Slaughter's Hound. Declan Burke
rein- und rausfahren konnten. Üppige Ahornbäume und Kastanien säumten die hohen Backsteinmauern, die das Grundstück umgaben.
Ich fuhr hinters Haus, öffnete das Garagentor, parkte neben einem Golf, den ich nicht kannte, ein drei Jahre altes Modell, was darauf hinwies, dass Herb Gesellschaft hatte. Ich tippte den vierstelligen Code in das Display neben der Tür ein, die von der Garage direkt ins Haus führte, wartete auf den hohen Piepton und ging durch bis zur Küche. Schmiss den Wasserkocher an.
»Herb?«, rief ich. »Ich mach uns einen Kaffee. Welche Sorte möchtest du?«
»Hierher, Harry.«
So, wie er das sagte, war Ärger zu erwarten, und so oder so – Ross McConnell in Person bedeutete wirklich schlechte Nachrichten. Ich ging durch den Korridor ins Zimmer, und schon stand er auf und tat höflich, als wartete er darauf, vorgestellt zu werden, bemüht, es ganz harmlos erscheinen zu lassen, dass er mir jetzt auf Augenhöhe gegenüberstand.
Herb hatte einen roten Haarschopf, wie man ihn außerhalb von Stephen-King-Romanen über Killer-Clowns eher selten antrifft. Er saß vor dem Couchtisch und baute einen Joint, der Plasmabildschirm leuchtete, der Ton war abgeschaltet, es lief eine körnige Schwarz-Weiß-Doku über irgendein Ereignis damals an der Ostfront.
»Ross«, sagte er, »das ist Harry. Ich glaube, ihr kennt euch noch nicht.«
»Scheint mir auch so«, sagte Ross leicht näselnd. Er ließ sich Zeit damit, die Hand auszustrecken, musterte meine schwarzen Halbschuhe, meine schwarze Hose, das weiße Hemd und den locker geknoteten schwarzen Schlips. Ein respektables Äußeres, jedenfalls aus einiger Entfernung. Aus dem Zucken seiner Unterlippe schloss ich, dass er eher meine Ambitionen und weniger mein tatsächliches Styling wertschätzte. »Ross McConnell«, sagte er. Wir gaben uns die Hand. Kühl, fester Griff. Weder schlaff noch zupackend, nichts, woran man sich später erinnern würde, außer dass er dir die Hand geschüttelt und dir dabei in die Augen geschaut hatte.
Ross McConnell war nichts Besonderes. Ein bisschen größer als der Durchschnitt, trug beige Chinos, braune Segelschuhe und ein blitzsauberes blaues Hemd über einem weißen T-Shirt mit V-Ausschnitt. Einen Goldring am Ringfinger, aber sonst keinen Schmuck oder sonstige Kinkerlitzchen. Ross McConnell alias Toto, ein Spitzname, der ihm scherzhaft verliehen worden war, als er noch klein war und sich trotz seiner schmächtigen Gestalt eine Zukunft als Torschütze mit dem stechenden Blick eines Toto Schillaci ausmalte, auch bekannt als der Sizilianische Killer, der Irlands Hoffnungen auf einen Sieg bei der Fußball-WM 1990 zerschossen hatte, als Ross sechzehn oder siebzehn Jahre alt war. Nur dass Ross alias Toto nichts Besonderes war. Er ging jetzt auf die Vierzig zu und war nicht mehr schmächtig, aber auch nicht dick, stemmte offensichtlich keine Gewichte im Fitnessstudio, ließ sich aber auch nicht gehen. Sein braunes Haar war auf Stoppellänge getrimmt und es war noch so viel davon vorhanden wie nötig, nicht mehr, nicht weniger. Nichts Besonderes. Sein Blick wirkte nicht stechender als der eines Bankmanagers an einem Montagmorgen und auch nicht kälter als die letzten Meter, die man kriechend zum Nordpol zurücklegt. Aber nichts Besonderes, nein.
Allerdings war er der jüngere Bruder von Ted McConnell und praktisch seinConsigliere. Aber nicht so bemerkenswert, dass ein Augenzeuge einer Schießerei ihn in kürzester Entfernung in einer Reihe von Verdächtigen identifizieren würde, selbst wenn der zum dritten oder vierten Mal die Reihe abschritt und die verzweifelten Bullen ihm nur Zwerge und einbeinige Jongleure zur Seite gestellt hatten.
Nein, er war nichts Besonderes, dieser Ross McConnell. Das sind solche Typen nie.
»Harry …?«, fragte er zögernd. Er wusste es natürlich längst. Ich war überprüft worden, lange bevor ich mich hinters Steuer eines McConnell-Taxis setzen durfte. Wenn man ein ehemaliger INLA-Heuchler ist, der versucht, in die Legalität zu wechseln, zum Beispiel so einer wie Ted McConnell, dann muss man ein kleines bisschen sauberer sein als die Konkurrenz.
»Rigby«, sagte ich.
»Harry Rigby«, sagte er. »Rigby, Rigby, Rigby …« Er schaute runter auf Herb, der jetzt das Mundstück auf den Joint steckte, und dann wieder zu mir. »Du bist doch nicht etwa der Rigby, der seinen Bruder umgebracht hat?«, fragte er. Ich nickte. »Gonzo«, sagte er. »Hab ich recht?«
»Das stimmt.«
»Ich hab ihn gekannt. Ist Jahre her. Ein irres Arschloch.«
Es war keine Frage, also ließ ich es so stehen. Aus der Küche war ein dünnes Pfeifen zu hören. »Das Wasser kocht«, sagte ich. »Will sonst noch jemand einen Kaffee?«
»Ross wollte gerade gehen«, sagte Herb.
»Ich nehme einen kleinen Espresso«, sagte Ross. »Wenn’s keine Umstände macht.«
»Kein Problem.«
Als ich zurückkam, stand er immer noch da, den Kopf leicht geneigt, und las die Titel in Herbs Bücherwand, das meiste davon gebundene Ausgaben, größtenteils Sachbücher zum Thema Reisen und Abenteuer, Krieg oder populärwissenschaftliche Abhandlungen. Er hatte sich eine Biografie von Patrick Leigh Fermor unter den Arm geklemmt und prostete mir mit dem Espresso zu. Nahm einen Schluck und verzog das Gesicht, weil er so bitter war.
»Und wie läuft’s so da draußen?«, fragte er. »Geschäftsmäßig?«
»Im Moment ziemlich ruhig«, sagte ich. »Später ist dann mehr los.«
»Gut, gut.«
Wir standen da und tranken Kaffee, während Herb im Sessel an seinem Joint zog und eine Viertelmillion Deutsche vor Stalingrad festgefroren waren und immer noch hofften, Friedrich Paulus würde Hitler klarmachen, dass er sich sein »Sieg Heil« in den österreichischen Arsch schieben könnte. Das Schweigen wurde spröde, Toto schaute wieder zum Bücherregal. Ich drehte mir eine Fluppe und trat vor die gegenüberliegende Wand, Herbs Galerie mit gerahmten Fotos aus seiner Zeit als Paparazzi, manche waren Einzelbilder oder Porträts, manche Zeitschriftencover. Am besten gefiel mir das Titelblatt des Sligo Champion anlässlich einer Wahlkampftour von Bertie Ahern, auf dem er schockiert auf die Reste eines zerplatzten Eis starrt, die an seiner Krawatte kleben, darüber die Headline: »Berties Eiertanz um die Macht«.
Herb beugte sich vor, um abzuaschen, und entlockte dem gläsernen Aschenbecher ein Klimpern, das laut genug war, um Totos und meine Aufmerksamkeit zu erregen. Herb räusperte sich und fragte: »Na, gibt’s was Neues?«
Die Frage ging an mich. Ich schaute Toto an. Der hob demonstrativ die Hände zur Entschuldigung. »Ich bin gar nicht da«, sagte er. »Wenn ihr Geschäftliches zu erledigen habt, lasst euch von mir nicht stören.«
Herb nickte mir zu. »Finn hat angerufen«, sagte ich. »Er will drei Beutel.«
»Ach wirklich?«
»Jetzt gleich.«
»Er hat doch erst letzten Monat drei bekommen.«
»Das stimmt.«
»Ganz schön viel für den persönlichen Gebrauch.«
Herb verkaufte keine halben Portionen. Nur Beutel mit 150 Gramm Primo Bud. Süß wie Bambi im Abgang und ein Kick wie Klopfers Trommelwirbel. Er könnte es mit Oregano verschneiden, kleine Zweige mit in die Tüten tun, so wie das Totos Dealer machten, aber bei Herb war der Kunde König und er blieb immer korrekt.
»Nächste Woche kommen die Surfer nach Enniscrone«, sagte ich. »Die Wildwasserfrauen oder sowas.«
»Was macht er also damit, dealt er?«
»Glaub ich nicht. Wahrscheinlich versorgt er bestimmte Leute damit.«
Toto hielt jetzt ein anderes Buch in der Hand, Schrödingers Kätzchen von John Gribbin. Offenbar interessierte er sich für Quantenmechanik.
»Aber er versorgt sie gegen Geld«, hakte Herb nach.
»Ich will damit sagen, dass Finn es nicht nötig hat zu dealen.«
»Er wird es ja wohl kaum umsonst verteilen, oder?«
»Soll ich deswegen mit ihm reden?«
»Ja,