Echo eines Freundes. Ingvar Ambjørnsen
Ingvar Ambjørnsen
Echo eines Freundes
Ein Elling-Roman
Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs
Die Originalausgabe des vorliegenden Buches erscheint unter dem Titel Ekko av en venn bei Cappelen Damm, 2019.
Diese Übersetzung wurde mit finanzieller Unterstützung durch NORLA veröffentlicht.
Das Gedicht »Traum« von Olav H. Hauge wurde zitiert nach: ders., Gesammelte Gedichte, Edition Rugerup 2012, übertragen von Klaus Anders.
Andrzej Stasiuk, Hinter der Blechwand, wurde zitiert aus der Übertragung von Renate Schmidgall, Suhrkamp 2016.
Wir danken den Verlagen herzlich für die Genehmigung.
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Deutsche Erstausgabe Mai 2019
Umschlaggestaltung: Maja Bechert, Hamburg
ePub ISBN 978-3-96054-184-4
Inhalt
4 Ein gesegnet normaler Supermarkt
12 Der letzte Sonntag im Monat
Nachwort Elling und seine Freunde
1
Verspätete Ankunft
Ab Drammen gab es Schienenersatzverkehr. Mit Wartezeit und Umsteigen hatte ich nun mehr als eine Stunde Verspätung. Ich beschloss, sie anzurufen und über die Situation zu informieren. Das kostete, aber ich sah keinen anderen Ausweg. Das endlose Klingeln, ehe sie sich endlich meldete. Mein Herz, das schlug und schlug. Dann endlich, zum allerersten Mal ihre etwas kratzige Stimme im Ohr.
Na gut, meinte sie. Beim lieben Gott und bei der norwegischen Eisenbahn sei eben kein Ding unmöglich. Ein trockenes Lachen an der Grenze zum Husten. Ich sah vor mir das Litermaß voll Wasser, das auf dem Küchentisch stand. Das zweimal pro Tag gefüllt und geleert werden musste, denn sonst …
Und mein eigenes Lachen, das sich mit ihrem mischte. Die Nervosität, die mich plötzlich verließ.
Ich sei jedenfalls willkommen, sagte Annelore Frimann-Clausen. Sie sei keine von der Sorte, die früh schlafen geht.
Dann war sie verschwunden.
Es regnete. Ich musterte mein Spiegelbild in der triefnassen Fensterscheibe. Und in einem inneren Film sah ich sie vor mir, wie sie in der alten Villa in Grefsen umherstapfte. Denn natürlich hatte sie einen Teller mit Schnittchen vorbereitet, das musste bei Frauen ihrer Generation fast als Gesetzmäßigkeit gelten. Nach meinem Anruf bedeckte sie jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach den Teller mit Plastikfolie, um ihn dann an einen kühlen Ort zu stellen. Oder auf die Hintertreppe, falls es eine solche gab. Eine Variante zeigte sie auch, wie sie den gesamten Teller im Kühlschrank verstaute, ich hoffte aber wirklich, dass das pure Phantasie meinerseits war. Eiskalte Butterbrote sind nichts für uns mit etwas abgewetzten Füllungen und unbehandelten Löchern. Vor allem nicht, wenn sie mit in Scheiben geschnittenem Fischpudding oder Rührei mit Räucherlachs belegt sind. Dann hat man wirklich Probleme.
Ich stellte fest, dass sie mir leidtat. Denn man weiß doch: Egal, wie gelassen eine ältere Dame mit einer Abweichung vom festgelegten Programm umzugehen vorgibt, ja, so sind solche Mitteilungen für sie eine Plage. Vor allem, wenn das Programm etwas mit Essen zu tun hat. Das ist keine Behauptung, sondern eine Tatsache. Ich glaubte nicht, dass sie nach Beendigung unseres Gesprächs in Tränen ausgebrochen war. Oder wütend geworden. Das nicht. Aber ich war überzeugt, dass sie jetzt eine feine kleine Traurigkeit hatte, die sie auskosten konnte. Eine Wehmut darüber, dass Nachmittag und Abend nicht wie geplant verlaufen würden. Einen Gemütszustand von der Sorte, die eine ältere Frau zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her treibt. Die sie den Raum durchqueren