La Oculta. Héctor Abad

La Oculta - Héctor Abad


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Angebot war unerhört, im Grunde genommen jedoch ganz einfach: Die beiden Gründerfamilien überließen den Neuansiedlern einen Teil ihres riesigen Landbesitzes als Eigentum, und im Gegenzug mussten diese sich dort niederlassen und an mehreren Tagen im Monat dabei helfen, den Wald zu roden und Wege anzulegen. An den teils recht steilen Hängen gab es reichlich gutes Wasser und fruchtbare Erde vulkanischen Ursprungs, so dass, wer auch immer sich hier die Mühe machte, das Unterholz zu lichten und die Äcker von Steinen zu befreien, mit guten Ernten und einem reichen Viehbestand rechnen konnte.

      Hinkefuß Echeverri hielt in den Dörfern Antioquias vor allem nach tatkräftigen jungen Familien ohne viel Besitz Ausschau, die im Leben weiterkommen wollten und sich deshalb an einem Unternehmen wie diesem beteiligen würden, das weniger begeisterungsfähigen Menschen als kollektiver Wahn, wenn nicht als groß angelegter Betrug erschien. »So viel Gutes auf einmal wird einem auf Erden kaum je zuteil«, lautete einer der Kommentare der Leute, die der Sache nicht trauten. Hinkefuß Echeverri war ein großer, magerer und ein wenig ungelenker Mann und dazu nicht besonders ansehnlich. Außerdem schielte er leicht und hatte ungleich lange Beine, das Ergebnis einer schlecht verheilten Bruchverletzung, die er sich einst beim Sturz von einem Pferd zugezogen hatte. Wie zum Ausgleich war er jedoch ein begnadeter Redner.

      »Sie sicherlich nicht, Isaías, aber wer sagt denn, dass die Kinder Ihrer Kinder, oder die Kinder der Kinder Ihrer Kinder dank dieser Anstrengung nicht eines Tages die Universität werden besuchen können?«, verkündete Hinkefuß dem jungen Isaías Ángel, der ein Mann mit klaren Gesichtszügen, breiter Stirn und freundlichem Lächeln war.

      »Wenn jede Familie«, fuhr Echeverri fort, »und das ist keineswegs eine völlig verstiegene Vorstellung, solange alle sich ordentlich von den Bohnen, Eiern, der Milch und dem Mais ernähren, den ihr Stück Land hervorbringt, wenn jede Familie also im Durchschnitt zehn Kinder hat, wird diese Gegend in zwanzig Jahren ausreichend bevölkert sein, um ein kleines Paradies auf Erden zu errichten. Und wenn ich ans Ende unseres Jahrhunderts denke, sehe ich bereits einen Geografen vor mir, der über die Siedler im Südwesten schreibt, dass sie das Schauspiel einer freien Gesellschaft zufriedener und glücklicher Landbesitzer bieten.«

      Isaías Ángel wusste, dass Raquel – die von ihrem Onkel als Mitgift eine ansehnliche Summe Geld erhalten hatte – mehr vorschwebte, als für andere Menschen Töpfe zu scheuern, den Hof zu fegen und Wäsche zu waschen, und auch er war begeistert von der Aussicht, sein eigener Herr zu sein. Deshalb hörte er Echeverri mit leuchtenden Augen zu und konnte es kaum erwarten, zu Raquel zu eilen und ihr zu sagen, sie solle von ihren Eltern Abschied nehmen, sich von ihnen segnen lassen und mit ihm so viel zusammenpacken, wie drei ausgewachsene Pferde tragen können.

      Eva

      Meine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, so dass ich mich einigermaßen zurechtfand. Ich war bereits auf dem steilen Fahrweg hinauf zur Finca Casablanca. Der Weg bestand genau genommen aus zwei Zementstreifen, zwischen denen Gras und Kräuter wuchsen. Manchmal ging ich auf dem Zement, der rau an den Fußsohlen, aber frei von Dornen war, dann wieder kehrte ich in die bewachsene Mitte zurück. Sobald ich mich kräftig genug fühlte, rannte ich eine Weile. Dann verlangsamte ich das Tempo, um Luft zu holen, und immer wieder blickte ich hinter mich.

      Als ich in die Schotterpiste einbog, die zur Finca meiner Vettern führt, fingen die Hunde an zu bellen und kamen angelaufen. Als sie mich erkannten, hörten sie auf zu bellen, wedelten mit den Schwänzen, schnupperten an meinen Händen und leckten an meinen feuchten Beinen. Mit Hunden habe ich mich schon immer gut verstanden. Irgendwann erreichte ich das Haus von Rubiel, dem Verwalter, und hämmerte an die Tür.

      »Machen Sie auf, Rubiel, schnell, machen Sie auf! Ich bin’s, Eva, von La Oculta. Aufmachen, Rubiel, machen Sie auf! Man will mich umbringen, Rubiel, machen Sie die Tür auf!«

      Rubiels Frau Sor machte schließlich auf. Sie sah mich erschrocken an. Wach war sie schon seit einer Weile – sie hatten die Schüsse gehört. Ich ging schnell hinein und schloss sofort die Tür hinter mir, als wollte ich ein Ungeheuer abschütteln, das mich verfolgte, ein Gespenst. Drinnen ließ ich mich, unfähig zu sprechen, auf dem Boden nieder. Sor brachte mir ein Handtuch, damit ich mich abtrocknen konnte, und trockene Kleidung von Martis, einer meiner Kusinen. Dann machte sie mir eine Tasse Zuckerwasser warm und gab mir auch noch ein Paar Strumpfhosen für meine schmerzenden, blutverkrusteten Beine. Als ich endlich sprechen konnte, erzählte ich überstürzt, was passiert war, woraufhin Rubiel leise sagte, ich solle besser wieder gehen. Die Leute könnten jeden Moment auftauchen und nach mir fragen, und sie würden uns alle umbringen, wenn sie merkten, dass sie mich versteckten. Ich nickte und zog mir ein Paar Turnschuhe von meiner Kusine an, die Sor ebenfalls gebracht hatte. Dann bat ich Rubiel, mir ein Pferd zu leihen. Ich würde es irgendwo in einem Dorf zurücklassen, in Jericó, Támesis oder Palermo.

      Rubiel griff nach einer Taschenlampe, und wir gingen zum Stall, wo wir zusammen eine schwarze Stute sattelten. Sie hieß Noche. Rubiel sagte flüsternd, wenn die Typen kämen, würde er ihnen natürlich nicht sagen, dass ich hier gewesen war. Während wir in nahezu völliger Dunkelheit und so leise wie möglich die letzten Handgriffe ausführten, glaubten wir mehrmals, in der Ferne Motorengeräusche zu hören.

      »Keine Sorge, ich lass Noche bei jemandem, dem Sie vertrauen können, Rubiel«, sagte ich, als ich schließlich aufs Pferd stieg. »Auf Wiedersehen, und vielen Dank!«

      »Nehmen Sie die Taschenlampe mit, Doña Eva«, erwiderte Rubiel, »aber machen Sie sie nur an, wenn es unbedingt nötig ist.« Ich steckte die Lampe ein und trabte zum Fahrweg hinunter.

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