Kleopatra. Alfred Schirokauer

Kleopatra - Alfred Schirokauer


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      »Dann ist unser Tag gekommen. Dann ziehst du mit mir, als mein Weib und die Königin des Ostens, auf dem Triumphwagen des Königs des Westens in Rom ein – die heilige Straße hinab – zum Kapitol – alles Volk jubelt uns zu – die siegreiche Riesenarmee tut das Ihrige –«

      Sie setzt sich jäh auf seinen Knien auf, sieht ihm ins Gesicht. Ein Ton aus alten Tagen, aus alexandrinischen Nächten ist in seiner Stimme, reißt sie empor. Das ist der Cäsar, den sie einst gekannt hat, der feurige Geliebte, der Mann, den kein Alter berühren, noch antasten kann. Ihre Augen glänzen wie in den Tagen, da er sie in die Arme nahm und ihr wilde, leidenschaftliche Worte ins Ohr raunte. Auch in seinen Zügen flammt ein Feuer aus den ersten Zeiten ihrer Liebe. Ja, das ist Cäsar, ihr Cäsar, ihr Geliebter, ihr Erwecker und Meister.

      Lange sieht sie ihn stumm an. Dann fragt sie leise: »Wie lange wird es dauern?«

      »Weiß ich nicht. Dauer der Kriege läßt sich nicht vorausschätzen.«

      »Ungefähr.«

      »Zwei bis drei Jahre.«

      »Unmöglich!« Sie fiebert von seinem Schoß, rennt in dem fast dunklen Zimmer umher wie ein kleiner Irrwisch.

      »Solange halte ich es nicht aus.«

      »Man hält vieles aus« –, sagt er ruhig, »um ein Weltreich – selbst wenn man alt und morsch vom Fieber ist.«

      Da ist sie wieder bei ihm. In seiner Stimme hat sein Alter und seine Müdigkeit geschluchzt. Sie beugt sich über ihn, legt die Hände auf seine Schultern, preßt ihre Wange gegen die seine. Voll Sorge, Angst und Liebe fragt sie:

      »Bist du denn gesund genug für die Strapazen dieses großen Krieges?! Kannst du die Entbehrungen eines Feldzuges ertragen?! Wenn du krank würdest – weit von mir –, ich würde vor Angst um dich vergehen!«

      Er wendet das Gesicht zu ihr empor.

      » Nur für diesen Krieg bin ich gesund und stark genug. Ein altes, mürbes Streitroß. Wenn die Fanfaren schmettern, richtet es sich auf und sprengt los.« Er lächelt so schmerzlich und zag, daß ihr empfängliches Herz ihm entgegenspringt.

      Sie liegt an seiner Brust. »Du – du – ich wußt es – wenn die Krone winkt – wieder ganz jung wie vor vier Jahren in Alexandrien würdest du werden. Unsere Nächte damals – unsere –«

      Sie wühlt sich an seinen Leib, schmiegt sich an ihn, sucht seine Lippen.

      »Küß mich – nimm mich –«

      Da zieht er sich in sich zurück. »Liebste, nicht jetzt«, wehrt er in milder Trauer. »Ich muß gleich fort. Letzte Vorbereitungen. Und abends bin ich bei Lepidus eingeladen.«

      Schmerzlich ernüchtert gleitet sie von seinen Knien. Streicht das Haar an beiden Seiten aus den Schläfen. Feindlich glimmen ihre Augen durch das Dunkel.

      »Geh«, faucht sie.

      Jetzt erst begreift er ihre Enttäuschung.

      »Verzeih«, bittet er schlicht. »Ich brauche in diesen Tagen meine Kraft und Besonnenheit.«

      »Geh.«

      Er überhört ihre Frechheit. »Eine geniale Frau hat noch andere Verbindung mit einem Manne, dachte ich.«

      »Genial!« höhnt sie, »genial ist man nur in der Ausführung großer Gedanken. Pläne, Ideen, Sehnsüchte haben auch kleine Weibchen. Meine geniale Ausführung bist du, und du – behandelst mich wie eine Dirne. Läßt mich um Liebe betteln – vergebens.«

      Er steht auf. Seine Augen sind kalt.

      Sie weiß, sie hat ihn grausam verwundet.

      »Nicht immer«, sagt er, »nicht immer laß ich dich vergebens – bitten. Am achtzehnten März schreite ich zur Ausführung eines Planes, der mehr ist als Erfüllung einer erotischen Laune – für dich.«

      Sie schweigt beschämt.

      »Laß das Kind kommen«, gebietet er nach einer kleinen Pause.

      Sie klatscht in die Hände, der Sklave bringt die Lampe. Die Kinderfrau den Kleinen.

      Cäsar stellt das Bübchen vor sich auf die Knie. Das Kind ist scheu und schweigt. Lange betrachtet es Cäsar. Die Ähnlichkeit mit ihm ist verblüffend. Unter den weichen Kinderzügen zeichnet sich schon der scharfgeschliffene Römerkopf des Vaters ab.

      In einer jähen wehmütigen Aufwallung küßt er es auf den Mund und gibt es der Kinderfrau zurück. Sie trägt Cäsarion hinaus.

      Kleopatra kauert niedergeschlagen, den Kopf tief gebeugt. Er blickt in der Helle der Lampe zu ihr hinüber.

      »Kopf hoch, Kind«, ermuntert er. »Was sind zwei Jahre, wenn es ein Weltkönigtum gilt!«

      Sie hört nicht auf ihn. Das Licht spiegelt sich in dem Schwarz ihres gebeugten Haares.

      »Laß mich nicht so von dir gehen«, drängt er. »Laß mich – wie immer – etwas Liebes von dir mitnehmen.«

      Sie rührt sich nicht, verstockt.

      »Sing mir eins deiner schönen ägyptischen Lieder – wie einst.«

      »Einst ist lang vorbei«, murrt sie. Steht aber doch auf, holt die Laute aus dem Winkel, stimmt und singt. Singt mit dieser Stimme, die jedes Frauen- und Männerherz bestrickt und bezaubert. Singt in den einfachen uralten Weisen des Volkes, das sie beherrscht. Ihre Züge sind angespannt und in Weiten verloren.

      Nie war sie so schön, denkt Cäsar und fühlt, wie ein undeutbares Gefühl des Abschiednehmens ihm das Herz dehnt.

      »Siehe die Häuser der Lebenden!

       Ihre Mauern zerfallen, ihre Stätte ist hin.

       Sie sind, als wären sie nie gewesen.

       Alles, was wird, muß gehen dahin.

       Die Jünglinge und Mädchen

       Schreiten ins Dunkel,

       Die Sonne steigt im Aufgang und geht nieder im

       Westen.

       Männer werben und Frauen empfangen.

       Auch die Kinder schon torkeln ins frühe Grab.

       Darum sei glücklich! Komm!

       Düfte und Räusche stehen vor dir,

       Mahublumen und Lilien lechzen

       Nach dem Nacken der Geliebten.

       Komm! Sang und Musik harrt deiner.

       Vergiß alle Sorgen, denk nur an Freude,

       Bis der Tag kommt, an dem auch du

       In das Land wanderst,

       Das Schweigen heißt.«

      Langsam haben sich die Augen des Mannes von dem still verklärten Gesicht der Königin gelöst. Sein Kopf sinkt. Er hört nur diese beglückende Stimme, die Worte der Trauer klagt.

      Doch sie sieht. Während sie singt, umtasten ihre Blicke das Gesicht, das von unten her, vom Scheine der Öllampe, sanft bestrahlt ist. Sie sieht, wie seine Züge sich lösen, wie die Maske sinkt und die blauen Schatten unter den Augen sich weh vertiefen


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