Niewetow. Karsten Stegemann
Moment nicht so recht vorangeht mit Ihrer Reportage. Jetzt würden Sie am liebsten nochmals spätabends auf die stinkende Fähre steigen, um sich diesen Betrunkenen zu schnappen. Aber es wird kein Betrunkener da sein, oder zumindest nicht derselbe, oder Sie werden sich nicht sicher sein, ob er’s ist.«
Er ging auf sein Auto zu, das ein paar Meter weiter die Straße hinunter parkte.
»Das können Sie nicht machen«, rief ich, »nicht schon wieder. Sie werden es nicht schaffen. Allein werden Sie es niemals schaffen!«
Meine Forschheit ließ ihn innehalten, sein Kopf fuhr herum, er sah mich übers Autodach hinweg an.
»Was werd ich nicht schaffen?«
»Wenn – Sie nicht lernen«, stotterte ich, »auf Ihren – Bauch zu hören – statt auf Ihren Kopf – «
Krummnow stützte sich schwer am Wagen ab, so als drohte er andernfalls zusammenzubrechen. »Erzählen Sie nur weiter.«
»Aber Sie wollen es doch gar nicht hören!«
»Nicht ernsthaft, aber ich könnte jetzt wirklich etwas Amüsement gebrauchen, mein Junge.«
Mein Mund fühlte sich trocken an, ich schloss die Augen.
»Nun sagen Sie schon«, ermutigte mich Krummnow.
»Ich hab in letzter Zeit die Erfahrung gemacht«, begann ich, »dass ich umso langsamer vorankomme mit meiner Arbeit, je länger ich jeden Schritt mit Vorbedacht abwäge. Die meisten Leute überschätzen nämlich die Bedeutung des Verstandes, zuallererst lasse ich mich beim Schreiben von meiner Intuition leiten, das Denken kommt später.«
Krummnow schien die Kontrolle über seine Gesichtszüge entglitten zu sein, sein Unterkiefer klappte herunter, und auf seine Augen legte sich ein Glanz wie beim Betrachten einer seltenen Tierart hinter den Stäben eines Zoogeheges.
Dann glitt er wortlos auf den Fahrersitz, startete den Wagen und fuhr langsam davon.
Nach etwa zwanzig Metern hielt er an, stand eine Weile da, setzte schließlich zurück und schrie mir durch das Fenster der Beifahrertür zu: »Herrgott nochmal, Beweise! Bringen Sie mir gefälligst Beweise!«
Ich zerrte meine Hand so heftig aus der Tasche, dass ich beinahe meinen Mantel zerrissen hätte; ich streckte ihm meine Faust entgegen und öffnete zitternd die Finger.
»Wissen Sie, was das ist? Nein? Aber ich weiß es. Ich weiß auch, wer der alte Mann war: einer der Stammgäste im Fahrradverleih.«
Krummnow senkte den Kopf auf seine überm Lenkrad verschränkten Arme. Er seufzte.
»Und warum meinen Sie, dass der ermordet wurde?«
Es folgte ein langes Schweigen.
Krummnow schien mit geschlossenen Augen zu beten.
»Steigen Sie schon ein!«
»Wie?«
»Steigen Sie ein, verdammt noch mal. Dann fahren wir eben zu diesem Fahrradverleih. Wir werden ja sehen, ob es Indizien für einen Mord gibt. Dabei ist die Gerichtsmedizin noch nicht mal mit ihm fertig.«
Ich riss die Beifahrertür auf, die linke Faust immer noch in meiner linken Tasche. »Da ist noch was anderes, dieser Seetang, der letzte Nacht vor meiner Tür gelegen hat.«
»Jetzt halten Sie die Klappe und schnallen sich an, ja?«
Der Wagen schoss unvermittelt nach vorn, es gelang mir gerade noch, den Gurt zu schließen.
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