Hotline of Love. Mia Brown

Hotline of Love - Mia Brown


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gerührt das Besteck ergriff und ihre Pizza regelrecht zerfleischte. Dann nahm sie einen Bissen, verdrehte die Augen, seufzte beglückt und nickte mir zu. »Okay, lass uns die Henkersmahlzeit genießen, jetzt hast du eh alles Geld verprasst. Ich hoffe nur, du musst zukünftig nicht mit dem Klingelbeutel vor dem Kaufhaus stehen.«

      Sie grinste mich übermütig an und ich erwiderte ihren Blick, zufrieden, weil sie zurück war, meine fröhliche, unbekümmerte Hanna. Für einige Minuten waren die gemurmelten Gespräche an den Nebentischen, die vorbeifahrenden Fahrzeuge und das behagliche Schmatzen meiner liebsten Freundin die einzigen Geräusche, die unser Schweigen begleiteten.

      »Wenn ich dich richtig verstanden habe, würde es gegen einen sofortigen Auszug bei deinem Ex keinen Grund geben, vorausgesetzt, du findest eine günstige Wohngelegenheit für Taylor und dich?«, nahm sie das Gespräch wieder auf und blickte von ihrem leeren Teller auf. Hilflos hob ich die Schultern. »Natürlich, nichts lieber als das. Du glaubst gar nicht wie zuwider mir alles in der Wohnung ist. Selbst die Möbel kann ich nicht mehr sehen, unser Bett, das mich nicht nur an unser erstes Mal erinnert, sondern daran, dass Bob wer weiß wen darin gevögelt hat, während ich mit Taylor in unserem Sommerhaus weilte. Ekelhaft, echt. Nur momentan kann ich mir keine andere Wohnung leisten. Der Unterhalt für den Kleinen ist gering und einen Job hab ich leider auch …«

      »Aber das hat alles noch Zeit«, fiel mir Hanna zappelnd ins Wort und platzte mit einem Vorschlag heraus, der mir vor freudiger Überraschung die Sprache verschlug. »Du kannst mit dem Jungen sofort bei mir einziehen, wenn du willst. Sechs Zimmer sind eh zu viel für Lynn und mich, seit Granny …« Sie seufzte und hob die Schultern. »Lediglich das Bad und die Küche müssten wir uns teilen. Und die Terrasse, eine herrlich grüne Insel inmitten der Häuser. Drei Zimmer für jede von uns, die dich, bis auf die Hälfte der Betriebskosten, keinen Cent ärmer machen würden. Was sagst du dazu?«

      »Mietfrei? Meine Güte Hanna – liebend gern – aber die Unkosten – ich muss sie bezahlen können.« Stotternd nickte ich und spürte die Tränen, die mir in die Augen schossen. Der Tag schaffte mich langsam. Gefüllt mit Emotionen, die sich die Klinke in die Hand gaben und uns beide in einen Brei aus Rührseligkeit ersticken wollten.

      »Also, ja? Abgemacht!« Hanna strahlte mich an.

      »Abgemacht«, erwiderte ich leise. Dann winkte ich den Kellner an unseren Tisch. Seine Miene schien eingefroren, als sein Blick meinen kreuzte. Ich lächelte amüsiert. »Bitte bringen Sie uns jetzt den Champagner«, sagte ich so weich wie möglich und nickte ihm freundlich zu. »Wir haben zu feiern.«

      3 – Kurt Logan

      »Agentur Beauty Dress, Logan, guten Tag.« Seine Stimme klang vertraut, herb, männlich und keinen Tag älter, seit ich seiner Firma vor fünf Jahren den Rücken gekehrt hatte, nachdem mein frisch angetrauter Ehemann das Unterwäschemodeln für verheiratete Frauen plötzlich extrem unpassend fand. Er bezeichnete unsere Shows als eine Fleischbeschau für geile alte Männer und verbot mir schlichtweg meinen Job. Heute vermute ich, dass seine Verallgemeinerung nur ein Vorwand war. Schließlich degradierte er sich damit ebenso zu diesem Klientel. Was ihn bislang keineswegs gestört hatte, entwickelte sich mit mir in dieser Branche und als Frau an seiner Seite zu einem echten Problem. Schweren Herzens gab ich damals nach, trennte mich von Beauty Dress und verhielt mich wie eine folgsame Ehefrau. Ich war jung, verliebt und gänzlich unerfahren. Das soll keine Entschuldigung für meinen persönlichen Verzicht sein, aber als Begründung kann man das durchaus gelten lassen, finde ich.

      Kurt Logan nahm es leider nicht so locker. Als ich zusätzlich zu meiner Kündigung die von ihm organisierte winzige und wenig anheimelnde Behausung in Brownsville aufgab, um zu meinem zukünftigen Ehemann zu ziehen, reagierte er äußerst ungehalten. Er beschimpfte mich als undankbar und unreif. Da ich nur verbittert dazu schwieg, gipfelte unser Gespräch in seinem aufgebrachten Monolog mit einer negativen Prophezeiung für meine Zukunft und mein Glück. Dementsprechend frostig gestaltete sich unsere Trennung. Heute muss ich mir eingestehen, dass mich mein abruptes Aussteigen aus der Agentur weniger berührte, als ich dachte. Im Gegenteil. Irgendwie war mein Interesse an dem, was ich mit Ehrgeiz, Training und absoluter Disziplin zur Perfektion gebracht hatte, nach Kurts egoistischen Tiraden schlagartig erloschen. Wir verloren uns aus den Augen und er verschwand wie eine unbedeutende Episode aus meinem Leben. Und nun? War es richtig, ausgerechnet ihn in meine Zukunftspläne einzubeziehen? Wie ein geprügelter Hund zu Kreuze zu kriechen, weil Kurt Logan der Anker für einen lukrativen Job sein konnte? Fuck! War wirklich alles easy? Woher kam dieses Gefühl der Hilflosigkeit bei seiner Stimme, der unterschwellige Ton darin, der mich vor der Leiche in seinem Keller warnte? Hatte sie nicht jeder? Eine blöde Leiche im Keller? Nur Ausbuddeln sollte man sie nicht? Blödsinn! Ich hatte mich verändert. Aus dem unbedarften Model von einst war eine erwachsene Frau und Mutter geworden. Was konnte mir ein Kurt Logan antun, was ich nicht bereits erlebt hatte. Gab es schlimmeres, als einen Ehemann, der ohne Rücksicht auf den Zustand seiner hochschwangeren Frau schlanke Mädchen vögelte und keinerlei Hehl daraus machte? Eine bittere Erfahrung in meinem Leben, ein Schmerz, der sich festgefressen hatte, unabhängig davon, was Bob danach gelobte. Unsere Beziehung bröckelte wie schlechter Putz von einer Fassade, die nackt und ungeschönt ihren wahren Charakter enthüllte. Ich hatte mich in einen Blender und sexbesessenen Mann verliebt, einen Schönling, dessen hemmungslose Lustbefriedigung an oberster Stelle stand. Dagegen wäre nichts einzuwenden gewesen, wenn er diese Sucht auf mich, seine junge Ehefrau, beschränkt hätte. Allein die Vorstellung, dass er seinen Speer in jedes hergelaufene Flittchen stieß, war weder mit meiner Liebe zu ihm, noch mit meinen Erwartungen bezüglich einer harmonischen Ehe vereinbar. Ich ließ drei weitere Jahre verstreichen, bevor ich endlich die Reißleine zog und die Scheidung einreichte.

      Von Kurt riskierte ich höchstens eine arrogante Abfuhr. Gekränkte Männer waren nachtragend und stiegen ungern von ihrem selbst errichteten Podest. Und wenn schon. Ich musste positiv denken. Bis jetzt lief alles hervorragend. Ein beglückendes Rieseln begleitete meine Erinnerungen an den gestrigen Tag, stieg wie eine wohlige Massage meinen Rücken hinauf und hüllte mich in einen Kokon aus Liebe und Zuversicht. Hannas Wahnsinnsangebot war vollkommen überraschend für mich gekommen und noch immer könnte ich hopsen vor Freude, weil sich die Suche nach einer geeigneten Wohnung spontan erledigt hatte. Aber zu meinem zukünftigen Unabhängigkeitsprogramm gehörte eben auch ein Job. Und deshalb sollte ich nichts unversucht lassen. Beklommen lauschte ich in das Smartphone und ein triumphierendes Lächeln zuckte um meine Mundwinkel. Kurts gleichmäßige Atemzüge bewiesen, dass er nicht aufgelegt hatte, sondern eine Antwort erwartete. Ich drückte eine Hand auf meine Brust, um das heftige Trommeln hinter den Rippen zu besänftigen, dann holte ich tief Luft.

      »Hallo, Kurt, Louisa Silverman hier. Vielleicht erinnerst du dich an mich? An das dunkelhaarige Model mit den Augen wie Samt? Zumindest so hast du meinen Blick genannt, wenn ich in einer bestimmten Pose …« Ich redete wie aufgezogen, zupfte an meinen Haaren herum, stopfte einen herausgefallenen Socken in die Umzugskiste, die ich bereits wahllos mit allem was mir unter die Finger geriet füllte, bevor ich erschrocken innehielt, weil seine Stimme plötzlich erfreut in meinen Ohren dröhnte. »Hey, Louisa! Hey! Selbstverständlich erinnere ich mich an dich und erst recht an deine Vorzüge, little Girl. Du warst das Mädchen, das unbedingt diesen Autofuzzi heiraten musste, stimmt‘s? Diesen Typen, der dich bei mir weggelotst hat? Ausgerechnet mein schönstes Model? Wie sollte ich das vergessen, Baby.«

      Verdammt, er erinnerte sich an mich und ebenso an die Umstände, die zu unserer Trennung geführt hatten. Nicht gut. Kampfbereit reckte ich meinen Hals und gurrte in das Telefon. »Oh! Das finde ich klasse, Kurt, also ich meine, es ist schön, wenn du dich an mich erinnerst. Der Rest ist Schnee von gestern.« (Im wahrsten Sinne des Wortes, ergänzte ich in Gedanken und unterdrückte mit Mühe ein Kichern) »Ich bin mittlerweile geschieden und suche dringend einen Job«, steuerte ich ohne Umschweife auf mein Anliegen zu. »Wie deine Ansage vermuten lässt, betreibst du deine Agentur noch? Deshalb wollte ich dich fragen ob …«

      »… ob du wieder bei mir einsteigen kannst?«, unterbrach mich Kurt trocken und lachte leise. »Tja – also eigentlich – habe ich momentan keinen Bedarf an neuen Gesichtern.« Er dehnte die Worte wie ein Gummiband, während sein anschließendes


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