Gehalten. Elisabeth Bührer-Astfalk

Gehalten - Elisabeth Bührer-Astfalk


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(vgl. 2. Könige 4,1-4). Doch dem nicht genug. Ihr Mann hat ihr Schulden hinterlassen, und der Gläubiger droht nun, ihre beiden Söhne als Sklaven mitzunehmen. Damit hätte sie niemanden mehr, der für sie sorgen könnte.

      Eine aussichtslose Lage, die in ihrer Dramatik und Not bei Weitem meine Situation übersteigt. Doch die Frau in der Geschichte ergibt sich nicht ihrem Schicksal, sondern sie wird aktiv und wendet sich an den Propheten Elisa, dem sie ihr Leid klagt. In einigen Übersetzungen steht sogar, sie »schreit« zu Elisa. Sie weiß, wo es jetzt die richtige Hilfe gibt, und sie weiß auch, warum: Elisa ist ein Prophet Gottes.

      Auch in der heutigen Zeit entsteht oft materielle Not, wenn auf einmal ein Elternteil wegfällt, und auch in unserer westlichen und modernen Welt gibt es noch das Leben am Limit. Doch richtig zu schaffen macht uns heutigen Alleinerziehenden oft vielmehr das Leben am Limit der Kraftreserven.

      Vielleicht bist auch du gerade am Limit deiner Kräfte? Dann ist eines gleich geblieben, nämlich die Möglichkeit, zu Gott zu rufen (vgl. Psalm 50,15). Er kann helfen. Doch nicht nur zu Gott darfst du rufen, sondern auch zu den Menschen, die er dir zur Seite gestellt hat.

      Der Prophet Elisa in unserer Geschichte startet jetzt nicht einen Spendenaufruf an alle Gläubigen für diese Frau, sondern er klärt erst einmal ab, was die Frau selbst noch im Haus hat. Eine erstaunliche Reaktion. Er muss doch wissen, dass sie wirklich fast nichts mehr hat! Tatsächlich ist es nur noch eine Flasche Öl.

      Doch genau diese letzte Reserve bekommt jetzt eine große Bedeutung. Auf die Anweisung des Propheten und durch den Glauben der Witwe lassen sich durch diese eine Flasche Öl viele Gefäße füllen. Jetzt ist auf einmal wieder genug da, um zu leben, und sogar genug, um alle Schulden zu bezahlen, denn das übrige Öl kann verkauft werden (vgl. 2. Könige 4,5-7). Aus dieser belanglosen kleinen Reserve, dem bisschen, das die Witwe vielleicht schon fast abgeschrieben hat, geschieht das Wunder.

      Im Leben eines jeden von uns gibt es sie, diese »letzte Flasche Öl«. Sie steht für unsere Kraftquellen, unsere Ressourcen.

      Was sind deine Ressourcen? Deine persönlichen Kraftquellen? Kennst du sie? Ist es, wieder einmal allein zu sein, frei von allen Verpflichtungen? Oder eine Freundin in einem Café zu treffen? Einen Spaziergang oder eine Massage, ein regelmäßiger Sport? Musik machen, zeichnen? Manchmal sind wir versucht, diese kleinen Kraftquellen mitten im Alltag zu unterschätzen. Was bringt schon ein freies Wochenende, das uns jemand ermöglicht? Mehr Stress mit den Kindern als Nutzen? Was bringt schon eine Massage? Ich bräuchte mehr. Ist doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Mit diesem Denken geraten wir in einen negativen Strudel und rechnen nicht mit Gottes Möglichkeiten. Doch wenn wir unsere Ressourcen nutzen und dabei mit Gott rechnen, werden daraus unerschöpfliche Kraftquellen, die helfen, den Alltag zu bestreiten.

      Das Öl (gewonnen aus Oliven, den Früchten des Ölbaumes) diente zu biblischen Zeiten als wichtige Ernährungsgrundlage. Doch das Öl steht in der Bibel auch als Symbol für den Heiligen Geist. Diesen hat Jesus uns als Beistand zurückgelassen. Der Heilige Geist wohnt in uns. Mit dieser Kraft dürfen wir rechnen, sie versiegt nie.

      Die Geschichte der Witwe macht mir Mut. Denn Gott ist über alle Zeiten derselbe. Er kennt die kritischen Punkte jeder Gesellschaft. Er weiß, dass unsere Kräfte heute oft ein Wunder brauchen. Und er will dieses Wunder tun. Wir müssen ihn nur darum bitten.

      Frisch gestärkt und ausgeschlafen hole ich meine Kinder am folgenden Sonntagnachmittag wieder ab. Stolz präsentiert mir meine Tochter wunderschöne, aus PET-Flaschen gebastelte Plastikblumen, die noch jahrelang unser Wohnzimmer zieren. Die Jungen wirken auch zufrieden. Der Älteste führt mir ein solarbetriebenes Fahrzeug vor, das er gebastelt hat. Ich bin erleichtert. Wir bleiben noch zum Abendgottesdienst. Die Predigt handelt heute von Psalm 50,15. »Rufe mich an in der Not.« Wir dürfen – nicht nur in der Not – zu Gott rufen, predigt der Pfarrer. Oh ja, wie recht hat er, denke ich und bin dankbar für dieses Wochenende.

      Mutmach-Tipp:

      Habe Mut, andere Menschen um Hilfe zu bitten. Entdecke deine persönlichen Kraftquellen.

      Zum Nachlesen:

      2. Könige 4,1-7; Psalm 50,15

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      8. Gemeinschaft tut gut

      Am Sonntag im Gottesdienst gibt es eine Ankündigung. Es geht um ein neues Angebot: ein Wochenende für Mütter. Mir ist sofort klar: Dort gehe ich nicht hin. Wo Mütter sind, geht es um Kinder, und um Kinder geht es bei mir schon genug. Wo Mütter zusammen sind, geht es aber auch um Väter und Ehemänner, und darauf habe ich nun ganz und gar keine Lust. Diesen Schmerz erspare ich mir, denke ich. Ich gehe lieber wieder einmal allein weg. Einen Sonntag später werde ich dann aber ganz persönlich und freundlich von einer Frau eingeladen: »Komm doch mit«, sagt sie, »ich gehe auch.« Genau diese Frau hatte mir in den Wochen nach dem Tod meines Mannes einige Male unter die Arme gegriffen. Fast ein wenig ihr zuliebe melde ich mich dann halt doch an. Wir verbringen dieses Wochenende in einem »Haus der Stille«, unweit von unserer Gemeinde entfernt. Einige der Frauen werden am Freitagnachmittag wie erwartet von ihren Männern gebracht und intensiv verabschiedet. Wusste ich es doch. Ich gehe in mein Zimmer und erscheine erst zum Abendessen wieder. Danach gibt es eine Kennenlernrunde. Wir sind eine gut überschaubare Gruppe, das ist mir recht. Die Kennenlernrunde ist dann auch ziemlich witzig, nicht so steif, wie ich das sonst von christlichen Gruppen kenne. Die Familienverhältnisse spielen gar keine Rolle, sondern es geht um andere Themen, die den Menschen ebenso ausmachen. Ich habe richtig Spaß, gehe erst spätabends zu Bett und schlafe tief und fest.

      Wie der Name des Hauses schon erahnen lässt, findet das Frühstück in der Stille statt. Wie gut mir das tut, wo es bei mir zu Hause am Esstisch sonst immer so laut und turbulent zugeht. Bei der Gesprächsrunde am Vormittag lerne ich einige der Frauen besser kennen, ich erfahre etwas von ihren Sorgen und Nöten. Am Nachmittag kann ich mich dann zurückziehen und für mich sein. Zu Kaffee und Kuchen treffen wir uns wieder, schwatzen und lachen. Ich merke zunehmend, wie es mir guttut, dieses Zusammensein. Ich merke aber auch, wie sich etwas an Beziehung entwickelt zu den Frauen, die ich sonst nur flüchtig kenne. Am Sonntagmorgen feiern wir dann zusammen Gottesdienst. Eine der Frauen leitet den Lobpreis und eine andere hat sich anhand der Bibel Gedanken zu einem Thema gemacht. Wir tauschen uns darüber aus und beten anschließend noch füreinander. Am Nachmittag berichtet die Leiterin von weiteren Treffen, die nun in Planung sind. Ich beschließe, daran teilzunehmen. Am Sonntagabend komme ich erfüllt, erholt und glücklich zu Hause an. Meine Mutter, die bei den Kindern gewesen ist, kommt zur Tür, um mich zu begrüßen: »Und, wie war es?« »Gut«, sage ich, »sehr schön.« »Gemeinschaft ist eben sehr wichtig«, sagt sie. Wie recht sie doch hat, denke ich.

      Das gemeinschaftliche Zusammensein mit anderen Menschen entspricht zutiefst dem Wesen des Menschen. Aus diesem Grund schuf Gott auch schon zu Beginn der Menschheit die Ehe als kleinste, verbindliche Gemeinschaft (vgl. 1. Mose 2,18). Doch auch König Salomo berichtet im Buch der Prediger in Kapitel 4,9-10 über die Vorzüge menschlicher Gemeinschaft: »Zwei haben es besser als einer allein. (…) Wenn sie hinfallen, kann einer dem anderen aufhelfen. Doch wie schlecht ist der dran, der allein ist und fällt, und keiner ist da, der ihm beim Aufstehen hilft!«

      Die Gemeinschaft soll also ein Ort sein, an dem es uns warm ums Herz wird und an dem wir einander wieder beim Aufstehen helfen. Damit eine Gemeinschaft jedoch als nah und vertraut erlebt werden kann, ist es erst einmal wichtig, ein verbindlicher Teil davon zu werden.

      Neben dem Aspekt, füreinander da zu sein, nennt die Bibel noch weitere Gründe, warum Gemeinschaft für uns Christen wichtig ist. In Apostelgeschichte 2,42-47 wird von den ersten Christen berichtet, wie sie regelmäßig zusammenkommen, um Gottes Wort zu hören, Gott zu loben, Gemeinschaft zu haben und zu beten. Dies ermutigt sie ungemein und stärkt ihren Glauben. Es hilft ihnen


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