Falsches Spiel in Brodersby. Stefanie Ross
Ein alter Freund von Jan, den es nun auch in diese wunderschöne Gegend verschlagen hat.«
»Lena, Jans … Partnerin.«
Jan atmete auf. Wenigstens hatte sie nicht aus Versehen verraten, dass sie verheiratet waren.
»Sehr erfreut.« Lena deutete auf den Tisch. »Wenn du was essen willst, wird es eng. Der Platz ist eigentlich nur für Dimitris Ouzoglas.«
»Dann beschränke ich mich auf ein schönes Glas Wein. Lasst euch nicht vom Essen abhalten. Ich habe schon gemerkt, dass Dimitri ein wahrer Meisterkoch ist.«
Jan rollte demonstrativ mit den Augen. Schließlich war Elena die Küchenchefin, während sich ihr Mann um den Servicebereich kümmerte. Ein letzter Rest seiner Erziehung hinderte Jan daran, Paul zu empfehlen, sich einen anderen Platz zu suchen. Und Lena würde ebenfalls für eine solche Unhöflichkeit kein Verständnis haben. Er entschloss sich zu einer anderen Taktik und ignorierte Paul. Das Essen war der ideale Vorwand, keine Unterhaltung führen zu müssen.
Paul schien seine Schweigsamkeit nicht zu stören. Er unterhielt sich mit Lena und stellte dabei einige Fragen, die definitiv zu indiskret waren. Es ging ihn überhaupt nichts an, wie viel ihre Bilder kosteten oder wie viel Geld sie in das Haus investiert hatten. Doch Lena wich diesen Details charmant aus und falls sich Paul darüber ärgerte, ließ er es sich nicht anmerken.
Das Gyros war köstlich wie immer: knusprig, hervorragend gewürzt und von einer exzellenten Fleischqualität. Es machte sich bezahlt, dass Dimitri auf Klasse statt auf Masse setzte. Jan ließ das Gespräch an sich vorbeirauschen. Die meiste Zeit erzählte Paul von sich, offensichtlich in dem Bemühen, Lena zu beeindrucken. Aber die Anekdoten klangen einstudiert und gaben keine persönlichen Informationen über ihn preis.
Mit einer herrischen Geste winkte Paul den Gastwirt zu sich. »Drei Ouzo auf meine Rechnung.«
»Erstens sind Jan und Lena bereits meine Gäste. Und zweitens bezweifele ich, dass Lena einen Schnaps trinkt.«
Paul sah Lena auffordernd an. »Du erweist mir doch bestimmt die Ehre, unsere Bekanntschaft mit einem Glas Ouzo zu besiegeln?«
Lena legte den Kopf schief. »Hast du schon mal über einen Sehtest nachgedacht?«
»Was meinst du?«
»Nun ja, eigentlich ist kaum zu übersehen, dass ich im neunten Monat schwanger bin. Damit muss ich auf Dimitris Ouzo leider verzichten.«
Pauls fassungslose Miene verriet, dass ihm dieses Detail bisher entgangen war.
Da sein ehemaliger Kamerad endlich schwieg, nutzte Jan die Gelegenheit, ihm die Frage zu stellen, die ihn brennend interessierte. »Du musst mir natürlich keine Geschäftsgeheimnisse verraten, aber dass du ausgerechnet mit meinem Vater zusammenarbeitest, erstaunt mich. Woher kennt ihr euch?«
Damit hatte Jan offenbar einen Treffer gelandet.
Paul sah auf die Uhr. »Verflixt, schon so spät! In deiner Gegenwart ist die Zeit wie im Fluge vergangen, liebe Lena. Ich muss leider los. Wir treffen uns bestimmt bald wieder!« Er stand auf und ging.
Lena blickte ihm nach. »Hättest du die Frage nicht eher stellen können? Die hat ihn erfolgreich in die Flucht geschlagen. Das ist ja vielleicht ein Typ! Total von sich überzeugt, versucht, eine Frau zu bezirzen, die in festen Händen ist, und ist dabei so auf sich fixiert, dass er meinen gigantischen Kugelbauch übersieht. Also, ich mag ihn nicht und hoffe, dass war kein Freund von dir. Allerdings ist die Frage ja eigentlich überflüssig, so wie du dich an unserem Gespräch beteiligt hast. Nicht.«
Jan schmunzelte, als Lena Idas Teenagersprache imitierte, indem sie die Verneinung als ein einzelnes Wort folgen ließ. »Ich habe ihn nie gemocht. Michael hat ihn sogar für einen Verbrecher gehalten. Reicht das?«
»Fast. Was genau macht dein Vater eigentlich beruflich?«
»Er ist im Finanzbereich tätig und so etwas Ähnliches wie eine Heuschrecke, allerdings im kleineren Stil.«
»Kannst du das für jemanden übersetzen, der von der Materie keine Ahnung hat?«
»Er kauft billig Firmen, denen es schlecht geht, poliert sie auf und verkauft sie wieder für viel Geld. Besser?«
»Ja. Warum nicht gleich so? Und wie passt das zu Paul? Dass sie zusammenarbeiten, steht ja nach Liz’ Aussage fest.«
»Und nach seiner Reaktion ganz sicher«, bekräftigte Jan und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. So viel Fantasie habe ich nicht. Vielleicht findet Felix im Internet und eventuell im elektronischen Handelsregister eine Verbindung zwischen ihnen.«
»Sehr gut. Dann hat er was, womit er sich beschäftigen kann, und wir bekommen hoffentlich schnell eine Antwort.«
»Wir?« Lenas drohende Miene brachte ihn dazu, sofort einzulenken. »Okay, wir.«
Da Dimitri mit einem Tablett, auf dem drei Gläser standen, zu ihnen kam, beendeten sie das Thema.
Er stellte eines der vereisten Gläser vor Lena ab. »Granatapfelsaft! Der wird dir bestimmt schmecken und ist äußerst vitaminreich.« Nachdem sie sich zugeprostet und getrunken hatten, seufzte der Grieche. »Ich mag den Kerl nicht. Obwohl er ein sehr großzügiges Trinkgeld gibt.«
»Ich auch nicht«, schloss sich Jan an. Lena nickte nur stumm.
Montagmorgen und das Wochenende lag noch in weiter Ferne. Müde blickte Jan auf die Ostsee hinaus. Wieder war der Himmel tiefgrau und das aufgewühlte Meer verstärkte den wenig einladenden Eindruck noch. Außer einem Besuch von Jörg und Andrea am Samstagabend, mit denen sie sich gemeinsam einen hochgelobten Film angesehen hatten, hatten sie nichts vorgehabt und die Ruhe genossen. Von dem Film hatte Jan nicht besonders viel mitbekommen, nachdem Jörg ihm von der Anfrage des MAD erzählt hatte. Statt das Drama auf dem Fernseher zu verfolgen, hatte er nach einem Grund für das Interesse der Behörde gesucht und nicht gefunden.
Nach einem ruhigen Tag hatte Lena letzte Nacht kaum geschlafen, weil das Kleine zu sehr getobt hatte. Aus Solidarität war Jan ebenfalls wach geblieben und bekam nun die Quittung. Er gähnte und hielt nach einem Hoffnungsschimmer Ausschau. Sosehr er die norddeutsche Landschaft mittlerweile liebte, so sehr hasste er die grauen, trüben Tage. Aber die Wolkendecke bildete eine feste Front, da hatte die Sonne niemals eine Chance.
Statt loszufahren, füllte er seinen Becher zum zweiten Mal mit Kaffee und lauschte auf Geräusche aus dem ersten Stock. Nichts. Lena schlief weiter, nachdem sie in den frühen Morgenstunden endlich eingeschlafen war. Dann würde er sie nicht wecken, auch wenn sie ihm fehlte.
Während er den Kaffee trank und dabei einige Möwen beobachtete, die dicht über der Wasseroberfläche nach Fischen Ausschau hielten, überlegte er ein weiteres Mal, wie die Einschaltung des MAD zu dem Phosphorfund passte. Er kannte die Mitarbeiter des Geheimdienstes von den Sicherheitsüberprüfungen des KSK und hatte vor Ewigkeiten mit einem Beamten in Afghanistan zusammengearbeitet. Einen besonders guten Eindruck hatten die Männer nicht bei ihm hinterlassen. Er gab Markus recht, dass die Nachfrage mit dem toten Russen oder dem Phosphorfund zusammenhängen musste, da in beiden Polizeiberichten Jörgs und sein Name erwähnt wurden. Doch das half ihm nicht weiter.
In der Mittagspause würde er Felix besuchen und hoffen, dass sein Freund wenigstens herausgefunden hatte, wie sein Vater und Paul Winkler zusammenhingen. Da er nicht an Zufälle glaubte, ging er von einer Verbindung der beiden mit dem Russen sowie dem Phosphorfund aus, gleichzeitig sagte er sich jedoch, dass das Schwachsinn war.
So kam er nicht weiter. Er stellte den leeren Kaffeebecher in den Geschirrspüler und machte sich auf den Weg in die Praxis.
Gerda war trotz des trüben Montags bester Laune und Jans Stimmung hob sich geringfügig. Wie versprochen hatte die Mutter des Schulschwänzers sie mit Erdbeermarmelade versorgt und ihnen ein paar frische Brötchen von Ernas Kiosk vorbeigebracht. Erna bezog ihre Backwaren von einem Betrieb, der den Teig noch selbst ansetzte, und verschmähte den günstigeren Industriekram. Jan und zahlreiche andere Dorfbewohner wussten die Qualität zu schätzen und bezahlten bereitwillig ein paar Cents mehr.
Normalerweise