Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich. Martin Schölkopf

Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich - Martin Schölkopf


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an Versorgungsleistungen; sie reichen von Präventionsmaßnahmen über die ambulante und stationäre Versorgung sowie die Arzneimittelversorgung bis zu Heilmitteln wie beispielweise Physiotherapie. Zahnärztliche Behandlung ist nur bei Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 20 Jahren Teil des Leistungskatalogs. Bei Erwachsenen hingegen wird sie nur in Ausnahmefällen finanziert. Auch Zahnersatz und Sehhilfen sind im Regelfall nicht im Leistungskatalog enthalten; begrenzte Leistungen gibt es in einigen medizinisch begründeten Ausnahmefällen.

      Daneben gibt es in Norwegen auch Geldleistungen bei Krankheit und Mutterschaft sowie bei berufsbedingten Unfällen. Diese Leistungen verantwortet und finanziert die nationale Sozialversicherung.

       Organisation der Versorgung

      Für die Sicherstellung und Organisation der ambulanten medizinischen Versorgung in Norwegen sind grundsätzlich die Kommunen zuständig, die im Hinblick auf diese Aufgabe eine große Gestaltungsfreiheit genießen, die zuletzt auch nochmals bekräftigt bzw. gestärkt wurde.

      Im Regelfall schließen die Kommunen für die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung Verträge mit selbstständigen Allgemeinärzten ab, die in der Regel in Gemeinschaftspraxen arbeiten. Jeder Bürger soll sich für einen Hausarzt entscheiden und sich bei diesem einschreiben; er hat dabei die freie Arztwahl (allerdings höchstens zwei Mal im Jahr). Einen Zwang zur Einschreibung in dieses Hausarztsystem gibt es zwar nicht, wohl aber finanzielle Anreize, weil Personen, die nicht daran teilnehmen, höhere Zuzahlungen beim Hausarztbesuch entrichten müssen. De facto sind über 99 Prozent der Bevölkerung bei einem Hausarzt eingeschrieben. Den Hausärzten kommt die Gatekeeperfunktion zu, denn eine Übernahme der Kosten der fachärztlichen Behandlung durch den öffentlichen Gesundheitsdienst erfolgt grundsätzlich nur, wenn dieser eine Überweisung durch den Hausarzt vorausgegangen ist (Ausnahme ist die Notfallambulanz). In den vergangenen Jahren gab es auch in Norwegen Bemühungen, den integrierten bzw. interdisziplinären Ansatz in der Primärversorgung zu stärken – um so insbesondere den Bedarfen von chronisch kranken und alten Menschen im Versorgungsalltag besser Rechnung tragen zu können.

      Die ambulante fachärztliche Versorgung findet in Norwegen meist in den Krankenhäusern statt. Nur rund ein Viertel der gesamten ambulanten fachärztlichen Behandlungen wird von niedergelassenen Spezialisten durchgeführt, die einen Vertrag mit der jeweiligen regionalen Gesundheitsbehörde haben. In Norwegen gibt es vier dieser regionalen Verwaltungseinheiten, die direkt dem Gesundheitsministerium und damit dem Zentralstaat unterstellt sind. Bei ihnen liegt der Sicherstellungsauftrag für die stationäre/fachärztliche Versorgung. Die Krankenhäuser sind im Regelfall als öffentliche Stiftungen organisiert und rechtlich selbstständig, unterliegen aber der Aufsicht der jeweiligen regionalen Gesundheitsbehörde. Zudem gibt es auch einige wenige private bzw. gemeinnützige Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit einer der vier regionalen Gesundheitsbehörden abgeschlossen haben. Norwegische Patienten können frei zwischen den Krankenhäusern wählen. Seit einiger Zeit gibt es Bestrebungen, die norwegischen Krankenhäuser in Netzwerken zusammenzuschließen, um so mehr Kooperation in der stationären Versorgung bzw. zwischen den Häuser verschiedener Versorgungsstufen zu etablieren.

      Im europäischen Vergleich fällt die Bettendichte in Norwegen – ebenso wie in den anderen skandinavischen Ländern – eher unterdurchschnittlich aus: Während es 2017 im Durchschnitt aller EU-Staaten 5,0 Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner gab, waren es in Norwegen 3,6 Betten. In Bezug auf die Arztdichte und die Versorgungsdichte mit Krankenpflegepersonal liegt Norwegen jeweils weit über dem europäischen Durchschnitt; bei der Arztdichte nimmt Norwegen mit 4,7 Ärzten je 1.000 Einwohner einen OECD-Spitzenplatz ein.

       Zuständige Behörden im Internet

      Ministerium für Gesundheit und Pflege: www.regjeringen.no

      Norwegische Gesundheitsbehörde: www.helsedirektoratet.no

       Vertiefende Literatur

      Morgan, D./Gmeinder, M./Wilkens, J. 2017: An OECD Analysis of Health Spending in Norway. OECD Health Working Paper. OECD Publishing, Paris.

      Lindahl, A.K. 2017: The Norwegian Health Care System, in: Mossialos, E. et al. (Eds.): International Profiles of Health Care Systems. Commonwealth Fund. Washington. 133–141.

      OECD/European Observatory on Health Systems and Policies 2019: Norway: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, OECD Publishing, Paris/ European Observatory on Health Systems and Policies, Brussels.

      Sperre Saunes, I. et al. 2020: Norway. Health system review. Health-Systems in Transition, Copenhagen.

       2.3.4 Schweden

       Grundstruktur

      Schwedens Gesundheitswesen ist durch einen öffentlichen Gesundheitsdienst gekennzeichnet, der der gesamten Bevölkerung zur Verfügung steht und auf kommunaler Ebene organisiert sowie – überwiegend – auch über diese Ebene finanziert wird. Während sich der Zentralstaat weitgehend auf die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen und Zielvorgaben beschränkt, liegt die Verantwortung für die Sicherstellung und Finanzierung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung bei den 21 Landkreisen und den Gemeinden. Allerdings ist auch in Schweden der bereits mehrfach erwähnte Prozess des Bedeutungszuwachses der Zentralebene zu beobachten. So veröffentlicht die schwedische Zentralregierung beispielsweise Kennzahlen, die Aufschluss über die Qualität der Kliniken geben. Neben dem kommunalen Gesundheitsdienst verfügt Schweden auch über ein, als Volksversicherung konzipiertes, obligatorisches Sozialversicherungssystem, das Teile des Gesundheitswesens mitfinanziert.

      Der Markt der privaten Krankenversicherung wächst in Schweden angesichts einer Wartelistenproblematik im Bereich elektiver Behandlungen dynamisch. Aktuell verfügen rund 10 der Bevölkerung im Alter zwischen 16–64 Jahren über eine Zusatzversicherung, die im Regelfall einen schnelleren Zugang zu fachärztlichen und elektiven Eingriffen gewährleistet. Die diesbezüglichen Versicherungsprämien werden häufig von den Arbeitgebern finanziert.

       Finanzierung

      In Schweden lagen im Jahr 2017 sowohl der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP als auch die Gesundheitsausgaben je Kopf über dem Durchschnitt aller EU- bzw. OECD-Staaten. Mit einem Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt in Höhe von 11,0 Prozent gab Schweden im Jahr 2017 etwas weniger seiner Wirtschaftskraft für Gesundheit aus als Deutschland. Von den vier skandinavischen Ländern ist dies mit Abstand der höchste Anteil. Auch bei der Kennzahl „Gesundheitsausgaben pro Kopf“ gibt Schweden mit kaufkraftbereinigten 5.264 US-Dollar deutlich mehr aus als der Durchschnitt aller EU-Staaten, aber dennoch deutlich weniger als Norwegen. Dafür war das durchschnittliche jährliche Wachstum dieser Kennzahl in den vergangenen 10 Jahren mit einem Plus von 5,6 Prozent p.a. sogar noch etwas höher als in dem westlichen Nachbarstaat.

      Das schwedische Gesundheitswesen wird dominant aus Steuermitteln sowie aus Beiträgen der Sozialversicherung finanziert. Im internationalen Vergleich ist der Anteil der öffentlichen Finanzierung an der Finanzierung der Gesundheitsausgaben mit fast 84 Prozent überdurchschnittlich hoch und kommt fast an den norwegischen Spitzenwert heran. Hauptfinanzierungsquelle des schwedischen Gesundheitssystems sind allgemeine Steuern der Landkreise und Gemeinden, die jeweils eigene Steuerhoheit besitzen (rd. 70 Prozent). Neben ihren eigenen Steuereinnahmen können die Kommunen zudem – ebenfalls steuerfinanzierte – Zuweisungen des Zentralstaats zur Finanzierung der Gesundheitsdienste erhalten (rd. 17 Prozent). Diese Zuweisungen dienen zum Teil dem Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Kommunen, zum Teil sollen sie aber auch spezifische gesundheitspolitische Aufgaben unterstützen. Rund 90 Prozent aller Ausgaben der Landkreise und rund 30 Prozent aller Ausgaben der Gemeinden werden für die Finanzierung von Gesundheitsleistungen verwendet.

      Die privat finanzierten Gesundheitsausgaben gehen mit rund 15 Prozent nahezu ausschließlich auf Zahlungen


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