Schauplatzwunden. Ludwig Laher

Schauplatzwunden - Ludwig Laher


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      Ludwig Laher

      SCHAUPLATZWUNDEN

      Über zwölf ungewollt verknüpfte Leben

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      Ludwig Laher

      SCHAUPLATZWUNDEN

      Über zwölf ungewollt verknüpfte Leben

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      Gedruckt mit Unterstützung der Kulturabteilung des Landes Oberösterreich, der Stadt Wien, Kultur, des Zukunftsfonds der Republik Österreich und des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus.

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      Laher, Ludwig: Schauplatzwunden / Ludwig Laher

      Wien: Czernin Verlag 2020

      ISBN: 978-3-7076-0707-9

      Die Orthographie entspricht weitgehend der alten Rechtschreibung.

      © 2020 Czernin Verlags GmbH, Wien

      Lektorat: Karin Raschhofer-Hauer

      Autorenfoto: Reinhard Winkler

      Umschlaggestaltung: Mirjam Riepl

      ISBN Print: 978-3-7076-0707-9

      ISBN E-Book: 978-3-7076-0708-6

      Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien

      Inhalt

       Einbegleitung

       Auleitner, Alois

       Blach, Amalia

       Bogner, Johann

       Haas, Rudolf

       Haller, Edmund

       Hamberger, Gottfried

       Huber, Josef

       Mayer, Josef

       Neuwirth, Josef

       Rosenfels, Albine

       Steffl, Ludwig

       Steininger, August

       Nachschrift

       Anmerkungen

      Ich war überzeugter Nationalsozialist und bin es im Grunde genommen heute auch. Man kann uns ja außer dieser Judengeschichte gar nichts nachweisen. Es ist ja nur Gutes geschehen. (Stefan Schachermayr, Ex-SA-Obersturmführer und Gauinspekteur von Oberdonau außer Dienst, 2005)

      Was wir da alles mitmachen haben müssen. Ich sag halt immer, die hätten sie irgendwo hintun sollen, wo sie abgeschlossen gewesen wären, nicht? Wo niemand nichts gesehen hätte, wo niemand dieses Leid und dieses Dings gesehen hätte. Irgendwo versteckt. Aber wir haben da alles mitmachen müssen.

       (Eine namentlich bekannte Zeitzeugin, deren Bauernhof direkt gegenüber dem Lager Weyer situiert war, 1985)

      Einbegleitung

      In diesem Buch will ich von etlichen Menschen berichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten und auf den ersten Blick nichts gemeinsam haben. Alt Gewordene und jung Gestorbene werden darin aufgerufen, etwa ein Jurist mit erstaunlicher Berufskarriere oder ein Säugling, der lediglich vier Wochen leben darf, und das im Elend. Sie stammen aus einfachen oder aus begüterten Verhältnissen, auch ihr kultureller Hintergrund differiert zuweilen beträchtlich.

      Der Zufall, besser gesagt die reine Willkür derer, die sich berechtigt sehen, über andere nach Belieben zu verfügen, verknüpft sie ohne Ausnahme für eine Weile mit ein und derselben Adresse, obwohl der wohlbestallte Bauer und Grundbesitzer aus Kirchschlag im dem Reichsgau Oberdonau angegliederten Südböhmen hoch über einem Moldauknie, heute Světlík in Tschechien, dem auffällig gewaltaffinen Fleischhauer aus dem oberösterreichischen Prambachkirchen sonst kaum je einmal begegnet wäre, jedenfalls nicht auf diese fatale Weise. Und so gut wie niemand von ihnen wäre nur Wochen davor auf die Idee gekommen, jemals mit dem abgelegenen winzigen Weiler Weyer am Rand des ausgedehnten Weilhartforstes bei Braunau am Inn in Verbindung gebracht zu werden.

      Überwiegen auf den folgenden Seiten wie in der Wirklichkeit von damals sollen jene, deren Sterbeurkunde die ominöse Adresse beinhaltet, die aus Rache oder wegen der schlimmen gesundheitlichen Folgen des Aufenthaltes dort samt dem Nachspiel Mauthausen ihre Entlassung nicht lange überleben, die von Weyer über andere Lager einzeln in den gewaltsamen Tod gehen oder im Sammeltransport direkt zur Vernichtung deportiert werden, weil anderswo effizienter gemordet werden kann. Es braucht eben nur wenige, um viele zu beaufsichtigen, auszubeuten, leiden zu lassen, aktiv zu quälen, zur Befriedigung sadistischer Gelüste gegebenenfalls gar totzufoltern, sofern die wenigen gut bewaffnet sind, das Lagergelände ausreichend befestigt ist und solches Vorgehen sich als politisch erwünscht erweist.

      Doch geht es diesem Buch ganz bewusst nicht nur um behutsam literarisierte, wenngleich reale Biographien der sogenannten Opfer, exemplarisch wird auch bei den Tätern vorbeigeschaut sowie bei Leuten, die weder der einen noch der anderen Gruppe angehören und doch nachhaltig in jene Geschehnisse verwickelt sind, denen sich mein Vorhaben verdankt.

      Als nüchterne Gliederung soll mir das Alphabet dienen. Bunt durcheinandergewürfelt, gereiht nach den zufälligen Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen, werden die Menschen hier vorgestellt. Dass daraus dennoch statt Stückwerk ein großes, beziehungsreiches Ganzes entstehen möge, ist mir gestalterische Herausforderung. Vorwiegend handelt es sich bei den Ausgewählten übrigens um Männer und Kinder, denn deren Anzahl dominiert unter denen, die leiden, oft sterben müssen, beträchtlich. Die Täter wiederum rekrutieren sich ohnehin ausnahmslos aus den selbsternannten Herren der Schöpfung.

      Anfang des Jahrtausends legte ich einen dokumentarischen Roman zum gleichen Thema vor, dessen Erfolg bei Kritik und Publikum auf der Recherchequalität, seiner konsequent radikalen Sprache und wohl auch auf der Tatsache gründete, dass es der kollektiven Erzählfigur nicht vergönnt war, sich in der ameisenartig utilitaristischen Welt nationalsozialistischer Prägung länger bei einzelnen Menschen aufzuhalten, gar richtige Protagonistinnen, Protagonisten aufzubauen. Helden, wenn man dieses Wort verwenden will, Helden sind in Herzfleischentartung die Strukturen der Barbarei, im Rahmen derer einzelne, sofern sie nicht zur obersten Machtelite zählen, keine besondere Rolle spielen.

      Wenn nun in diesem Komplementärunternehmen konkreten Menschen nachgespürt wird, so versteckt sich dahinter keineswegs die Absicht, meinen ursprünglichen Ansatz zu korrigieren, ganz im Gegenteil. Die Porträtierten, selbst wenn sie in Ausnahmefällen Befehlsgewalt ausübten


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