Reise Know-How Reiseführer Marokko. Erika Därr
Saada
Neben dem Attarine-Suq und östlich der Kissaria liegt das größte Heiligtum der Stadt, die Zaouia des Moulay Idris II., das Mausoleum des Stadtgründers. Die Zaouia ist Grabmal und Wallfahrtsort und zugleich Zufluchtsstätte für verfolgte Gesetzesbrecher. Nichtgläubige haben keinen Zutritt, man kann aber durch den Eingang einen kurzen Blick nach Innen werfen. Das grüne Dach der Zaouia erkennt bei einem Blick über die Stadt (z.B. vom Borj Sud) schon von Weitem. Hinter dem Fraueneingang befindet sich in einer kachelverzierten Wand eine sternförmige Kupferplatte mit einem Loch, in das die Gläubigen im Vorbeigehen die Finger stecken, um dadurch baraka (Lebenskraft und göttlichen Segen) zu erlangen. Im September findet hier ein großer Moussem (Mausim) statt. Alle Handwerkerzünfte kommen zusammen, um kostbare Spenden und Opfer zu bringen und ein Fest zu Ehren des Heiligen zu feiern. Rund um die Zaouia werden bunte lange Kerzen, alle möglichen anderen Devotionalien und leckerer Nougat, Datteln und Nüsse verkauft.
Südlich der Kissaria befindet sich der Place Chemmaine, wo Händler Kerzen, Datteln und Trockenfrüchte verkaufen. Der dreigeschossige Funduq Chemmaine (13. Jh.) war jahrzehntelang dem Verfall preisgegeben und ist seit 2018 komplett renoviert. In der (bisher noch wenig belebten) historischen Karawanserai sollen sich in Zukunft Handwerksbetriebe und Cafés ansiedeln. Von der Dachterrasse bietet sich ein toller Ausblick auf das heilige Viertel und das Minarett der Karaouyine.
Das wichtigste Bauwerk in Fès, auf der Ostseite der Kissaria gelegen, ist die Karaouyine-Moschee, die inzwischen nur noch zwei Fakultäten der im 9. Jh. gegründeten Universität beherbergt und bis zum Bau der Moschee Hassan II. in Casablanca die größte Moschee im Maghreb war. Sie fasst 20.000 Gläubige auf einer Fläche von 16.000 m2. Die Gebetshalle wird von 270 Säulen getragen, 14 Tore führen in ihr Inneres. Sie ist in der typisch maurischen Architektur mit Hufeisenbögen, schlanken Stützsäulen, Stalaktiten-Deckengewölben, geschnitzten Ornamenten, Majolikaböden und kunstvoller Ausstattung gebaut. Dem Hochschulstudium an der Karaouyine (Theologie und islamisches Recht), das oft 10 bis 15 Jahre dauert, geht ein mehrjähriger Besuch der Koranschule voraus, in der die Jungen Lesen, Schreiben und Rechnen und natürlich die Lehren des Koran beigebracht bekommen. Der Universitätsbetrieb findet aber heute hauptsächlich in neuen Gebäuden außerhalb von Fès statt. Der berühmteste hiesige Gelehrte war Ibn Khaldoun (1332–1406) mit seinem Hauptwerk „Muqqaddima“ – er gilt als der größte Historiker des Islam. Die Karaouyine-Moschee wurde in den letzten Jahren innen und außen aufwendig renoviert. Man kann sie einmal umrunden und einen Blick durch das Eingangsportal ins prachtvolle Innere werfen (Zutritt nur für Muslime).
Die benachbarte Medersa Attarine (1323–1325 vom Meriniden-Sultan Abou Said errichtet) zählt zu den schönsten Koranschulen in Fès. Hier bewundert man almohadisches Dekor mit Mosaiken, Stuckornamenten und Zedernholzarbeiten in kunsthandwerklicher Perfektion (war 2019 wegen Renovierung geschlossen).
Weiter von der Medersa Attarine erreicht man die Medersa Misbahiya, eine Koranschule, die 1331 unter der Regentschaft von Sultan Abu el Hassan el Merini erbaut wurde und teilweise zerstört ist. Kurz nach der Medersa bietet sich ein Blick in den schönen alten Funduq Tattawine nahe der Karaouyine-Moschee.
Läuft man von der Karaouyine nordwärts in Richtung Bab Guissa (nördliches Stadttor), kommt man am hübschen Place Sagha mit alten Platanen vorbei. Hier befindet sich der Funduq Sagha aus der ersten Hälfte des 18. Jh. mit prächtigem Eingangsportal. Das sehenswerte Innere wurde vor wenigen Jahren renoviert. Nördlich der Karaouyine lohnt sich auch ein Blick auf die Zaouia Sidi Ahmed Tijani. Tijani war im 18. Jh. der Gründer des gleichnamigen Ordens, einer Sufi-Bruderschaft. Seine mystischen Lehren sind heute vor allem in Westafrika verbreitet. Die renovierte Fassade ist ein echter Hingucker mit unglaublich filigranen Stuckornamenten und Zedernholzschnitzereien.
Südlich der Karaouyine liegt eine weitere bedeutende Koranschule, die Medersa Cherratine, die größte der Koranschulen, die von der Zaouia des Moulay Idris in Richtung Karaouyine über die rechte Seitenstraße in Richtung Messingschmiede erreichbar ist. Teilweise renoviert, ist die Medersa sehr sehenswert, doch viele Mosaike, Stuck- und Zedernholzarbeiten sind immer noch recht stark verwittert (Eintritt: 20 DH, tägl. 8.30 und 17 Uhr).
Hinter der Karaouyine in Richtung Gerberviertel liegt die Medersa Seffarine aus der Merinidenzeit (gegründet von Abou Youssef Yakoub Ende des 13. Jh.). In der Medersa leben und lernen immer noch 100 Theologiestudenten in winzigen Kammern. Eine Besichtigung ist wegen des laufenden Betriebs meist nicht möglich. Auf dem Place Seffarine (N 34°03,857’, W 04°58,355’) fertigen die Kesselmacher und -flicker mit lautem Gehämmer riesige Bottiche und Kupferkessel, die in erster Linie bei großen Festen und Hochzeiten Verwendung finden. Lokale Berühmtheit erlangte der Kupferschmied Hamid Felah, der seine Künste sogar einmal auf der Internationalen Handwerksmesse in München zeigen durfte (Werkstatt mit Süddeutsche-Zeitung-Artikel an der Tür). Am Platz weist eine kleine Tafel auf das Eingangsportal zur Bibliothek Karaouyine (gegründet im 14. Jh.) hin: Dort lagern 30.000 jahrhundertealte Schriften, darunter auch Manuskripte von Ibn Khaldoun.
Das Wollfärberviertel nahe dem Seffarine-Platz ist etwas kleiner als dasjenige in Marrakesch. Gefärbte Tücher und bunte Wollbündel hängen dekorativ über den Gassen und neben den Verkaufsläden.
Im Viertel Sidi Moussa, nahe der Gerberei Moussa (s.u.), versteckt sich das Privatmuseum Musée Belghazi in einem alten Stadtpalais (Riad) mit prachtvollem Innenhof. Der Weg durch mehrere enge Gassen ist von der Talaa Seghira bzw. Kebira und vom Place Seffarine ausgeschildert, aber trotzdem nicht einfach zu finden. Hier werden Kunsthandwerk und kostbare marokkanische Antiquitäten ausgestellt (tägl. 9–18 Uhr, Eintritt: 40 DH, Tel. 0535 74 11 78). Von der Dachterrasse bietet sich ein herrlicher Blick, auf Vorbestellung gibt es auch Essen.
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Ein Besuch bei den Gerbern gehört zu einer Stadtführung dazu
Höhepunkt der Fès-Stadtführungen ist ein Besuch bei den Gerbern. Hier werden in schwerer Handarbeit Leder und Felle gegerbt und gefärbt. Zuerst müssen die Felle enthaart, gereinigt und dann gekalkt werden. Danach folgt das Beizen und eine erneute Reinigung. Es gibt Betonbottiche, die zum Kalken verwendet werden, und andere, in denen die Felle gefärbt werden. Anschließend legen die Gerber die Felle zum Trocknen aus. Lederwaren aus Fès wurden wegen ihrer guten Qualität schon im 12. Jh. bis nach Bagdad transportiert. Wegen des Gestanks der Gerb- und Beiztröge und des hohen Wasserbedarfs liegen die noch bestehenden Viertel alle an der Westseite des Oued Fès.
Sidi Moussa im Viertel Guerniz ist das älteste Gerberviertel von Fès – hier arbeiteten die Gerber schon im Mittelalter, und an der Arbeitstechnik (Enthaaren, Gerben, Färben der Felle) scheint sich nicht viel geändert zu haben. Ausblick auf den Gerberhof hat man z.B. von der Terrasse eines Shops direkt links neben dem Eingang zum Nejjarine-Museum (vgl. oben). Das größte und bekannteste Gerberviertel ist Chouwara (sprich: Schuwara, N 34°03,955’, W 04°58,277’) direkt am Oued Fès (Oued Bou Khrareb) nördlich des Medina-Zentrums zwischen Karaouyine und dem Fluss. Von den hohen Terrassen der umliegenden Lederwarenläden eröffnet sich ein guter Blick in die Gerberhöfe (Besichtigung von unten nicht mehr möglich). Besucher mit empfindlicher Nase bekommen ein Minzblatt gereicht … Für den Service wird ein Trinkgeld erwartet, bzw. man freut sich, wenn mal jemand etwas kauft. Beide Gerberviertel wurden in den letzten Jahren komplett renoviert. Die Felle können nun auch innen getrocknet werden, die Gebäude der Gerber sind beheizt und es gibt Duschen. Die Gerbarbeit ist zwar immer noch ein Knochenjob, die (meist jungen) Männer verdienen jedoch weit überdurchschnittlich, zudem erhalten sie von den umliegenden Lederläden eine Art Provision für die von ihnen geschossenen Touristenfotos. Die Läden müssen das entsprechend mit Verkäufen wieder erwirtschaften …
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