Slaughter's Hound. Declan Burke

Slaughter's Hound - Declan  Burke


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neben Finns schwarzem Audi ein, mit dem Kofferraum ganz dicht vor der Hauswand. Stieg aus, schloss ab und schlenderte auf den Eingang zu. Der Fahrer des Saab hob eine Hand und sagte: »Bleib stehen, Kumpel.«

      Sein Akzent war nicht so hart wie bei einem aus Derry, und es war ein leichter Hauch nördliches Donegal mit dabei. Seine Statur erinnerte an ein umgedrehtes Cello, er trug ein weißes Hemd mit geöffnetem obersten Knopf, eine schmale schwarze Krawatte mit lockerem Knoten. Lackschuhe, in deren Glanz er seine ebenmäßigen weißen Zähne mit Zahnseide bearbeiten könnte. Durch die geöffnete Tür des Saab sah ich auf einem Kleiderbügel das Sakko eines dunklen Anzugs mit seidenem Innenfutter in rotem Paisley-Muster. Vielleicht italienisch. Seine Augen starrten mich an wie eine Doppelschrotflinte mit abgesägtem Lauf.

      Ich blieb fünfzehn Zentimeter vor dem Bereich stehen, den er mit seinen Fäusten wohl erreichen konnte. »Ich werde erwartet«, sagte ich.

      »Aber nicht von mir, bestimmt nicht.«

      »Da haben Sie auch wieder recht.«

      Es ist immer problematisch, wenn ein Typ glaubt, er könnte dir sagen, was du tun sollst, weil es dann nur eine Frage der Zeit ist, bis alle anderen das auch glauben. Dann kommt man ins Schleudern. Und ich stand sowieso schon auf wackeligem Terrain.

      »Ich gehe da hoch«, sagte ich.

      »Geht in Ordnung, Kumpel, aber nicht jetzt.«

      Ich reckte den Hals, um in den neunten Stock zu schauen, die Fenster dort waren mattgelb erleuchtet. »Verlangt er von Ihnen, dass Sie eine Krawatte tragen?«

      Das brachte ihn kein bisschen aus dem Konzept. »Wissen Sie, was ich mag?«, sagte er. »Autos, feinen Zwirn und Mösen. Er bezahlt mich dafür, dass ich einen Saab fahre und gute Anzüge trage.«

      »Zwei von drei ist keine schlechte Ausbeute.«

      »Ich komm voran.« Er hob das Kinn. »Finn erwartet dich?«

      »Ganz recht.«

      Er warf einen Blick hinter mich. »Stimmt was nicht mit seinem Audi?«

      »Außer, dass es kein Porsche ist?«

      »Genau das ist der Punkt.« Er trat einen Schritt zur Seite und winkte mich durch. »Jimmy«, sagte er.

      »Rigby.«

      Er beugte sich vor, als ich an ihm vorbeiging, schnüffelte und blähte die Nüstern. Ich schaute auf und starrte direkt in die Läufe der Doppelflinte, schwarz, kalt und ohne ein Licht, das dem müden Pilger den Weg weisen könnte.

      »Bleib sauber, Rigby.«

      »Ich versuch’s.«

      5

      Finn Hamilton war von Anbeginn verflucht, seit seine Mutter ihm den Namen von Fionn mac Cumhaill, dem großen Helden der irischen Mythologie, gegeben und ihm damit schon von Kindesbeinen an zu verstehen gegeben hatte, dass er ein ganz außergewöhnlicher Mann werden sollte: ein Jäger, ein Krieger, eine Legende, ein König. Nicht der geringste Erwartungsdruck also.

      Und dann muss er als junger Mensch mitansehen, wie sein Vater ertrinkt.

      Ich schätze, sie können froh sein, dass er nur ein paar Häuser niedergebrannt hat.

      Seine Erleuchtung hatte er im Psychiatrischen Krankenhaus in Dundrum, als ihm klarwurde, wie er den Namen Hamilton und die damit einhergehenden Ressourcen nutzen könnte. Er gab seinen Widerstand auf und ließ sich mit dem Strom treiben, reihte sich ein in die Familie, aber als fünfte Kolonne, als Saboteur, der sich nun ausgerechnet der Wohltätigkeit verschrieb. Die Cops drückten ein Auge zu wegen McCool FM, weil es kein kommerzielles Unternehmen war und die Erlöse aus den wenigen Werbeblocks St. Vincent de Paul und dem Lions Club oder ähnlichen Organisationen zugute kamen. Die Website des Senders verlinkte zu denen der Nothilfe für Depressive und Borderline-Patienten, der Samariter-Hilfe für psychisch Kranke, der Model-Arts-Galerie und der Irischen Krebshilfe und zeigte ausgewählte Kunstwerke, die in der Galerie im Erdgeschoss seines Studios angeboten wurden, darunter auch seine eigenen. Von den Erlösen ging ein Drittel an eine vom jeweiligen Künstler ausgewählte Wohltätigkeitsorganisation.

      Seine neueste Idee, die immer noch im Anfangsstadium steckte, hieß Spiritus Mundi und sollte ein Kollektiv von Künstlern, Musikern und Schriftstellern umfassen, die alle in diesem Gebäude arbeiten würden, eine urbane Version des Zentrums in Annaghmakerrig, ein Rückzugsort für Menschen mit künstlerischen Neigungen. Zuletzt hörte ich, er hätte Blue Raincoat einen Probenraum angeboten, mit dem Hintergedanken, dass sie ihr Theater aus dem Stadtzentrum in den Hafen verlegen würden. Er lockte sie mit einem langfristigen Mietvertrag zu sehr günstigen Konditionen.

      Ich drückte zweimal kurz und einmal lang, wartete auf den Piepton und das Klicken und trat ein. Die kleine Lobby wurde von einem einzigen Scheinwerfer erleuchtet, der ins Dach eingelassen war, eine Überwachungskamera hing in der Ecke. Ich schaute zu ihr hoch, wartete auf den zweiten Piepton und ging dann durch die Tür in die Galerie. Finn hatte das Erdgeschoss entkernen lassen, damit nichts den Blick von den Gemälden ablenkte, die er an die Säulen oder die nackten Backsteinwände gehängt hatte. Da der Raum sehr hoch war, hallte es stark. Ich ließ das Licht aus und schlich zum Fenster, um in den Hof zu schauen. Jimmy saß in der geöffneten Tür des Saab, rauchte und schrieb sich die Nummer des Taxis auf, während er mit dem zwischen Kopf und Schulter eingeklemmten Handy telefonierte.

      Ein Meister des Multitaskings, unser Jimmy.

      Jetzt fing auch Bear an zu bellen, so laut, dass die Fundamente bebten. Ich ging nach hinten, klopfte zweimal gegen die Metalltür, machte besänftigende Geräusche und schob mich rein. Bears Krallen klackerten über den Betonfußboden, dann richtete er sich auf und legte mir rechts und links eine Pfote auf die Schulter. Ein reinrassiger irischer Wolfshund. Auf den Hinterbeinen hätte er beim Rugby ganz allein den Fänger in der Gasse machen können. Unter seinem Gewicht geriet ich ins Wanken, stolperte ein Stück zurück, hob ihn runter und kraulte ihm die Ohren.

      »Nicht heute Abend, Bear, tut mir leid.«

      Ich kickte den Stock, den er zerbissen hatte, zurück zu dem Haufen in der Ecke, griff nach der Schachtel auf dem obersten Regal, nahm eine Handvoll Kekse in Knochenform heraus, warf sie in seinen Futternapf und füllte den Trinknapf mit Wasser. Finn liebte diesen Hund, er hatte ihn als kleinen verängstigten Welpen aus einem Tierheim geholt, aber er vertrat auch die Theorie, dass nur ein hungriger Wachhund ein guter Wachhund ist. Hinzu kamen Finns erstaunlicher Appetit auf psychotropes Gras und eine Lebenseinstellung, deren grafische Darstellung in einem Koordinatensystem aus Ehrgeiz und Strebsamkeit die Form einer Hängematte hätte. Beides zusammen hatte zur Folge, dass der Hund gelegentlich viel dünner und bösartiger war, als seinem Hundeschöpfer vorgeschwebt war.

      Wo ich schon mal dabei war, warf ich noch einen Blick in seine Hütte, um die Streu zu prüfen. Sie schien frisch und sauber zu sein. Als ich mich wieder aufrichtete, hockte Bear in der Ecke und knabberte einen Hundekuchen, spielte sogar damit herum und hatte noch vier weitere in seinem Napf liegen. Was bedeutete, dass Finn fit und der Hund gut genährt war, eigentlich fast schade. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, ihn raus in den Hof zu lassen, um mal zu sehen, wie Jimmy die Herausforderung meisterte, einem Bluthund von achtzig Kilo, der mit vollem Karacho auf ihn zuraste, die Stirn zu bieten.

      Es gab keinen Aufzug, nur neun Stockwerke verrostete Metallstufen, die auf der Innenseite der Mauern angebracht waren. Vor langer Zeit hatte es mal vier Treppen gegeben, über die man ins jeweils nächste Stockwerk gelangte, aber das Gebäude war ja entkernt worden. Wenn man jetzt die Galerie im Erdgeschoss verließ, stieg man durch einen leeren Raum bis ins oberste Stockwerk. Eine ordentliche Strecke, aber nichts, was ein halbwegs gesunder Mann nicht schaffen konnte, ohne in Schweiß auszubrechen. Als ich oben ankam, hätte ich eine Sauerstoffmaske gebrauchen können und ein paar Sherpas zur Stütze.

      Ich trommelte an die Studiotür.

      »Harry?«, hörte ich Finns gedämpfte Stimme. »Komm rein.«

      Das Studio nahm den größten Teil des neunten Stockwerks


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