Projekt Unicorn. Gene Kim

Projekt Unicorn - Gene Kim


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einem vierknotigen VM-Cluster mit administrativem Zugriff gibt! Das bedeutet, dass Maxine endlich machen kann, was immer sie will, ohne ein weiteres Support-Ticket öffnen zu müssen!

      Sie ist sprachlos. Sie spürt, dass ihr Tränen in die Augen steigen. Wegen Lizenzschlüsseln?

      Sie fragt sich für einen Moment, ob sie jegliche Perspektive verloren hat. Aber nachdem sie sich dermaßen im Phoenix-Projekt festgefahren hat, kommt es für sie ganz unerwartet und ist zugleich so unglaublich willkommen, dass sich endlich jemand um ihre Anforderungen kümmert.

      Maxine erinnert es an einen Tag, an dem sie zusammen mit ihrer Familie als Freiwillige neu angekommene Flüchtlingsfamilien unterstützt hat. Sie hat nicht vergessen, wie ihre damals zehn und acht Jahre alten Kinder reagierten, als ganze Familien weinten, weil sie mit Essen, Seife und Waschmittel versorgt wurden.

      Es gibt nichts Lohnenderes, als jemandem etwas geben zu können, der wirklich Hilfe braucht. Jetzt hat sie selbst Unterstützung gebraucht, und sie hat sie bekommen.

      Beschwingt durchblättert Maxine das Dokument. Sie sieht eine lange Liste von Schlüsseln, die in der Windows-Registry hinzugefügt werden müssen. »Keine Sorge, Maxine«, sagt Kurt und ignoriert höflich ihre emotionale Reaktion. »Sie finden die elektronische Version davon in Ihrem Posteingang, sodass Sie alles kopieren und einfügen können.«

      Mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu: »Und es gibt einen Link zu einer Wiki-Seite, auf der Sie weitere Hinweise einbauen können, falls wir etwas übersehen haben. Es gibt eine Reihe von Menschen, die Ihre Arbeit wirklich schätzen. Wir versuchen seit Monaten, das Rätsel um den Phoenix-Build zu knacken! Aber wir konnten uns nie fulltime darum kümmern. Ihre Hinweise haben uns geholfen, endlich alle Teile zusammenzufügen. Das hat uns monatelange Arbeit erspart!«

      Maxine runzelt die Stirn. Sie hat keine Ahnung, wovon Kurt eigentlich spricht, aber es ist ihr auch egal. »Vielen Dank! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viel mir das bedeutet. Wie kann ich mich dafür jemals revanchieren?«

      »Ist doch nur, um einer hart arbeitenden Engineer zu helfen, die versucht, anderen Engineers dabei zu helfen, produktiv zu sein«, sagt Kurt lachend. Aber mit ernstem Gesichtsausdruck fügt er hinzu: »Wenn Sie die Leute kennenlernen wollen, die all das trotz erheblicher Widrigkeiten und großer Hindernisse, die normalerweise solche Spitzenleistungen verhindern, möglich gemacht haben, kommen Sie heute Abend um fünf in die Dockside Bar. Wir treffen uns dort jeden Donnerstag.«

      »Warten Sie, Moment mal«, sagt Maxine und wird plötzlich misstrauisch. »Wenn das alles funktioniert, warum benutzt es dann keiner?«

      »Das ist eine großartige Frage, auf die es einige sehr überraschende Antworten gibt«, sagt Kurt. »Die kurze Version lautet, dass die ›offizielle Build-Mannschaft‹ das Vorgehen nicht wirklich autorisiert hat. Sie scheinen unsere Bemühungen als Belästigung oder, schlimmer noch, als Konkurrenz zu betrachten – was am Vorabend der größten und potenziell riskantesten Anwendungseinführung in der Geschichte des Unternehmens ein bisschen merkwürdig ist, oder?

      Aber wenn Ihnen unser Ergebnis gefällt, können Sie es auf jeden Fall gerne mit jedem teilen, der es brauchen kann. Heute Abend kann ich Ihnen mehr dazu erzählen. Es wäre schön, wenn Sie um fünf Uhr kommen könnten – es gibt eine Menge Leute, die Sie unbedingt kennenlernen möchten«, sagt er. »Und viel Glück mit dem Build!«

      Maxine öffnet ein Terminalfenster auf ihrem Laptop und beginnt, den Anweisungen zu folgen, die Kurt ihr gegeben hat. Ihre Aufregung wächst, als sie erkennt, dass es sich hier tatsächlich um eine funktionierende Entwicklungsumgebung handeln könnte.

      Sie fühlt sich ausgelassen, als sie sich erfolgreich einloggen und »make« in eine Kommandozeile tippen kann, was eine Fülle von fröhlichen Ausgaben auf ihren Bildschirm zaubert.

      Sie ist begeistert, als sie sieht, wie Dateien kompiliert, Binärdateien verlinkt, Programme kopiert, Build-Tools installiert und ausgeführt werden – die Bildschirmausgabe geht weiter und weiter und weiter …

      Erstaunlicherweise läuft der Build für die nächsten 10 Minuten … 15 Minuten … 30 Minuten … sie ist erleichtert, dass es ohne Fehler weitergeht, aber sie beginnt, sich Sorgen über den Umfang des Phoenix-Builds zu machen. Er ist riesig.

      45 Minuten später kann sie den Gang zur Toilette nicht mehr aufschieben; bis dahin war ihre Angst größer gewesen, in der Zeit möglicherweise etwas zu verpassen. Jetzt rast sie hin und zurück und ist erleichtert, dass der Build nicht hängt und immer noch endlosen Output in ihrem Terminalfenster erzeugt.

      Sie scrollt zurück, um zu sehen, ob sie irgendetwas Interessantes verpasst hat. Sie beschließt, die nächste Besprechung des Release-Teams zu schwänzen, damit sie weiterhin den laufenden Build beobachten kann, was sich ein wenig verantwortungslos anfühlt – andererseits weiß sie, dass ein ordentlicher Build-Prozess der Schlüssel für funktionierende Deploy- und Release-Abläufe ist. Und vielleicht steht sie mithilfe ihrer mysteriösen Wohltäter kurz davor, ihren Kampf um den Phoenix-Build endlich zu gewinnen.

      Der Output des Builds wirkt hypnotisch auf sie und ist aufschlussreich, denn sie sieht einige Komponenten zum ersten Mal. Da gibt es Java-JAR-Dateien, .NET-Binärdateien, Python- und Ruby- sowie Unmengen an Bash-Skripten.

      Moment, sind da gerade eine Remote-Shell und ein Installer aufgepoppt? Bevor sie herausfinden kann, was es ist, sind die Fenster auch schon wieder verschwunden. Maxines Ehrfurcht vor und Sorge über die Größe und Vielfältigkeit von Phoenix wächst.

      Sie ist gerade dabei, weiter zurückzuscrollen, als sie sieht, dass von irgendwoher Eclipse heruntergeladen wird. Kann das wirklich sein?, fragt sie sich. 20 Minuten später hätte sie schwören können, dass sie einen Install-Shield-Installer gesehen hat, aber sie merkt, dass sie langsam müde wird und sich die Dinge vielleicht nur einbildet.

      Nach einer weiteren Stunde, in der sie den Build-Output verfolgt, bekommt sie tatsächlich Probleme, sich weiter auf den Bildschirm zu konzentrieren. Aber sie kann definitiv die unterschiedlichen Charaktere und Tech-Stacks der Teams erkennen, die mit dem Projekt zu tun haben. Sie hatte keine Ahnung, dass es so viele sind.

      Das ist verrückt, denkt sie. Es kann doch gar nicht so viele Teams geben, die an Phoenix arbeiten, oder? Und sie fragt sich, wie eine einzelne Person das System als Ganzes verstehen kann, insbesondere wenn es aus so vielen verschiedenen Technologie-Stacks aufgebaut ist.

      Maxine ist normalerweise kein großer Fan von starrer Standardisierung, aber es sollte auch nicht jeder einfach das benutzen können, was ihm gerade im Moment besonders gut gefällt. Jede Entscheidung ist gleichzeitig eine Verpflichtung, bestimmte Systeme oder Tools auf Jahre oder sogar Jahrzehnte hinaus zu unterstützen – Entscheidungen, die weit über ein einziges Team hinauswirken.

      Wie die meisten Entwickler ist sie sehr abergläubisch und befürchtet, dass der Build scheitern könnte, wenn sie ihn nicht die ganze Zeit beobachtet. Fast drei Stunden nach dem Start des Builds stoppt plötzlich die scrollende Ausgabe im Build-Fenster. Ihr Herz rutscht in die Hose, als sie liest:

      builder: ERROR: missing file: credentials.yaml

      Verdammt! Sie vermutet, dass sie irgendwelche Anmeldedaten braucht, die sie nicht hat.

      Sie schreibt Kurt, und der antwortet sofort:

      Oh, ja. Dazu müssen Sie ein Ticket öffnen, um Ihr Log-in mit Ihrem Active-Directory-Konto zu verknüpfen. Nur Susan kann das anstoßen. Kontaktinformationen kommen.

      Anstatt Susan eine E-Mail zu schicken, geht Maxine direkt zu ihr und erfährt, dass die fehlende Datei ein kryptografisches Zertifikat enthält, das von irgendeinem weit entfernt arbeitenden Sicherheitsteam stammt. Susan durchsucht Jahre an E-Mail-Kommunikation, um herauszufinden, wie man Ersatz bekommt. Als sie endlich etwas findet, fotografiert Maxine die E-Mail-Adresse.

      Sie ist so kurz davor, den ersten Phoenix-Build erfolgreich abzuschließen!

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