Mainfranken Reiseführer Michael Müller Verlag. Hans-Peter Siebenhaar
Sachs) prägen das Bild der Stadt. Eine schwere Strukturkrise in den 1990er-Jahren konnte mittlerweile überwunden werden. Noch ist der Strukturwandel in vollem Gange, das kulturelle Leben aber blüht: Historie und zeitgenössisches Kunst- und Kulturleben gehen eine interessante Mischung ein. „Industrie und Kunst“ lautet das Schlagwort und Namen wie das Museum Georg Schäfer, das Museum Otto Schäfer und die 2009 eröffnete Kunsthalle Schweinfurt spielen hierbei eine bedeutende Rolle. 2022 soll zudem ein Kulturforum eröffnet werden. Dementsprechend hat sich der Tourismus in Schweinfurt erheblich weiterentwickelt.
Die Industriestadt - heute mehrheitlich protestantisch - zählt zu den ältesten Orten Mainfrankens. Bereits 791 wurde Schweinfurt zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Die einstige freie Reichsstadt umfasste ein Territorium von gerade mal 53 km2. Erst 1802 verlor die Stadt durch die Annektierung durch Bayern ihre politische Selbstständigkeit. Leider haben sich nicht allzu viele historische Gebäude erhalten, denn als Zentrum der kriegswichtigen Wälzlagerindustrie in Nazideutschland wurde Schweinfurt zur Ruinenwüste bombardiert. Doch in den letzten Jahren wurden die verbliebenen Bereiche, beispielsweise der Zürch, Zug um Zug saniert und restauriert. So entstand auch eine große Fußgängerzone, die Schweinfurt mittlerweile als Einkaufsstadt interessant macht. Hier ist außerdem die weitläufige, 2009 eröffnete Stadtgalerie mit insgesamt 100 Geschäften zu nennen.
In den letzten 150 Jahren entwickelte sich die kleine Fischer-, Schiffer- und Handwerkersiedlung zu einer bedeutenden Industriestadt, die sich mit Kugellagern, Stoßdämpfern und Kleinmotoren europaweit einen Namen gemacht hat. Durch die wirtschaftliche Monostruktur haben hier konjunkturelle Krisen allerdings besonders hart zugeschlagen, vor allem in den 1990er-Jahren.
Denk’ mal
Der holländische Künstler herman de vries, der Eschenau im Steigerwald zu seiner Wahlheimat erkoren hat, setzt mit einem Denkmal in den Mainauen bei Schweinfurt/Oberndorf ein Zeichen gegen das Vergessen: Eine runde Steinbank, flankiert von drei Linden, erinnert an das Schicksal der Zwangsarbeiter, die im Zweiten Weltkrieg für die Schweinfurter Kugellagerindustrie schuften mussten. Die aus ganz Europa nach Deutschland verschleppten Männer und Frauen lebten unter menschenunwürdigen Bedingungen in einer Barackenstadt auf den Mainwiesen - fern der Heimat, unterernährt, misshandelt und den alliierten Luftangriffen auf die Industriestadt schutzlos ausgeliefert. Fünf Jahrzehnte war das Thema Zwangsarbeit in Schweinfurt tabu - jetzt stellen sich die Stadt und die Großbetriebe der Geschichte. Anders mainaufwärts in Haßfurt. Hier hat man lange verdrängt, dass Fritz Sauckel, einer der Hauptkriegsverbrecher der Nazizeit und bei den Nürnberger Prozessen zum Tod verurteilt, ein Sohn der Stadt ist. Sauckel hatte den Zwangsarbeitereinsatz im Dritten Reich organisiert. Er war für die Verschleppung und den Tod von Millionen Menschen zwischen 1939 und 1945 verantwortlich.
Sehenswertes
Museum Georg Schäfer: Nach den Plänen des Berliner Architekten Volker Staab wurde der kubische Bau in den Jahren 1998/99 errichtet und 2000 eröffnet. Er präsentiert die bedeutendste Privatsammlung der Kunst des 19. Jh. aus dem deutschsprachigen Raum. Mit Gemälden und Arbeiten auf Papier vom ausgehenden 18. bis zum Beginn des 20. Jh. bietet das Museum ein Panorama der unterschiedlichsten Kunstströmungen dieser Zeit, vom späten Rokoko über Klassizismus und Romantik bis hin zum Impressionismus. Zu den Meisterwerken des Museums zählen Franz Pforrs Gemälde „Sulamith und Maria“, Caspar David Friedrichs „Abend an der Ostsee“ oder Adolph Menzels „Cercle am Hof Kaiser Wilhelms I.“. Mit der weltweit größten Sammlung seiner Werke ist Carl Spitzweg vertreten: 160 Gemälde und 120 Zeichnungen. Von Adolph Menzel besitzt die Sammlung über 100 Gemälde, Gouachen und Zeichnungen. Weitere größere Werkblöcke gibt es von Caspar David Friedrich, Georg Ferdinand Waldmüller, Hans Thoma, Wilhelm Leibl und seinem Kreis sowie von Max Liebermann und Max Slevogt. Neben der großen ständigen Ausstellung finden hochkarätige Wechselausstellungen, Vortragsreihen, Führungen, Konzerte und Lesungen statt.
♦ Di 10-20 Uhr, Mi-So 10-17 Uhr, Mo geschlossen. Eintritt 7 €, erm. 6 €, Studenten ab 2,50 € (Kombination Dauerausstellung und Sonderausstellung), jeden ersten Di im Monat freier Eintritt. Diverse feste Führungstermine. Brückenstr. 20 (direkt über einem Parkhaus), Tel. 09721/514820 (Sekretariat) und 514825 (Kasse), www.museumgeorgschaefer.de.
Rathaus: Das prachtvolle Wahrzeichen der Stadt mit seiner fein gegliederten Fassade gilt als ein frühes Beispiel deutscher Renaissance. Zwischen 1570 und 1572 wurde es vom Baumeister Nikolaus Hofmann errichtet. Beachtenswert ist der Erkerturm mit dem Wappen Kaiser Maximilians (1564-76), in den Fängen des Doppeladlers das Schweinfurter Stadtwappen. An der Balkonfront sind die Wappen der sieben Kurfürsten zu sehen, an den Giebeln allegorische Figuren. In der ehemaligen Kaufhalle im Erdgeschoss ist heute die Tourist-Info Schweinfurt 360°C untergebracht. Markt 1.
Marktplatz: An der Südostecke steht das Geburtshaus (Markt 2) von Friedrich Rückert, in der Mitte des Marktplatzes erhebt sich sein Denkmal. Zu Füßen des Schriftstellers und Orientalisten symbolisieren allegorische Figuren seine beiden Hauptwerke, „Die Weisheit des Brahmanen“ und „Geharnischte Sonette“.
Friedrich Rückert - Lyriker, Übersetzer, Professor
Um den berühmten Sohn der Stadt kommt niemand herum. In nachdenklicher Pose thront er in einem großen Sessel auf dem Schweinfurter Marktplatz. Ein paar Meter weiter steht sein Geburtshaus mit der bronzenen Gedenktafel (schräg gegenüber vom Rathaus). Am 16. Mai 1788 kam Friedrich Rückert hier zur Welt. Der spätromantische Dichter und sprachgewandte Übersetzer liebte Franken, aber haderte mit dem Namen seiner Heimatstadt. „Hättest Mainfurt, hättest Weinfurt, weil du führest Wein, heißen können, aber Schweinfurt, Schweinfurt sollt’ es sein?“ Friedrich Rückert, der am 31. Januar 1866 in Neuses bei Coburg starb und dort begraben liegt, gelang es dank seines außergewöhnlichen Sprach- und Übersetzertalents, bedeutende Werke der persisch-arabischen Dichtung für deutsche Leser zu erschließen. Sein berühmtestes Werk ist „Die Weisheit des Brahmanen“, das 1836-39 in sechs Bänden erschien und in Form klassischer Alexandriner östliche und westliche Lebensweisheiten zusammenfasst. Diese Arbeit faszinierte später auch Hermann Hesse, der in seinem Roman „Das Glasperlenspiel“ dem Dichter ein literarisches Denkmal setzte. Rückert, ab 1826 Professor für Orientalistik an der Universität Erlangen, später in Berlin, ist in Franken, insbesondere in seiner Geburtsstadt, unvergessen: Straßen, Schulen und Apotheken tragen bis heute seinen Namen.
Das im Renaissance-Stil erbaute Rathaus ist das Wahrzeichen der Stadt
Kirche St. Johannis: Die evangelische Stadtpfarrkirche ist das älteste und einzige erhaltene mittelalterliche Bauwerk der Stadt. Bereits im 13. Jh. stand hier eine romanische Basilika, die zu Beginn des 15. Jh. durch einen gotischen Neubau ersetzt wurde. Als sich die freie Reichsstadt Schweinfurt 1542 der Lehre Martin Luthers anschloss, wurde die Johanniskirche Zentrum der evangelischen Gemeinde. Der Übergang vom Katholizismus zum Protestantismus vollzog sich gewaltlos. Auch hat es hier nie einen Bildersturm gegeben - ein Grund dafür, dass die Kirche bis auf den heutigen Tag wertvolle Kunstschätze beherbergt, die bis in die Romanik zurückreichen. Beachtenswert sind im Inneren der gotische Taufstein (1367) mit seinen Aposteldarstellungen, die prunkvolle, von einem triumphierenden Christus gekrönte Barockkanzel (1694) und der frühklassizistische Stuckmarmor-Hochaltar des Würzburger Hofstuckateurs Materno Bossi (1783) sowie eine Reihe von Grabdenkmälern wie das des Reichsvogts Konrad von Seinsheim (1369) und des Junkers Wolf Christoph von Steinau (1585).