Katharina Schratt. Georg Markus
konnte nach langer Zeit – und wieder einmal in Verbindung mit der Schratt – herzlich lachen.
Aus den Aufzeichnungen Angelis geht übrigens hervor, daß auch die Kaiserin bei einer früheren Gelegenheit einmal ein Porträt von sich selbst – ebenfalls als Geschenk für den Kaiser gedacht – hatte anfertigen lassen wollen. Doch dazu ist es infolge der Eigenwilligkeiten sowohl Elisabeths als auch Angelis nie gekommen. Schon damals war Ida von Ferenczy ins Atelier geschickt worden, um die Durchführung des Auftrags mit ihm zu besprechen.
»Herr Professor, Sie werden in den nächsten Tagen eine Einladung zu einem Diner erhalten«, kündigte Fräulein von Ferenczy an, »das Ihre Majestät, die Kaiserin, geben wird. Sie werden Ihrer Majestät gegenüber sitzen, um so ihre Gesichtszüge studieren zu können. Nach aufgehobener Tafel wird es Gelegenheit geben, ein längeres Gespräch mit Ihrer Majestät zu führen, damit Sie ihre Studien fortsetzen können.«
Angeli entgegnete: »Fräulein von Ferenczy, Sie können der Kaiserin sagen, daß ich kein Zauberer bin. Wenn sie mir nicht Modell sitzt, kann ich sie nicht malen.«
Ida von Ferenczy kam tags darauf wieder und teilte dem Künstler mit, die Kaiserin sei bereit, eine Stunde zu sitzen. Mit dem strengen Nachsatz: »Mehr jedoch nicht!«
»Dann sagen Sie Ihrer Majestät«, blieb Angeli weiter hart, »daß ich es mir halt leider vorbehalten muß, selbst zu bestimmen, wie lange irgendeine zu malende Persönlichkeit zu sitzen hat. Auch wenn das die Kaiserin von Österreich ist.«
Darauf meinte Ida von Ferenczy: »Professor Tilgner* hat die Kaiserin doch auch nur einige Male in der Reitschule gesehen und trotzdem eine Büste von ihr gemacht!«
»No – und ist ihm die Büste gelungen?« Diese Frage verneinte Ida von Ferenczy. »Na, sehen Sie, das will ich dem Tilgner nicht nachmachen. Es tut mir aufrichtig leid, daß ich, wenn Ihre Majestät für mich nicht mehr Zeit erübrigen kann, unter diesen Verhältnissen auf die Ehre verzichten müßte, Ihre Majestät zu malen.« Dabei blieb es dann auch – das Bild wurde nicht gemalt.
Das Porträt der Schratt ließ sich der Kaiser jedoch einige Tage nach dem Besuch im Atelier Angelis zustellen und es erhielt in seinem Schreibzimmer in der Hermes-Villa des Lainzer Tiergartens einen besonderen Platz zugewiesen.
Während des kurzen Gesprächs bei Angeli stellte der Kaiser noch eine für die kommenden drei Jahrzehnte seines Lebens ganz entscheidende Frage: »Frau Schratt, wo werden Sie heuer den Sommer verbringen?«
Und die Schauspielerin antwortete, daß sie nach einer dreiwöchigen Kur in Karlsbad an den Wolfgangsee fahren werde. »Ich hab dort das Schloß Frauenstein gemietet.«
»Wenn ich darf, möchte ich Sie dort von Ischl aus besuchen«, meinte der Kaiser noch, um sich dann – gemeinsam mit seiner Gemahlin – zu verabschieden.
Kaiserin Elisabeth, die Fremden sonst scheu auswich, hatte dem Treffen zwischen Kaiser und Frau Schratt im Atelier jede Peinlichkeit genommen. »Sie machte sich sogar zur Schirmherrin dieser Liebe ihres Mannes«, wie es in der Elisabeth-Biographie Brigitte Hamanns heißt.
Zwei Tage nach dem Treffen bei Angeli schrieb der Kaiser seinen ersten Brief an die Schratt. Dem Schreiben war ein Smaragdring beigegeben:
»den 23. Mai 1886
Meine gnädige Frau,
ich bitte Sie, beifolgendes Andenken als Zeichen meines innigsten Dankes dafür anzunehmen, daß Sie sich der Mühe unterzogen haben, zu dem Angelischen Bilde zu sitzen. Nochmals muß ich wiederholen, daß ich mir nicht erlaubt hätte, dieses Opfer von Ihnen zu erbitten, und daß daher meine Freude über das theure Geschenk nur umso größer ist.
Ihr ergebener Bewunderer«
Wochen später sollten Kaiser und Schauspielerin einander dann tatsächlich am Wolfgangsee wiedersehen. Der außergewöhnlichen Verbindung, von Elisabeth äußerst geschickt eingefädelt, schien nichts mehr im Wege zu stehen.
* Frau Hryntschak ist mittlerweile gestorben.
*Viktor Tilgner (1844–1896), einer der meistbeschäftigten Bildhauer des Wiener Ringstraßenstils
»… WIE MICH IHRE MITTHEILUNGEN AUS IHRER
JUGEND INTERESSIRTEN«
Die Kindheit der Schratt
Katharina Schratt, eines von drei Kindern einer bürgerlichen Familie aus dem Kurort Baden bei Wien, wurde also zur wichtigsten Vertrauten, vermutlich sogar zur Ehefrau des Kaisers von Österreich. Woher diese Frau kam, wie sie ihre Kindheit verbracht hatte, wer ihre Ahnen waren, das erfuhr der Monarch – genau wie Zehntausende seiner Untertanen – aus der Zeitung. Ein Tratschblatt der damaligen Zeit hatte die bereits populäre Schauspielerin am Hofburgtheater aufgefordert, ihren Lesern aus Kindheit und Jugend zu erzählen. Zu diesen Lesern zählte – dank Vermittlung durch seine Tochter Marie Valerie – auch der Kaiser. Gespannt nahm er die Zeitschrift zur Hand, um zu erfahren, was Katharina Schratt »vorher« erlebt hatte. Nachdem er das Illustrierte Magazin gelesen hatte, setzte er sich hin, um Frau Schratt nach Wien zu schreiben. Der Kaiser selbst weilte gerade auf Schloß Ofen, seinem Sitz als ungarischer König. Fünfzehn Jahre vorher waren Ofen (ungarisch: Buda) und die am anderen Donauufer liegende Stadt Pest vereinigt worden. Der Kaiser also an die Schratt:
»Ofen, den 21. März 1887
Meine gnädige Frau,
Vor einigen Tagen habe ich in der Presse im Inhaltsverzeichniß des 6. Heftes der ›Schönen blauen Donau‹ entdeckt, daß Sie Schriftstellerin sind. Ich habe mir sogleich durch Valerie das Heft verschafft und dasselbe Gestern erhalten. Zweimal las ich Ihren reizenden Aufsatz und Sie können sich denken, wie mich die Mittheilungen aus Ihrer frühen und allerfrühesten Jugend interessirten.«
Und das ist ein Auszug des Zeitungsartikels von Katharina Schratt, dem der Kaiser von Österreich einiges aus »Kathis« Kindheit entnehmen sollte:
»Ich war, als die Sehnsucht zum Theaterspielen in meinem Herzen erwachte, ein Fratz von sechs Jahren. Wir wohnten in Baden, woselbst mein Vater ein Haus besaß. In der Schule machte ich die Bekanntschaft einer Schauspielertochter, der ich von meinen Neigungen zum Theater sprach. Sie sagte mir einmal zu, mich in das von mir unbekannterweise, aber abgöttisch verehrte Theater mitzunehmen. Das Kindermädchen wurde von mir ins Vertrauen gezogen und eine Vorstellung von ›Deborah‹ in der Arena zu meinem Debut bestimmt. Während aber das Kindsmädchen in den Zuschauerraum gehen mußte, wurde ich von meiner Freundin hinter die Culissen gebracht, wo man mir in aller Eile einige Worte, die ich sagen sollte, einstudirte. Nachdem die Scene, in welcher ich auftreten sollte, gekommen war, wurde ich auf die Bühne geführt, und ich entledigte mich meiner ›Rolle‹ zur Zufriedenheit des gesamten Publikums – mit Ausnahme eines einzigen Herrn, der unmittelbar nach meinem Erscheinen ziemlich geräuschvoll den Zuschauerraum verließ. Dieser Herr war niemand anderer als mein Vater, der unglücklicherweise den Entschluß gefaßt hatte, das Theater zu besuchen und nun nicht wenig überrascht war, zu sehen, daß seine Tochter ohne sein Wissen eine Künstlerin geworden war. Das Kindsmädchen hatte entsetzt den unheilverkündenden ›Abgang‹ meines Vaters bemerkt und war auf die Bühne geeilt, um mich noch rasch in Sicherheit zu bringen. Sie kam zu spät, mein Vater hatte bereits seines Amtes gewaltet; diese Schicksalsschläge zählen zu den schmerzlichsten Erinnerungen meiner Jugendzeit.«
Wen wundert’s, daß den Kaiser – bei seinem Bedürfnis nach Tratsch und Anekdote – ein solcher Erlebnisbericht der angebeteten Frau interessieren mußte.
Katharina Schratt kam am 11. September 1853 als Tochter des Anton und der Katharina Schratt zur Welt. Sie war das einzige Mädchen – ein Bruder, Heinrich, war älter, Rudolf kam als »Nachzügler« einige Jahre später. Interessant ist, daß ihr Geburtsdatum in fast allen Lexika mit »1855« angegeben