Doggerland. Elisabeth Filhol

Doggerland - Elisabeth Filhol


Скачать книгу

      Élisabeth Filhol

      Doggerland

      Roman

      Aus dem Französischen übersetzt von Cornelia Wend

image

      Die Originalausgabe des vorliegenden

      Buches erschien unter dem Titel Doggerland

      © P.O.L. Éditeur, 2019

image

      Dieses Buch erscheint im Rahmen des

      Förderprogramms des Institut Français

image image

      Edition Nautilus GmbH

      Schützenstraße 49 a · D - 22761 Hamburg

       www.edition-nautilus.de

      Alle Rechte vorbehalten · © Edition Nautilus GmbH 2020

      Deutsche Erstausgabe Oktober 2020

      Umschlaggestaltung: Maja Bechert, Hamburg

       www.majabechert.de

      ePub ISBN 978-3-96054-233-9

      Inhalt

       Margaret

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Marc

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       Kapitel 11

       Kapitel 12

       Kapitel 13

       Kapitel 14

       Storegga

       Kapitel 15

       Kapitel 16

       Kapitel 17

       Kapitel 18

       Epilog

       Doggerland, 6150 v. Chr.

Margaret

      1

      Sie haben gesehen, wie es geboren wurde, wie es im Meer vor Island aus dem Nichts auftauchte. Sie verfolgten gebannt, wie es sich entfaltete, eingenistet in seinem Tiefdruckbett, gezeugt von einem Schwall subtropischer feuchter Luft, der sich an die Grenzen des arktischen Ozeans verirrt hatte. Und nun explodiert es förmlich, eine Bombe. Wie in einem Film, den man im Schnellvorlauf abspielt, da war nichts und nun ist es da. Man spricht es auf Französisch eher wie Xavère aus und weniger wie Xavier, noch ist Xaver keine Katastrophe, noch ist es ein schönes Anschauungsobjekt. Als solches verdient es, auf Initiative der europäischen Meteorologen, mit einem eigenen Taufnamen ausgezeichnet zu werden. Es ist ausreichend unerwartet, unvorhersehbar und spektakulär.

      Sie haben gesehen, wie es sich südöstlich vor Grönland erhob, wie es in Rekordzeit dreist seine Hülle durchbrach, vor den Augen der von Tempo und Ausmaß des Phänomens kalt erwischten numerischen Wettervorhersagemodelle.

      Sie haben gesehen, wie es sich einkringelte, sich einrollte, in der aufsteigenden Bewegung der Konvektion, und wie es im Zeitraffer, aufgeputscht durch einen schwindelerregenden Druckabfall in diesem Gebiet, seinen Durchmesser vergrößerte. Da war nichts und urplötzlich ist es da, von Anfang an ganz es selbst, ein Titan, kaum auf der Welt, schon aktiv und im Vollbesitz seiner Kräfte. Jetzt erwacht es über dem Nordatlantik zum Leben und sprengt sogleich den Bildschirmrahmen, dabei nimmt es ohne weitere Umschweife eine vollendete Form an, wie Athene, die in voller Rüstung dem Schädel ihres Vaters entsprang. Es wird größer, es wächst, entwickelt sich in einem exponentiell zunehmenden Tempo und beginnt, sich von Westen her auf den Weg Richtung Osten zu machen, wird im Laufe der Stunden immer größer, die Isobaren werden immer zahlreicher, stehen immer enger. Und sie sitzen hinter ihren Bildschirmen, verarbeiten, analysieren und bemühen sich um eine möglichst korrekte Einordnung der vielen ungewöhnlichen Parameter, die das möglich gemacht haben, und bereiten sich auf das Schlimmste vor.

      In diesem Stadium wird noch keine offizielle Warnung herausgegeben. Aber die Mitarbeiter der verschiedenen meteorologischen Dienste, vom Met Office, vom Deutschen Wetterdienst, von Météo-France oder vom Meteorologisk Institutt, stehen bereits Gewehr bei Fuß. Denn das, was die Modelle der in Echtzeit mit Daten gefütterten Hochleistungsrechner jetzt voraussagen, ist, dass man ihre Hilfe nicht mehr benötigt, um Xaver vorherzusehen, das Ausmaß lässt sich mit eigenen Augen abschätzen, ein Ausmaß, das für viele Meteorologen präzedenzlos ist, ein solches Phänomen hat man seit zwanzig oder dreißig Jahren nicht mehr beobachtet. Sie starren auf die Satellitenbilder und können nicht glauben, was da im Gange ist, was sich im Schatten der Drei-Tages-Vorhersagen abspielt, die Jüngeren unter ihnen haben dergleichen noch nie gesehen. Es wächst und breitet sich in diesem Zeitraum, in dem es ohne jeden Zeugen über dem Atlantik bläst, übertragen durch Sensoren, Bojen, Satelliten und über den Umweg von Simulationen, immer weiter aus, wie eine mythische Macht, halb konkret, halb abstrakt, nicht wirklich real, aber auch nicht nur rein theoretisch. Sie bewundern es für das, was es ist, eine Ausnahmeerscheinung in all seinen Parametern und dem Zusammentreffen dieser Parameter, wie eine seltene Planetenkonstellation, ein Schauspiel, das man nur ein- oder zweimal in seinem Leben erlebt, sie sind hingerissen von der Schnelligkeit seiner Entwicklung und seinem Wachstumspotenzial, während die Daten auf den Bildschirmen an ihnen vorüberziehen, permanent aktualisiert werden, und das ist erst der Anfang. Sie sehen bereits die zweite Phase


Скачать книгу