Erweckung als Weib. Der erste Mann, dem sie gehörte. Der erste Mann, der einzige, der ihr geistig ebenbürtig – hm –, vielleicht überlegen ist. Wie jung er damals noch war! Wie aus Stahl der Körper und Geist. Schmerzlich gealtert ist er.

      Sie seufzt aus der Tiefe der Brust. Ballt unwillkürlich die kleinen Hände zu willenseisernen Fäusten.

      Sie wird ihm neue Kraft und neue Jugend einatmen. Sie und die Herrschaft über die Erde und die Krone. Sie faltet die Hände und verrenkt die Finger. Sie ist jetzt nur Wille und Energie. Sie wird in ihm die Natur bezwingen. Sie wird ihm Jugend und Kraft in die alten Adern gießen! Sie wird! Sie wird! Sie wird die Glut ihrer Vierundzwanzig in seine Gefäße strömen lassen und in sein ermüdetes Hirn! Wenn sie erst sein Weib ist, öffentlich – die Königin des vereinigten Ost und West der Welt.

      Sie dehnt den kleinen, katzengelenken Körper, fühlt ihr heißes Blut in jedem Gliede, reckt die Arme über den Kopf hinaus – fühlt ihre Jugend und ihren Körper und sein Begehren – nein,


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