Hotline of Love. Mia Brown
Oberschenkel zitterten, als ich in seine Haare griff und ihn auf mich zog. Unsere Lippen fanden sich zu einem wilden, hemmungslosen Kuss. Dann löste er sich von mir, öffnete die Schublade seines Nachttischchens, zog ein Kondom hervor und streifte es über seine beachtliche Erektion. Mit einem Ruck drang Bob in mich ein, betäubte den kurzen Schmerz mit zärtlich gemurmelten Worten an meinem Ohr und festen Stößen, die ihn sanft aber fordernd tiefer in mich gleiten ließen. Ich folgte seinem Rhythmus, spürte seine Zunge auf meinen Brüsten, seinen heißen Atem auf meinem Körper und das betörende Reiben seines Gliedes in meiner feuchten Scheide. Ich keuchte auf, als sich meine Vagina plötzlich um ihn krampfte, eine Gänsehaut meinen Rücken erfasste und mich der erste Orgasmus meines Lebens mit voller Wucht erfasste, bevor meine Muskeln erschlafften.
»Hey Baby, du hast gerade Spaß, oder?« Ein junger Mann mit einem Skater unter den Füßen flitzte grinsend an mir vorbei, bedachte mich mit einer obszönen Geste seiner Finger und katapultierte mich unvermittelt zurück in die Gegenwart. Erschrocken blickte ich ihm nach. Konnte er hellsehen oder stand der Wunsch – bitte vögel mich wie Bob Silverman – bereits auf meiner Stirn geschrieben? Mein Spiegelbild lächelte entspannt zurück. Na wenn schon. Irgendetwas Gutes blieb aus jeder gescheiterten Ehe zurück. Da waren Erinnerungen an wundervollen Sex mit meinem Exmann bestimmt das kleinste Übel.
Mit einem kurzen Blick auf meine Armbanduhr vergewisserte ich mich, dass Taylor erst in zwei Stunden aus dem Kindergarten abgeholt werden musste. Perfektes Timing. Ich zog mein Handy aus der Tasche und drückte auf Hanna McCorts eingespeicherte Telefonnummer. »Hi, Hanna. Es ist vollbracht. Bleibt es bei unserem Treffen in dreißig Minuten? Okay, Süße. Ich freue mich auf dich. Ja, ja. Champagner und schön kalt, wenn ich bitten darf. Immerhin feiern wir heute meinen privaten Independence Day. Bis gleich.«
Schmunzelnd ließ ich das Handy zurück in die Tasche gleiten. Feiern war das Stichwort. Und Belohnen das Pendant. Mit einem Blick auf die wundervollen Taschen in der Schaufensterauslage drückte ich die Tür des noblen Ladens auf und betrat den herrlich klimatisierten Verkaufsraum.
2 – Hanna McCourt
An der Bedford Ave verließ ich die Subway, stöckelte die Treppe hinauf und lenkte meine Schritte zielsicher in die 7th Street. Nein, es wunderte mich nicht, dass Hanna ausgerechnet den kleinen, fast unscheinbaren Italiener in dieser Straße für unser Date ausgewählt hatte. Wir kannten uns seit mehr als vier Jahren, da blieb nichts unentdeckt. Ich blickte auf die Tüte in meiner Hand und schmunzelte in mich hinein. Wir mochten uns beide sehr, aber unsere Vorlieben für die schönen Dinge im Leben konnten unterschiedlicher kaum sein. Während Hanna für gutes Essen alles stehen und liegen ließ, passierte mir das Gleiche höchstens beim Shoppen oder wenn es meinen geliebten Taylor betraf. Selbst unser Musikgeschmack driftete in verschiedene Richtungen. Hanna ließ nichts unversucht, um ja keinen der angesagten Rockevents zu verpassen. Ich hingegen bevorzugte die gediegene Atmosphäre großer Opernhäuser, die sanften Töne klassischer Musik. Trotzdem gab es etwas, was wir beide teilten. Eine Leidenschaft, die alles andere zweitrangig werden ließ – die Liebe zu unseren Kindern.
»Wir benehmen uns wie Glucken«, hatte mir die etwa gleichaltrige, hübsche Kursteilnehmerin mit den strahlend blauen Augen und den rotblonden krausen Haaren kichernd zugeflüstert, als wir uns das erste Mal in der Krabbelgruppe unserer Kinder begegneten. Sie hatte meinen besorgten Blick, mit dem ich die Schwimmübungen meines einjährigen Taylors begleitete, aufgefangen, und sich gurrend dem beschmutzten Po ihrer Tochter Lynn gewidmet. Ein Kind, das sie im Zustand der absoluten Bewusstseinsstörung von dem größten Chaoten Williamburgs empfangen hatte, wie sie mir wenige Monate später lachend gestand. Dieser »Chaot« entpuppte sich im Laufe unserer Freundschaft als durchaus angesagter Maler in der Kunstszene, der in unregelmäßigen Abständen Hannas Konto um eine erkleckliche Summe Alimente bereicherte. Im Gegenzug erwartete er weder an seine unzulänglichen Verhütungspraktiken, noch an das unerwünschte Produkt daraus erinnert zu werden. Zu meinem Erstaunen war Hanna mit diesem Arrangement durchaus zufrieden. Sie hielt die Füße still, besorgte sich einen kleinen Job bei McDonalds, um die zahlungsfreien Monate ihres Exlovers zu überbrücken und widmete sich in den vergangenen fünf Jahren liebevoll der Betreuung ihrer Tochter Lynn. Sie wollte auf keinen Fall die Fehler ihrer Mom und Granny wiederholen, wie sie mir versicherte. Eine Vergangenheit, von der ich lange Zeit nichts ahnte, weil sie nie ein Wort darüber verlor. Das änderte sich eines Tages.
»Stimmt es, dass unser Schicksal aus einem Kreis besteht, dem wir nicht entkommen können? Dass unser Leben in einem Laufrad vorangetrieben wird und niemand die Möglichkeit hat auszusteigen, selbst wenn er es möchte?«, hatte mich Hanna bei einem unserer Tagesausflüge in den Prospect Park gefragt, erst unsere zweijährigen Kinder, dann mich nachdenklich gemustert und sich unschlüssig die Locken aus der Stirn gestrichen. Sie lehnte an einer der großen Rotbuchen, die wir als geeigneten Platz für unser Picknick auserkoren hatten und war ungewöhnlich ernst. Der Wind fuhr in die Kronen der Bäume, beugte die Zweige und tauchte Hannas Silhouette in ein rötliches Farbenmeer aus Licht und Schatten. Schatten, die trotz des schmalen Lächelns auf ihrem Gesicht nicht verschwanden, während sie ihren Blick mit meinem verband. Ich spürte, dass sie etwas bedrückte, eine Last, die sie mit sich herumtrug und die sie im Begriff war, mit mir zu teilen. Trotz eines mulmigen Gefühls in meiner Magengegend und der ahnungsvollen Stille in der wir nach ihren Worten verharrten, nickte ich ihr aufmunternd zu.
»Manchmal frage ich mich, was aus Lynn werden soll, wenn die Aussage meiner Granny mindestens einen Funken Wahrheit enthält«, fuhr sie leise fort. »Gran hat behauptet, dass es die Gene sind, die unser Schicksal bestimmen. Irgendwelche verdammten Anlagen, die wir im Blut haben, ob sie uns gefallen oder nicht. Denen wir verdanken, was und wer wir sind, die uns manipulieren und verbiegen wie willenloses Wachs. Wenn das stimmt, Lou, und Granny Recht hat, warum zum Geier reiß ich mir dann den Arsch auf? Kann ich überhaupt irgendetwas tun, um Lynn vor einem ähnlichen Schicksal wie dem meiner Grandma, meiner Mom oder meinem zu bewahren?« Verzweiflung lag in ihrer Stimme, in den Augen, die ihr helles Blau verloren hatten und einen dunklen Schmerz ahnen ließen, den ich nicht verstand. Erschrocken über diesen Ausbruch fuhr ich auf. Bislang kannte ich Hanna unbeschwert und sorglos. Diese Trauer passte nicht zu meiner kleinen Hexe, wie ich sie liebevoll nannte. Mit beiden Händen zog ich sie zu mir hinunter auf die Decke und nahm sie fest in den Arm.
»Was ist los, Hanna? Dieses Gerede über Gene und Veranlagung? Was soll das? Du bist Lynns Mom und wirst nicht zulassen, dass ihr etwas Schlimmes zustößt. Natürlich erben wir nicht nur die guten Anlagen von unseren Vorfahren. Stimmt schon. Aber was wir letztendlich aus dem, was uns in den Schoß gelegt wird, machen, das bestimmen wir ganz allein.«
Ich wiegte sie sanft hin und her und langsam entspannte sie sich, bevor sie von den Frauen in ihrer Familie erzählte. »Meine Grandma war eine lebenslustige, irische Lady aus gutem Haus und mit einem kleinen Vermögen auf der hohen Kante«, begann sie leise. »Irgendwann in den sechziger Jahren bereiste sie New York, verliebte sich unsterblich in den Bandleader einer drittklassigen Truppe, wurde von ihm schwanger und blieb. Klar, dass der Typ Grannys Geld mit vollen Händen ausgab, regelrecht verschleuderte, bis kein einziger Dollar auf ihrem Konto übrig blieb. Und klar auch, dass er sofort das Weite suchte, nachdem er das erkannte. Manchmal frage ich mich, ob ihr Leben anders verlaufen wäre, wenn sie einen Blick in die Zukunft hätte werfen können? Wer weiß das schon, Lou. Meine Grandma war eine Kämpferin, die trotz der miesen Umstände niemals aufgab. Sie versuchte das Beste aus ihrem Leben zu machen, brachte meine Mom auf die Welt und packte die Gelegenheit beim Schopf, als sich ein älterer, vermögender Industrieller für sie interessierte und sie tatsächlich heiratete. Wahrscheinlich begann die Ehe für Granny nicht mit der großen Liebe, aber als gebranntes Kind lernte sie das unbeschwerte Leben an der Seite dieses ruhigen Mannes schätzen. Als er zehn Jahre später starb und Grandma seinen Tod aufrichtig betrauerte, war aus dieser Verbindung längst aufrichtige Zuneigung geworden. Er hinterließ sie gut versorgt. Ihr und ihrer Tochter, meiner Mom, fehlte es an nichts. Meine Oma verwöhnte sie nach allen Regeln der Kunst. Vielleicht einen Tick zu viel?« Hanna zog die Schultern hoch und schob die Unterlippe vor. »Jedenfalls war meine Mom noch minderjährig, als sie behütet und wahrscheinlich