Grünröcke erzählen .... Группа авторов

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eine große und wirklich schöne Pachtjagd im bayerischen Hochgebirge erworben, eben jene neben dem Besitztum meines Freundes, ein transportables Jagdhaus von Pieper dort aufgestellt, ein Jäger mit einer stattlichen Meute von Hunden darin installiert, und das Waidwerken konnte beginnen.

      Wöchentlich zwei- bis dreimal kamen die „Gebrüder Strohkleien“ aus München in ihr Revier, und an diesen Tagen gab’s für mich und für meinen Freund keine Jagd, denn wir bewaffneten uns nur mit unseren Gläsern (Anmerkung: Ferngläsern), um von der Reviergrenze aus Beobachtungen anzustellen. Da gab’s nämlich immer etwas zu sehen, worüber wir lachen mussten, manchmal wahrhaft zwerchfellerschütternd, dass uns die Tränen an den Wangen herunterliefen.

      Schon die Adjustierung der beiden „Strohkleien“ war im höchsten Grade possierlich; ich brauche sie nicht erst lang und breit zu beschreiben, da speziell bezüglich ihres „Gewandes“ genügt, wenn ich sage, dass dasselbe echt „salontirolerisch“ war, unpraktisch über alle Maßen, aber funkelnagelneu und von den sicherlich teuersten Firmen bezogen.

      Die Armierung ließ zu wünschen nicht übrig: prächtige Drillinge mit Zielfernrohren, vergoldete Hirschfänger, Jagd- und Patronentaschen aus echtem Krokodil- oder Saffianleder, kurzum: höchster Komfort! Die Meute bestand aus kurzhaarigen und stichelhaarigen Vorstehhunden, bayerischen Gebirgsbracken und Teckeln (Anmerkung: Dackeln) schweren und mittleren Schlages, recht hübschen Hunden, von welchen jedoch vielleicht kein einziger ferm (Anmerkung: als jagdlicher Gebrauchshund) dressiert war; daraus machten sich die Herren „Strohkleien“ allerdings nichts, sondern hatten ihre Freude daran, wenn die Köter nur recht mörderisch durcheinander heulten und kläfften, unbekümmert darum, dass dieses Höllenspektakel das Wild für Stunden in der Runde vergrämte.

      Der Jäger der beiden Brüder, ein strammer, kerniger Bursch aus der Gegend, passte zwar durchaus nicht zu seinen Herrn und Hunden, da er seine Sache sehr gut verstand, doch war er ein schlauer Patron und als solcher so klug, zu allen jagdlichen „Patzern“ seiner Gebieter zu schweigen, um sich deren Huld dauerhaft zu erhalten; er fand alles, was sie taten und beschlossen, für „ganz gut“ und „in Ordnung“ und bekam dafür alsbald den Titel eines „Oberjägers“ verliehen, obgleich es an einem „Unterjäger“ noch fehlte.

      Mein Freund machte darüber einen gelungenen Witz, dass die obere Hälfte des schlauen Gesellen wahrscheinlich den Oberjäger vorstelle, während seine unteren Extremitäten offenbar mit dem Unterjäger-Titel fürlieb nehmen mussten, oder auch, dass er, ausgezogen in seinen Unterkleidern, zum Unterjäger herabsank, um sich erst wieder in seiner laubfroschgrünen Büchsenspanner-Livree mit dem goldenen Eichenlaub auf dem Kragen als Oberjäger fühlen zu dürfen.

      Eines Morgens, als die Herren „Strohkleien“ abermals „Jagten“ und ich und mein Freund wie gewöhnlich die Grenze abstreiften, um womöglich wieder etwas von dieser „Jagd“ zu erlauschen, trug sich zufälligerweise gerade in unserer allernächsten Nähe eine lustige Begebenheit zu, die wir daher in allen ihren Phasen zu verfolgen Gelegenheit hatten.

      Kaum hundert Schritte von unserer Grenze entfernt, wo wir im dichten Stangengehölz versteckt auf der Lauer lagen, standen in einem Graben Otto und Fritz „Strohkleien“ auf mehr als Büchsenschussweite auseinander unter zwei mächtigen Bäumen postiert, jeder schussbereit seinen Drilling zur Hand, und harrten sichtlich erregt, was ihnen durch die vom „Oberjäger“ geführte Meute aus einem nahen Jungmaisbestand zugejagt werden würde. Schon war der Trieb fast zu Ende, als sich ihre Hoffnungen, zu Schusse zu kommen, doch noch erfüllten, denn ein Bock – kapitaler Sechser – stürmte in wilden Fluchten an ihnen vorüber.

      „Bum“, „bum“, bum“, sprach der Drilling des Herrn Otto. „Bum“, „bum“, „bum“, echote jener des Herrn Fritz, aber trotz zweier Kugelschüsse und vier Schrotschüssen wäre es dem Bock doch noch geglückt, mit heiler „Haut“ zu entkommen, wenn ihm nicht noch in letzter Minute der „Oberjäger“, aus dem Jungmais tretend, rasch eine dritte Kugel nachgesandt hätte. Da der Bock seine Richtung im selben Augenblick abänderte und einen Seitensprung machte, wodurch er seine Breitseite darbot, so bekam er die Kugel ohne Zweifel in den Halsknochen oder ins Rückgrat, denn er brach im Feuer zusammen und erhielt von dem rasch hinzugeeilten „Oberjäger“ den Fangschuss.

      Otto und Fritz verließen hierauf ihre Stände und näherten sich dem Erlegten; Fritz mit sauersüßer, Verdrossenheit verratender Miene, Otto hingegen in aufgeräumter Stimmung.

      „Hast du deine Kodak bei dir?“ hörten wir Otto seinem Bruder zurufen.

      „Wie immer!“ entgegnete dieser. „Wozu?“

      „Welche Frage!“ erwiderte Otto. „Zum Photographieren natürlich. Es wird eine prächtige Aufnahme geben. Licht ist gut, Hintergrund pittoresk; ich stelle mich, Gewehr bei Fuß, dort an jenes Haselgebüsch. Der Bock liegt mir als Beute zu Füßen, und der Oberjäger überreicht mir den grünen Bruch. Ganz famose Idee das. Vielleicht nicht?“

      „Wäre nicht übel, wenn du den Bock selber geschossen hättest!“ versetzte hämisch der Bruder.

      „Mein Gott! Nimmst es du denn genau? Von dem großen Fuchsfell, das in deinem Zimmer unter dem Rauchtischchen liegt, erzählst du doch jedem, der es hören will, du hättest dasselbe erbeutet, obgleich diesen Fuchs ebenso unser Oberjäger erlegte wie den heutigen Bock.“

      Der Hieb saß vortrefflich; Fritzchen muckte nicht mehr, sondern holte aus seiner Jagdtasche die Kodak hervor, während Otto hinter dem erlegten Bock Aufstellung nahm und neben sich den Oberjäger postierte – in theatralischer Pose, wie er, eine Art Kniebeuge machend, mit abgebogenem Arm seinem Herrn und Gebieter einen Eichenbruch überreicht.

      „So, fertig!“ kommandierte Otto. Er und der Oberjäger standen unbeweglich wie Säulen; Fritzchen machte „klapp“, und die Aufnahme war vorüber, allem Anscheine nach ganz gelungen. Dann brannten sich die beiden „Waidmänner“ je eine echte Havanna an und schnürten mit ihren Hunden von dannen, während dem Oberjäger noch das Aufbrechen und Zerwirken des Bockes oblag.

      Ungefähr sechs oder sieben Wochen danach erschien in einer illustrierten Revue ein uns wohlbekanntes Tableau: den berühmten Nimrod Otto „Strohkleien“ darstellend, mit einem kapitalen Sechserbock zu Füßen, über welchen ihm der „Oberjäger“ ehrehrbietigst einen Eichenbruch überreicht. Und unter dem Bild erzählt Otto „Strohkleien“ selbst über sein gewaltiges Waidwerken in der Saison, weitläufig und bombastisch, so bandwurmartig in die Länge gezogener Satzgefüge und Satzwendungen sich bedienend, dass man bei dieser Lektüre nicht nur St. Hubertus anrufen musste, sondern auch den heiligen Ulrich, welcher bekanntermaßen der Schutzpatron aller von Übligkeiten (Anmerkung: Übelkeiten) befallenen Sterblichen ist.

      Zum Schluss sei nur gesagt, dass das originelle brüderliche Jagdherrenpaar im bayerischen Hochgebirge noch heutzutage sein jagdliches Unwesen treibt und in der dortigen Gegend bereits eine gewisse „Berühmtheit“ erlangt hat, da es in jener schlichten, ursprünglichen Bergwelt eine daselbst bisher unbekannt gewesene Neuheit eingeführt hat: „Das Jagdfexentum!“

       Nun ist es aber nicht nur so, dass sogenannte „Prestigejäger“ unangenehm auffallen können. Die nachfolgende Geschichte beweist, dass auch gestandene Jäger, die ihrer Passion mit Leib und Seele nachgehen, vor Peinlichkeiten nicht gefeit sind. Hans Schischka schrieb eine solche Begebenheit im Jahre 1924 in der Zeitschrift „Der deutsche Jäger“. Er nannte sie:

       Der Pratzengirgl

      Wäre es nach der Größe seiner Hände gegangen, so hätte der Girgl eigentlich Claqueur werden müssen, denn diese Hände hatten die Größe türkischer Tschinellen und baumelten an zwei langen Armen so, dass Girgl, ohne sich bücken zu müssen, das Knie kratzen konnte, wenn er aufrecht stand.

      Da ihm der Beruf eines Claqueurs unbekannt war, trat er in die Fußstapfen seines Vaters und wurde Jäger im Hochgebirge. Seine Füße standen mit den Händen im proportionalen Verhältnis, und Girgls Dackel schlief ganz bequem in den Schuhen seines Herrn. Trotz der Größe


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