Angefühlt. Jona Mondlicht
Hinweis:
Dieses Buch ist die Fortsetzung von »Unverglüht« und »Aufgewühlt«. Das Lesen der vorherigen Teile ist keine Voraussetzung. Allerdings sind wenige Stellen der Handlung durch Kenntnisse aus vorangegangenen Teilen leichter verständlich.
JONA MONDLICHT
Angefühlt
EIN EROTISCHER ROMAN
ELYSION-BOOKS
1. Auflage: August 2017
VOLLSTÄNDIGE AUSGABE
ORIGINALAUSGABE
© 2017 BY ELYSION BOOKS GMBH, LEIPZIG
ALL RIGHTS RESERVED
UMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinert
www.dreamaddiction.de FOTO: © Bigstockphoto/pasiphae
LAYOUT &WERKSATZ: Hanspeter Ludwig
ISBN (vollständiges Buch) 978-3-96000-0280
Inhalt
Kapitel Eins
»Ich hätte früher zu dir kommen sollen.« Lia spricht leise, spröde und mühsam. Ihre Blicke streifen immer wieder über die glänzende Oberfläche eines Grabsteins, als würden sie dessen Gravur ertasten und die weißen, kleinen Buchstaben streicheln. »Viel früher.« Sie hält die rechte Handfläche zitternd über ihren Mund.
Ein welkes Blatt fällt, streift den Marmor und legt sich geräuschlos auf die nasse Erde. Seine Zeit ist vorüber. Es ist längst Herbst.
»Verzeih mir, Bruno. ..«, flüstert Lia durch ihre klammen Finger. Atem steigt vor ihrem Gesicht auf, aber der dünne, feine Nebelhauch verflüchtigt sich nur wenige Augenblicke entfernt.
»Ich war so dumm.« Langsam schüttelt sie den Kopf. Verzweifelt über sich selbst, die Endgültigkeit bleiern erkennend. Obwohl noch so viel zu sagen gewesen wäre. »Du hast auf mich gewartet.«
Eine Hand legt sich behutsam auf ihren Oberarm. Still, reglos, warm. Sie hält nicht, sie heilt nicht, aber sie ist da.
»Lia.« Ein Mann räuspert sich und tritt leise näher an sie heran. »Es ist alles gut, Lia. Bewahre dir die schönen Momente. Nicht …« Alexander schaut um sich und zieht die Stirn in Falten. »Nicht das hier. Bitte.«
»Er hat sein ganzes Leben auf mich gewartet. Bevor er mich kannte. Nachdem ich gegangen war«, wispert sie und lässt ihren Arm sinken. »Und jetzt ist er hier. So einsam.«
Einsam war er all die Jahre, denkt Alexander. Aber er sagt es nicht. Das würde sie noch mehr schmerzen. »Es tut mir leid«, presst er heraus und streicht langsam mit der Hand entlang ihres Oberarms. Auf und ab. »Wirklich. Es tut mir leid. Ich habe immer gehofft, ihr würdet wieder miteinander reden. Irgendwann.«
Lia wendet ihren Kopf. Mit geröteten Augen schaut sie zu Alexander und der Frau, die schweigend hinter ihm steht. »Bitte geht jetzt. Gebt mir ein paar Minuten mit Bruno. Wir hatten zu wenige …« Sie schluckt.
»Verstehe.« Er nickt nachdenklich, seine Hand sinkt herab. Dann tritt er zur Seite.
»Sarah«, sagt Lia zu der Frau, die nur einen Schritt entfernt steht und betroffen ihre Finger ineinander knetet. Sie atmet schwer ein und bemüht sich um eine feste Stimme. »Suche den Einen, der dir entspricht. Dem du vertraust wie keinem Anderen. Und der in deinen Tiefen navigiert, als seien es seine eigenen. Finde ihn. Aber begehe nicht den gleichen Fehler wie ich. Verliere niemals den Glauben daran, dass es nur einen einzigen Menschen im Leben gibt, der dich so lieben kann. Ich wünschte, ich hätte das früher verstanden.«
Sarah schluckt schwer. Sie erinnert sich an die Worte, die Bruno in seinem letzten Brief geschrieben hat. Langsam senkt sie ihre rechte Hand in die Manteltasche, als würde sie frieren. Zwischen den Fingern fühlt sie kaltes Papier.
Als sich Lia wieder dem Grab zuwendet, zieht Sarah den sorgfältig gefalteten Bogen vorsichtig hervor. Zitternd öffnet sie ihn und betrachtet die fein säuberlich gezeichnete Schrift.
»Ich habe Dich nicht angelogen, Sarah. Man trifft nur ein einziges Mal im Leben auf einen Menschen, der die gleiche Tiefe besitzt und dem man so sehr vertraut, dass man ihn dorthin vorlässt.«
Sie beißt sich auf die Unterlippe. Wie besonders sich Lia und Bruno ähnelten, denkt sie. Wie gleich ihre Erkenntnisse waren. Wussten sie das nicht?
Eine kräftige Hand senkt sich über die Schrift. Alexander drückt das Papier zur Seite und schüttelt langsam den Kopf. Widerstandslos schiebt Sarah den Brief zurück in ihre Manteltasche.
»Wenn du dir sicher bist, ihn gefunden zu haben«, sagt Lia plötzlich, während sie auf das Grab schaut und erneut eine feine Nebelwolke vor ihrem Gesicht aufsteigt, »so unterwerfe dich ihm. Übereigne dich, deine Seele und deinen Körper. Vollständig und für immer. Anders kannst du nie wirklich glücklich werden. Niemals.«
Alexander greift Sarah an der Schulter. Mit einer nickenden Geste deutet er in Richtung des schmalen Kiesweges, der sich schnurgerade zwischen Koniferen und dunklen Büschen entfernt. Er spannt sich durch das Gelände wie der Achsenfaden eines Spinnennetzes, ist in regelmäßigen Abständen verklebt mit querenden Wegen und scheint den farblosen Friedhof für alle Ewigkeiten zusammenzuhalten.
»Ruf an, wenn du mich brauchst«, sagt Alexander zu Lia. Seine Stimme klingt