Gehalten. Elisabeth Bührer-Astfalk

Gehalten - Elisabeth Bührer-Astfalk


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kannst jetzt noch nicht zum Spielen kommen, meine Mutter muss erst noch Mittagspause machen.« Ja, stimmt, denke ich, zum Glück sagt er das. Und die Mutter im Hintergrund wird es auch gleich gehört haben. Was sie wohl denken wird? Doch mich damit zu beschäftigen, was die anderen denken, will ich mir sowieso abgewöhnen. Ich mache Mittagspause. Das stimmt und ist nun einfach so. Einige Jahre später wird die Sache mit der Mittagspause allerdings etwas schwieriger. Die Kinder gehen zur Schule, und ich nutze die ruhigen Stunden des Nachmittags vermehrt, um zu arbeiten. Mein Homeoffice ermöglicht mir diese Flexibilität, darüber bin ich froh. Am Spätnachmittag kommen dann die Kinder nach Hause. Da gibt es dies und jenes zu besprechen. Doch schließlich kündige ich an: »Ich muss noch rasch Mittagspause machen, ich hatte heute noch keine.« Na ja, eine Mittagspause ist das jetzt auch nicht mehr, denke ich, schließlich ist es jetzt schon 17 Uhr. Doch ich halte dieses Wort immer noch für richtig, denn es ist tief eingeprägt bei meinen Kindern, und jedes von ihnen weiß, was es bedeutet. Also bleibe ich dabei. Dann gehe ich in mein Zimmer und stecke mir vorsorglich, um gegen jegliche Störungen gewappnet zu sein, Ohrstöpsel in die Ohren. Ich höre aus der Ferne ein leises Klingeln. Das wird die Haustür gewesen sein. Nicht schlimm, einer wird schon aufmachen. Ich entspanne mich. Es ist schon gegen 18 Uhr, als ich nach unten komme und mich bei einem meiner Kinder erkundige, wer denn da geklingelt habe. Da höre ich: »Das war eine Bekannte aus dem Dorf, die zu dir wollte. Ich habe zu ihr gesagt, dass du gerade Mittagspause machst und ich dich nicht holen kann.« Das ist mir nun wirklich ein bisschen peinlich. Mittagspause um diese Zeit! Nun denn, denke ich. Das werde ich der Bekannten wohl halt mal erklären müssen.

      In der Bibel lesen wir, dass es Gott ein Anliegen ist, dass wir regelmäßig Pausen machen. Damit uns das besser gelingt, erschuf er Strukturen. Von der allerersten Struktur erfahren wir schon auf den ersten Seiten der Bibel, als Gott Himmel und Erde erschuf und alles noch wüst, öde und finster war. In 1. Mose 1,3-5 steht: »Da sprach Gott: ›Es soll Licht entstehen!‹, und es entstand Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Dann trennte er das Licht von der Finsternis. Gott nannte das Licht ›Tag‹ und die Finsternis ›Nacht‹. Es wurde Abend und Morgen: der erste Tag.«

      So entstand der Tag-Nacht-Rhythmus. Der Tag zum Arbeiten, die Nacht, um zu ruhen. Gott selbst hielt sich dann auch gleich an diesen neuen Rhythmus. Alle seine weiteren Werke der Schöpfung wie Himmel und Wasser, Land und Meer, Sonne, Mond und Sterne, Fische und Vögel, Tiere und Menschen wurden an aufeinanderfolgenden Tagen geschaffen. Nach jedem Tag lesen wir: »Es wurde Abend und Morgen«, dann erst geht es weiter.

      Schließlich hatte Gott sein Werk getan und so steht in 1. Mose 2,2: »Am siebten Tag vollendete Gott sein Werk und ruhte von seiner Arbeit aus.«

      Gott ruht also aus. Macht Pause. Er selbst bräuchte diese Pause nach getaner Arbeit wohl nicht, da er nicht müde wird. Doch er weiß, dass wir Menschen diese Pause brauchen werden, und deshalb führt er sie auch gleich zu Beginn ein. Daraus ergibt sich für uns Menschen eine weitere Struktur, ein weiterer Rhythmus: sechs Tage Arbeit, einen Tag Pause. Das ist schon jahrtausendelang die Wochenstruktur der Menschheit.

      Es ist nicht immer einfach, diese Strukturen einzuhalten, die uns automatisch zu den absolut notwendigen Pausen verhelfen. Auch nicht als Alleinerziehende. Am Abend, wenn die Kinder endlich im Bett sind, liegt es nahe, noch etwas zu arbeiten – vielleicht bis in die Nacht hinein. Obwohl diese eigentlich zum Schlafen gedacht ist. Am Sonntag dann scheint endlich Zeit zu sein, um Liegengebliebenes zu erledigen. Obwohl der Sonntag eigentlich unser Ruhetag sein sollte.

      Doch pausenloses Arbeiten erschöpft. Früher oder später.

      Wenn deine Arbeit kein Ende zu nehmen scheint und sie dir zu oft die absolut notwendigen Pausen raubt, ist es notwendig, dass du etwas änderst. Zum Beispiel, indem du dir Unterstützung suchst: in der Familie, im Freundeskreis, in der Kirche oder am Wohnort.

      Doch spricht die Bibel auch von einer Mittagspause?

      In Jesus wurde Gott ganz Mensch, und so lesen wir im Neuen Testament von Jesus und seinen Jüngern, wie diese immer wieder mitten am Tag eine Pause machen und den Rückzug suchen. Denn die Arbeit mit Menschen kostet sie viel Kraft (vgl. Markus 6,30-31).

      Auch Kinder allein zu erziehen, kostet viel Kraft. Tägliche Pausen können dir helfen, durchzuhalten und zumindest einmal am Tag tief durchzuatmen: bei einem Spaziergang, einem guten Buch oder einfach beim Nichtstun. Doch nicht für jeden eignet sich die Zeit nach dem Mittagessen dafür. Wann im Tagesverlauf der günstigste Zeitpunkt für eine Pause ist, weiß jeder selbst am besten. Hilfreich ist es jedoch, sich diese Zeit dann fix zu reservieren. Denn Strukturen können helfen, Pausen regelmäßig einzuhalten.

      Doch nicht vergessen: Pausen müssen meistens verteidigt werden. Zumindest zu Beginn. Zum Beispiel gegenüber den Kindern, dem Smartphone oder der Haustürklingel.

      Ich persönlich merke nach diesem Erlebnis, dass meine Tagesstruktur sich wohl etwas ungut verschoben hat, und verlege meine Mittagspause nun wieder konsequent noch vorne. Doch für alle Fälle ändere ich dann doch den Namen ab, und aus meiner »Mittagspause« wird meine »Pause«.

      Mutmach-Tipp:

      Gönne dir regelmäßige Pausen. Verteidige sie!

      Zum Nachlesen:

      1. Mose 2,1-2; Markus 6,30-31

       [ Zum Inhaltsverzeichnis ]

      7. Rufe um Hilfe

      Mein Klinikaufenthalt liegt nun schon etliche Monate zurück und meine Kinder halten mich Tag für Tag auf Trab. Ich brauche dringend wieder einmal ein freies Wochenende. Meine Mutter will ich nicht schon wieder fragen, ob sie kommen kann, war sie doch in der letzten Zeit sehr oft hier. Ich nehme allen Mut zusammen und rufe unseren Pfarrer an. Er weiß Rat: »In meiner anderen Gemeinde auf dem Zürichberg gibt es demnächst ein Bastelwochenende für Kinder.« Zwei Tage später halte ich den Flyer in der Hand. Ich versammle meine Kinder im Wohnzimmer und versuche, ihnen dieses Wochenende schmackhaft zu machen. Dazu lese ich vor, was auf dem Flyer steht: »Wir basteln nicht nur mit Perlen und Pinkfarben.« Doch das reicht schon. Meine zehnjährige Tochter fährt auf: Perlen und Pinkfarben sind für sie Reizwörter, und so verkündet sie lautstark: »Auf keinen Fall gehe ich dahin!« Ihre drei Brüder stimmen sogleich mit ein in das Protestgeschrei. Meine Überredungsversuche, dass es eben nicht um Perlen und Pinkfarben gehe und es ein tolles Angebot sei, verhallen im Nirgendwo. Ebenso meine Erklärungen dazu, warum ich am Wochenende einmal wieder allein sein möchte. Ich habe ein sehr schlechtes Gewissen, als ich sie trotzdem anmelde. Ein noch schlechteres Gewissen habe ich, als ich erfahre, dass der Vierjährige eigentlich noch zu klein ist, er aber aufgrund meiner speziellen Situation mitkommen darf.

      Am darauffolgenden Freitagnachmittag fahre ich dann mit unserem VW-Bus auf den Zürichberg. Abgesehen vom Jüngsten, der wahrscheinlich noch gar nicht so ganz genau begriffen hat, wohin es geht, wird im Auto kein Wort geredet. Am Treffpunkt angekommen laden wir aus, beziehungsweise um. Denn die Leiter und Leiterinnen wollen noch weiterfahren, hinauf in eine Waldhütte. Meine Tochter raunt mir noch zu: »Du schiebst uns ab.« Die Jungs ergeben sich ihrem Schicksal. Schnell bemühe ich mich noch zu sagen, sie sollten doch auch ein bisschen nach dem Jüngsten schauen. Dann fahre ich wieder zurück, hilflos, müde und mit mittlerweile rabenschwarzem Gewissen. Zu Hause gehe ich ziemlich bald zu Bett und schlafe bis weit in den nächsten Morgen hinein. Die Sonne scheint dann auch freundlich in mein Schlafzimmer hinein, als ich aufstehe. Ich frühstücke gemütlich, betätige mich danach an meinem Fitnessgerät und gehe am Nachmittag zu einer Massage, die ich mir noch organisiert hatte. Ich merke, wie die »Lebensgeister« wieder zurückkehren. Bin froh. Immer wieder gehen meine Gedanken zu meinen Kindern und zur »Kinderabschiebung«. Ich befehle sie Gott an.

      In


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