Kleopatra. Alfred Schirokauer
nebelhafte Gebilde ihres Verlangens. Sie schließt die grünen Augen – es ist, als würde die Welt dunkel, wenn das gläserne Feuer dieser Augen sich bedeckt – die langen schwarzen Wimpern reichen bis auf die ovalen Wangen herab – sie fühlt Arme um sich – eine Kraft, die sie an sich reißt und durchglüht – öffnet hastig die Lider – blinzelt in den fallenden Tag – nein – nicht sich an irgendeinen enghirnigen, hübschen Laffen vergeuden. Cäsar wird wieder stark werden, wenn er die Krone trägt. Eine magische Gewalt strömt von dem goldenen Reif aus – sie weiß das – sie kennt den Zauber des Diadems. Er ist nur übermüdet, überreizt von der Ungewißheit, zermürbt von den letzten Kriegen in Spanien und Afrika – trägt eine Welt auf den Schultern, schon jetzt, ohne den Herrentitel. –
Sie sinkt lässig im Schoße zusammen. Es ist der Frühling, der in ihrem Blute rumort. Weiter nichts. Die Müdigkeit des Lenzes und seine Sehnsucht. Es ist –
Pferdegetrappel auf der Straße reißt sie aus der wollüstigen Versunkenheit. Die Kavalkade. Cäsars Kavalkade! Sie stürmt hinaus, nicht Königin, nicht Herrin der Welt, nur Weib, nur Geliebte, nur Sehnsucht und Hoffen auf das Größte, Letzte, Allerletzte.
III.
In der Halle trifft sie mit ihm zusammen. Er kommt allein. Das Gefolge blieb im Garten. Er ist sehr blaß, gelblichweiß hebt das Gesicht sich ab von dem Purpur des Triumphatorenmantels, den er trägt. Sterbensbleich ist er, wie die Imperatorenbinde um die hohe Stirn. Unmut dunkelt in jeder der vielen tiefen Falten und Runen, die das Grandseigneurgesicht durchkerben. Doch er hält seine Züge beherrscht wie immer.
»Sei gegrüßt, Gajus.« Ihre Stimme, diese zauberhafte Stimme, die er so liebt, klirrt verräterisch.
»Tag, Liebste.« Er küßt ihre Stirn. Ihren Mund hat er lange nicht mehr geküßt.
»Was ist?!« Ihre Augen sind grüne, sprühende Fragezeichen.
»Sie haben das Diadem von dem Standbild gerissen.«
»Wer?«
»Ein Volkstribun.«
»Was hast du mit ihm gemacht?«
»Ich werde ihn seines Amtes entsetzen lassen.«
»Weiter nichts?!«
Er schüttelt den Kopf.
Sie faßt seine Hand. Sie stehen noch in der Halle. Er ist zweimal so groß wie sie.
»Warum hast du ihn nicht sofort ans Kreuz hängen lassen?« Es scheint, als wachse sie zu ihm empor.
Er lächelt müde. »Wir sind nicht in Alexandrien, mein Kind.«
»Dann mach endlich Alexandrien aus diesem Misthaufen !«
Er hebt kaum merklich abwehrend die Hand, geht voran in das Speisezimmer. Sie folgt hart hinter ihm.
An den Tisch in der Mitte des Raumes setzt er sich, eckig, krank, marode. Sie sieht, wie gipsig das Gesicht ist. Wie eine Totenmaske. Alter Mann, denkt sie bös.
Ein Sklave bringt eine große silberne Schüssel. Tücher. Er wäscht sich die großen Hände mit den langen nervösen Fingern, befeuchtet die Stirn. Sie blickt von unten her, zornig auf ihn. Er tut, als sähe er sie nicht. Doch er beobachtet aus den Augenwinkeln ihr Gesicht und freut sich wie ein Künstler an ihrem Mienenspiel.
Schön ist sie, denkt er. Ist doch die schönste Frau, die mein gewesen ist. Es ist heut viel Resignation in seinem Fühlen und Sinnen. Aber schön waren auch andere. Er trocknet langsam, bedächtig, fast pedantisch die Zwischenräume der Finger, das Spiel ihres Zornes und ihrer Verachtung zu genießen. Doch etwas hat sie, was keine andere besitzt. Etwas Einziges, nie Gewesenes, vielleicht nie Wiederkehrendes. Das lebendigste Gesicht hat sie, das je eine Frau besessen hat, eine bebende Lebendigkeit um Mund und Nase und Schläfen, eine vibrierende Heftigkeit, eine Wandlungsfähigkeit ohnegleichen, oft ohne Übergang. Das ist das Lockende an ihr, diese ewige Gespanntheit, die spannt, diese atemlose Gegenwart, die aufpeitscht, diese zitternde Leidenschaft, die mitreißt. Das lebendigste Gesicht, das je ein Mensch dem Dasein geboten hat. Das Seltsamste sind die Augen. Weltwunder, wie der Leuchtturm ihrer Königsstadt – Pharus ihres Gemütes.
So sinnt er und reicht langsam dem Diener das Tuch.
Sie steht noch, gießt ihm Wein ein. Stets bedient sie ihn selbst. Er dankt, trinkt saugend, der edle Massiker labt ihn nach dem langen Ritte. Er blickt in den Kelch. Sie schweigt erbittert. Da sagt er zögernd:
»Übrigens Misthaufen –« er leckt mit belegter Zunge die Lippen – »Alexandria ist schöner, auch hygienischer. Sicher. Das ist der Vorzug neuer, planmäßig angelegter Städte, die hingestellt, nicht naturgewachsen sind. Rom ist Rom!«
Er stellt den Pokal auf den Tisch, daß es knallt. Beim Klang seiner Stimme, die sehr tief ist und rein, wunderbar beherrscht und kultiviert, schwindet der Groll aus dem länglichen schmalen Oval ihres Gesichts. Leidenschaft flammt auf. »Gajus, was schert mich Rom und Alexandrien als Stadt in diesem Augenblick! Sei nicht so abgeklärt. Du marterst mich. Erzähl, wie es war!«
Sie steht ganz dicht bei ihm, lehnt an seine Knie. Er wischt mit der gehöhlten Hand über Stirn und Gesicht.
»Ein Fehlschlag. Als ich auf das Forum kam, war die Säule noch umkrönt. Einige jubelten mir zu. Riefen: »Heil dem König.« Meist bezahlte Subjekte. Aber die andern schwiegen dumpf. Ich fühlte sofort das Fiasko. Da riß Marullus, der Volkstribun, das Diadem von der Säule. Laut klatschte alles Beifall. Ich stand mit meinem Pferde nun mitten in der Menge. Riß die Toga auf, bot dem Volke meinen Hals und rief: »Stoße zu, wer will.« Er lacht leise auf. »Da wichen alle zurück.«
Er schweigt, lehnt sich im Sessel zurück, im Gedenken der Szene versunken.
Sie tritt von ihm fort, setzt sich ihm gegenüber. Die frühe Dämmerung der Märzmitte steht in dem Zimmer. Aus dem Halbdunkel glänzt wächsern seine Stirn. Wie ein flackerndes Irrlicht leuchtet ihr Gesicht.
»Was nun?« stößt sie endlich zwischen den Zähnen hervor. Sie schießt die Worte gegen ihn ab. »Was nun?!«
Er sitzt ohne Bewegung. Seine blassen Lippen formen die Antwort: »Warten, mein Kind.«
Sie schnellt von dem Sessel auf. »Warten!« Gemartert wirbelt sie sich um ihre Achse und stampft ungebärdig mit dem Fuße das Mosaik des Bodens. »Wie lange noch warten! Seit zwei Jahren sitz' ich hier in Rom, vernachlässige mein Reich und warte. Ich halte es nicht mehr aus. Ich ersticke in diesen engen Wänden.«
»Ich bedauere, daß ich dir hier keinen alexandrinischen Königspalast bieten kann.«
Sie überhört seinen Spott.
»Warten! Warten! Immer nur warten. Und das Leben vergeht!!«
»Du hast mehr Zeit zu warten, als ich«, sagt er sanft.
»Aber weniger Geduld.«
»Leider.«
Da ist sie wieder bei ihm, packt ihn mit den kräftigen Kinderfäusten an beiden Schultern, schüttelt ihn und weint vor Zorn und Enttäuschung hervor: »Quäl' mich nicht so unmenschlich! Leg' endlich diesen Panzer erhabener Lebensweisheit ab. Laß mir gegenüber doch diese glatte diplomatische Hülle fallen. Ich kenne die Feuer, die in dir brennen. Gajus, sprich mit mir, wie