Falsches Spiel in Brodersby. Stefanie Ross
was anfangen kann, aber irgendwas wird ja den MAD auf den Plan gerufen haben.« Er schob Markus das Handy wieder zu. »Und es macht mich extrem misstrauisch, dass die Jungs so schnell aktiv werden, denn dieser Zeitungsartikel ist erst ein paar Stunden alt.«
Markus sah einen Moment gedankenverloren auf seinen Monitor. »Vergiss den Zeitungsartikel, da werden keine Namen genannt. Wenn einer den MAD auf den Plan gerufen hat, dann der Polizeibericht – entweder der über den Phosphorfund oder der über den Toten.«
»Den Toten?«, brüllte Martin los.
»Ups, das hatte ich wohl vergessen zu erwähnen. Es gab da einen toten Russen …«
***
»Der letzte Patient hat abgesagt. Wieder einmal eine Wunderheilung eines Teenagers, nachdem die Mutter erfahren hat, dass eine Klausur auf dem Programm gestanden hat. Das gibt ein paar Gläser köstlicher Erdbeermarmelade! Hoffentlich die mit Rum.«
Jan grinste amüsiert. Er kannte mittlerweile einige Schüler, die zu Spontanheilungen neigten, wenn ihre Mütter sie in die Praxis schleppen wollten. Gerda kannte ihre Pappenheimer und legte solche Fälle grundsätzlich auf die Termine vor dem Ende der Sprechstunde, um ihnen so eine längere Mittagspause zu sichern. Da sich die Eltern mit Geschenken aus dem heimischen Garten oder der Küche entschuldigten, konnten sie gut damit leben.
Er blickte auf die Uhr. »Perfekt, dann bin ich noch einen Ticken früher bei Lena. Das passt prima.«
Gerda sah ihn drohend an. »Nur, wenn du sie nicht zu sehr betüddelst!«
»Als ob ich das tun würde«, wehrte Jan ab.
Gerda sah ihn stumm an.
»Als ob sie das zulassen würde«, ergänzte er.
»Na, das wohl eher. Ich verstehe es ja, wenn sich ein Mann um seine Frau kümmert, aber übertreib es nicht!«
War da eine eigentümliche Betonung gewesen? Eigentlich konnte Gerda unmöglich von ihrer heimlichen Hochzeit erfahren haben, mittlerweile traute er ihr und Erna allerdings so ziemlich alles zu. Schlagartig wurde ihm wieder bewusst, wie lang die Liste derjenigen war, denen er und Lena etwas zu beichten hatten: Felix, Liz, Richie … Jan dachte lieber schnell an etwas anderes.
Er brummte etwas Unverständliches und fuhr den PC runter. »Wir sehen uns Montag.«
»Jo. Und mach bis dahin keinen Blödsinn.« Statt sein Zimmer zu verlassen, blieb Gerda stehen und sah an Jan vorbei.
Alarmiert überlegte er, was er verbrochen haben könnte. Ihm fiel nichts ein. »Nun spuck schon aus. Was ist denn noch?«
»Dimitri meinte, es wäre gut, wenn Lena und du heute Abend im Zeus essen würdet.«
»Was?«
»Er hat euren Lieblingstisch reserviert und für Lena eine mit Käse überbackene Gemüsepfanne vorbereitet.«
Jan verstand kein Wort. Seit drei Monaten waren Lena und er nicht mehr im Zeus gewesen, weil Lena seit dem Zeitpunkt von einem Tag auf den anderen kaum noch Fleisch gegessen hatte. Da er einen Tag zuvor mittags dank Jörg eine Riesenportion von Dimitris köstlichem Gyros gehabt hatte, hielt sich seine Sehnsucht nach dem Griechen in Grenzen.
»Wenn du mir nicht erklärst, warum wir das tun sollen, mache ich gar nichts.«
»So ein Mist. Dass du aber auch immer so stur sein musst!« Sie setzte sich auf den Stuhl vor Jans Schreibtisch. »Hannes Waldner war gestern im Zeus.«
Da sie nicht weitersprach, war Jan damit kein bisschen schlauer.
»Ich kenne und schätze Hannes. Und warum sollen wir heute hin, wenn er gestern dort gewesen ist?«, fragte er.
»Dimitri und Hannes waren sich einig, dass es ganz gut wäre, wenn ihr da mal auftaucht, ehe es heißt, ihr seid zu fein, um dort zu essen.«
Schlagartig ergab Gerdas Vorschlag einen Sinn. »Hat es wieder dämliche Sprüche über uns gegeben?«
»Ja. Diesmal hieß es, dass du Jörg zum Essenholen schickst, weil dir die Gaststube zu bürgerlich sei.«
»Bitte was? Wer erzählt denn so einen Mist?«, brach es aus Jan hervor.
»Das weiß ich nicht genau. Hannes und Dimitri haben da gleich gegengesteuert, aber du weißt ja, wie das ist. Da liegt was in der Luft, das mir nicht gefällt.«
Die Tür wurde nach einem scharfen Klopfen aufgerissen und Heiner stürmte ins Zimmer. »Dachte ich mir doch, dass ich euch hier finde, wenn das Wartezimmer leer ist.«
Da sein Freund ungewöhnlich aufgebracht wirkte, verzichtete Jan auf den Hinweis, dass er auch einen Patienten hätte behandeln können. »Ist was passiert?«
»Zwei Sachen. Ach nee. Moin erst mal. Vor allem dir, liebe Gerda. Entschuldigt meinen Mangel an Manieren, aber ich könnte …«
Jans Stimmung hob sich wieder. Nachdem vor nicht allzu langer Zeit Gerda und Heiner wie Katz und Hund gewesen waren, spielte der ehemalige Polizist ihr gegenüber nun seinen Charme aus und die Arzthelferin genoss dies offensichtlich.
»Moin, Heiner. Na, erzähl mal, was ist dir denn über die Leber gelaufen? Oder möchtest du erst einmal einen ordentlichen Schluck? Ich habe noch etwas von Hinnarks Apfelbrand da.«
Das war Jan neu und er fragte sich, wann Gerda den wohl trank oder eher getrunken hatte.
Ehe Heiner zustimmen konnte, eilte Gerda in die Pantry und kehrte mit drei vereisten Gläsern zurück, in denen eine goldfarbene Flüssigkeit schimmerte.
Wenn er das ablehnte, war seine Arzthelferin tödlich beleidigt und außerdem schmeckten die Obstbrände des Biobauern verdammt gut.
»Na, wenn du mich so bittest«, sagte Heiner, griff nach einem Glas und prostete ihnen zu. Er trank den Schnaps in einem Zug und warf Jan einen entschuldigenden Blick zu. »Reine Nervennahrung, Doc.«
»Ich sag dazu nichts … Nun erzähl mal. Was ist los?«
»Felix und ich kommen nicht weiter. Wir sind ganz sicher, dass unsere Theorie stimmt: Da holt jemand das Zeug hoch und dabei ist ein Taucher verunglückt. Das passt perfekt, nur …« Er zuckte mit den Schultern und sah auf Jans Glas, das noch halb gefüllt war.
Jan schob es ihm zu. »Ich weiß, woran ihr scheitert. Es ist sinnlos, so einen Mist zu bergen, weil man damit nichts anfangen kann.«
Heiner leerte Jans Glas und atmete tief durch. »Ganz genau. Was entgeht uns da? Wir haben uns die Köpfe heiß geredet und das Internet durchforstet, finden aber nichts. Und dann sind da noch zwei Sachen.« Er hob einen Finger. »Erstens ist uns nicht klar, wer wissen kann, wo der Dreck liegt. Ich meine, man schippert ja nicht auf Verdacht zwischen Port Olpenitz und Damp hin und her und schmeißt ab und zu einen Taucher ins Wasser.«
»Guter Punkt. So weit war ich noch gar nicht. Vielleicht sind wir auf dem Holzweg und das Boot war harmlos.«
»Niemals!« Heiner klopfte sich auf den Bauch. »Der hier meldet, dass da was faul mit dem Kahn war, und der irrt sich nicht.«
»Okay und zweitens?«
»Im Ort wird mit mal jede Menge Mist über dich und Lena erzählt. Irene hat das gehört. So von wegen, ihr haltet euch für was Besseres. Und dass du deine Stellung ausnutzt, um dir Vorteile zu verschaffen, und all so’n Mist. Die meisten glauben das natürlich nicht und diejenigen, die dich gut kennen, mal gar nicht, aber das ist so bösartig, dass da was bei dem einen oder anderen hängen bleiben könnte. Manche sind eben neidisch oder verdammt beschränkt in ihrer Welt und finden das so’n bisschen merkwürdig, wenn der Arzt mit einem Motorrad durch die Gegend rast und dabei Verbrecher jagt.«
Gerda schlug mit der Faust so heftig auf den Schreibtisch, dass der Monitor wackelte. »Genau das sag ich doch!«
Jan blinzelte irritiert. »Dich stört die Ninja auch?«
»Mensch, Jan! Du bist, wie du bist, und das ist gut so. Diese Gerüchteküche gefällt mir nicht!«