Hotline of Love. Mia Brown

Hotline of Love - Mia Brown


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Nöten, die mich in diesem Moment herzlich wenig interessierten, weil mich mein eigenes Schicksal beschäftigte. Die schmalen Absätze meiner High Heels knallten auf die gepflasterte Straße, trommelten einen Stakkato in den heißen Junitag, der meiner Wut den nötigen Drive verlieh. Mit einer heftigen Bewegung wischte ich eine feuchte Haarsträhne aus meiner Stirn, versuchte meine bebenden Hände unter Kontrolle zu bekommen, meinen keuchenden Atem, der meine Brust hob und senkte und mich zwang, vor einem der Schaufenster in der Fulton Street, der belebten Einkaufsmeile Downtown Brooklyns, innezuhalten. Herrgott Louisa. Nun beruhige dich endlich. Erledigt. Abgehakt das Kapitel Bob Silverman. Aufgestanden, Krone gerichtet und den Blick voraus gelenkt, verdammt!

      Schnaufend ließ ich meinen Blick über die modernen Taschen in der Auslage gleiten, über den glitzernden Schmuck, die eigens drapierten Hüte, Schuhe, Gürtel, bunten Tücher, bis ich das Spiegelbild der dunkelhaarigen Frau in dem sonnendurchfluteten Glas erfasste. Hallo? Gleichgültig starrte ich zurück. War ich das? Diese große schlanke Frau in dem eleganten Dress, die wie eine Angestellte der American Airlines wirken würde, wäre ihr Gesichtsausdruck weniger verbissen? Deren dunkle Augen wütend funkelten, nachdem sie vor wenigen Minuten von ihrem Ehemann geschieden worden war? Ich streckte meinem Spiegelbild die Zunge heraus und begrüßte das rebellische Grinsen, das urplötzlich über mein Gesicht glitt, wie einen Freund. Männer? Never ever! Ein tiefes Frohlocken stieg meine Kehle hinauf, als ich meinem Konterfei zuzwinkerte und meine Schultern straffte. Perfekt, Lou! Du wirst dir und der Welt beweisen, dass ein Leben ohne Kerle möglich ist. Ich nickte entschlossen Richtung Schaufensterscheibe. Meine Zukunft würde mir gehören, mir und meinem kleinen Taylor. Was nützte mir ein Kerl mit dem Ego eines aufgeblasenen Ochsenfrosches? Ein Besserwisser und Rudelführer, der seinen Hang zur Polygamie immer weniger vor mir verborgen hatte. Alles bestens, mach dir keine Gedanken, beruhigte ich mich innerlich, wobei ich dem kleinen Zweifelteufel, der fast gleichzeitig zu einem hastigen Sprung in meinen Verstand ansetzen wollte, einen gekonnten Schwinger versetzte. Diesen Moment ließ ich mir von niemandem zerstören. Dafür fühlte er sich viel zu wundervoll an.

      Ich atmete tief durch, inhalierte die frühsommerliche Luft, die glühend heiß über den trockenen Asphalt flimmerte, über vorbeiflitzende Autos strich und erneut Schweißtropfen auf meine Stirn trieb. Mit einer schnellen Bewegung streifte ich meine Kostümjacke von den Schultern und ließ sie über die Umhängetasche fallen. Schluss mit dem förmlichen Dress. Ich öffnete die oberen Knöpfe meiner Bluse und blickte prüfend auf den zarten Stoff, der meine Oberweite umspannte. Hey, Louisa! Schon viel besser! Genauso wollte ich mein neues Leben beginnen. Ungezwungen, lässig, ohne männliche Regeln oder diverse Liebschaften, die zum Leben meines Exmannes wie die Luft zum Atmen gehörten und ein Gefühl absoluter Unzulänglichkeit in mein Gehirn gepflanzt hatten. Jetzt wollte ich endlich unabhängig sein und mich wegen eines kleinlichen finanziellen Budgets meines Ex weder gedemütigt noch gebunden fühlen. Gleich morgen wollte ich auf Jobsuche gehen. Irgendetwas würde sich schon für mich finden. Leider hatte ich meine Ausbildung zur Fotografin abgebrochen, als ich Bob kennenlernte. Eine Zukunft mit ihm erschien mir damals wie ein Lottogewinn. Geborgenheit, Wohlstand und finanzielle Sicherheit bei einem gestandenen Mann zu finden, waren Träume eines jungen Mädchens, das der lieblosen Umgebung seines Elternhauses entkommen wollte. Woher hätte ich ahnen sollen, dass sich mein Entschluss als Riesenfehler entpuppen würde? Vor meiner Ehe war ich einige Zeit als gut gebuchtes Model tätig gewesen. Konnte ich darauf zurückgreifen und noch immer auf mein Aussehen setzen?

      Möglichst unauffällig drehte ich mich vor dem Schaufenster und begutachtete meine Silhouette. Trotz meiner fünfundzwanzig Jahre und der Geburt eines wundervollen Jungen vor vier Jahren war meine Figur okay. Immerhin verfügte ich über Erfahrungen als Unterwäschemodel, ein Vorteil im Business, der mir jetzt eventuell zugute kommen konnte. Ich sollte meine Jobsuche mit einem Anruf bei Kurt Logan beginnen. Mein ehemaliger Manager würde wissen, welche Chancen ich überhaupt noch in der Branche hatte. Außerdem hatte er früher eine Schwäche für mich gehabt, weil ich genau den dunkelhaarigen Frauentyp verkörperte, den er bevorzugte. Selbstverständlich war ich kein graziles scheues Reh mehr, keine ahnungslose Schöne, die bei jedem Kompliment errötete. Ich betrachtete mein Spiegelbild und sah eine junge Frau, deren sanfte Rundungen die Reife ihrer Figur betonten. Kategorie schlank und ansehnlich, wie ich fand. Ich neigte den Kopf und ließ meine dunklen Haare mit einem verträumten Lächeln über die Schultern fallen. Dunkle Augen blickten mich an. Eine Pose, die Kurt mehr als einmal in Begeisterung versetzt hatte und die ich noch immer beherrschte, wie ich grinsend befand. Trotzdem gab es zwischen dem wesentlich älteren Mann und mir nie etwas, das über eine berufliche Verbindung hinausging.

      Kurt Logan war ein gestandener, verheirateter Mann, als wir uns begegneten. Und ich hatte gerade meinen Highschoolabschluss in der Tasche, als er mich auf der Straße ansprach und mir einen Job als Unterwäschemodel in Aussicht stellte. Eine Wahnsinnschance, endlich aus der Enge meines Elternhauses auszubrechen. Einem Zuhause, das ich ohnehin nur bis zu meinem zehnten Geburtstag als solches bezeichnete. Schuld daran war Olivia, unsere Haushälterin, die nach dem Krebstod meiner Mom zu uns kam, das Zepter an sich riss und meinen trauernden Dad mit Erfolg umgarnte. Was wusste ich schon von Liebe oder sexueller Lust, die Männer und Frauen magisch anzog? Ich war ein Kind und ich hasste diese Person mit der Enttäuschung eines kleinen Mädchens, das mit ansehen musste, wie sich das liebevolle Verhalten ihres Dads in Gleichgültigkeit verwandelte und den zehn Jahre älteren Bruder aus dem Haus trieb.

      Als mir Kurt nach einigen vielversprechenden Aufträgen eine kleine Wohnung im Herzen East New Yorks besorgte, einer fürchterlichen Gegend, an die ich mich nur ungern erinnere, schien mein Glück trotzdem vorerst perfekt. Ich verdiente gut und konnte endlich mein Leben genießen, oder das, was ich irrtümlicherweise dafür hielt. Heute weiß ich, dass berufliche Erfüllung nur die eine Seite der Medaille ist, trostlos und eintönig sein kann, wenn die Liebe zu dem, was dich als Mensch ausmacht, fehlt. Liebe und Zärtlichkeit war etwas, das ich seit dem Tod meiner geliebten Mom schmerzlich vermisste, eine wunderschöne Erinnerung wie eine Blume, die in meinem Herzen schlummerte und darauf wartete, zum Blühen gebracht zu werden.

      Es war der dreizehnte Mai, ein herrlicher Tag im Frühling und ich hatte gerade meinen neunzehnten Geburtstag gefeiert, als Kurt für seine Agentur, zu deren Team ich seit Kurzem gehörte, einen wirklich lukrativen Auftrag an Land zog. Uns erwartete eine Unterwäschedemonstration vor einem Klientel, das aus betuchten, zahlungskräftigen Geschäftsleuten bestand, die nicht nur Ablenkung vom Alltagsstress suchten, sondern gleichzeitig in New Yorks Metropole exquisite Damengarderobe für ihre Lieben einkaufen wollten. Wie von Kurt vorausgesehen, waren die Herren sehr interessiert, das Geschäft lief ausgezeichnet und unsere Stimmung war dementsprechend aufgeräumt, als wir nach der Show in der Garderobe auf unseren erfolgreichen Manager warteten. Ich erinnere mich noch, wie Kurt die Tür aufstieß, ein riesiger Rosenstrauß in den Raum geschoben wurde, der seinen Träger, bis auf zwei in teures Tuch gehüllte Beine, komplett verdeckte. Selbstverständlich zog diese bühnenreife Show alle Blicke auf sich. Okay, ich erinnere mich an den Anblick, weil er einfach urkomisch war. Alle Mädchen kicherten los und benahmen sich wie pubertierende Teenager, die ihre Lachsalven kaum unter Kontrolle bringen konnten. Mich selbstverständlich eingeschlossen. Das änderte sich schlagartig, als der Überbringer dieses gewaltigen Blumenarrangements sichtbar wurde, lächelnd auf mich zukam und mich mit überschwänglichen Komplimenten zum Abendessen einlud. Aus dem Gelächter der Umstehenden wurde neidvolles Geraune. Ich suhlte mich regelrecht in der Bewunderung dieses Mannes und sagte überrascht und geschmeichelt zu. Allein Bobs Anblick schien die erotischen Fantasien meiner Kolleginnen geradezu heraus zu kitzeln. Mit glühenden Wangen und blitzenden Augen flirteten sie mit ihm, versuchten mit allen weiblichen Tricks seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Vergebens. Bob hatte nur Augen für mich. Dabei teilte ich anfänglich die allgemeine Bewunderung für ihn kaum.

      Natürlich war ich neugierig auf das, was meine Kolleginnen von ihrem ersten Sex mit einem Typen berichteten, aber ich wollte das auf keinen Fall bei einem One Night Stand herausfinden. Meine Vorstellung von der Zukunft sah vollkommen anders aus. Mir schwebte die große Liebe vor, Leidenschaft, Treue, Blümchensex in vollendeter Harmonie. Herrje war ich naiv! Heute kann ich darüber nur lachen, über mich, meine grenzenlose Blindheit und über Bobs raffiniertes Auftreten. Er schien zu ahnen, dass meine Vorstellungen von der Liebe rein theoretischer Natur waren. Für Bob Silverman


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