Seewölfe Paket 33. Fred McMason
Auch auf der Karavelle war ein Feuer ausgebrochen.
Die Galeone brannte nicht weniger auffallend. Beide Schiffe waren weit zurückgefallen und wurden kleiner und kleiner, unbedeutender und absolut ungefährlich, Sie stellten inzwischen nur noch eine üble Erinnerung, aber keine Gefahr mehr dar.
Hasard hoffte, daß einer der vernichtenden Treffer den Mönch vom Deck gewirbelt hatte. Wenn die Welt, gleichgültig an welcher Stelle, von einem derartigen Fanatiker befreit wurde, konnte es nur von Vorteil für alle sein, selbst für die Spanier.
Langsam entspannte sich Hasard.
Rumpelnd rollten die breiten Räder der Lafetten über die Decksplanken.
„Kann ich mich darauf verlassen, Ben, daß du das Schiff ohne ernsthafte Schwierigkeiten durch die nächsten dunklen Stunden steuerst?“
Hasard wandte sich an Ben Brighton, den Ersten. Jetzt fühlte er die Müdigkeit wie den Anfall einer rätselhaften Krankheit in seinen Knochen. Ben nickte, auch er grinste nicht.
„Der Wind wird uns nicht aus den Stiefeln kippen“, sagte er. „Du kannst dich ruhig in deine Koje verholen. Da kommt der Kutscher mit dem Getränk der Sieger.“
Der Gestank des verbrannten Pulvers war von Deck weggeblasen worden. Es roch nach gutem, dunkelrotem spanischen Wein aus den Kellern von Vigo. Und nach Rum aus der Karibik. Der Kutscher und Mac Pellew schenkten die Becher voll und kümmerten sich nicht darum, ob der Vorrat zur Neige ging oder nicht.
„Ein guter Schluck zur richtigen Zeit“, sagte Hasard gähnend. „Her mit dem Zeug, Mac.“
Er packte einen wuchtigen Becher, in dem eine ungewöhnlich große Menge Rum schwappte.
„Auf uns, die Seewölfe“, murmelte er. „Denkt ja nicht, daß alles vorbei ist. Bis zum Thron unserer guten, alten Lissy ist es noch verteufelt weit.“
Ben Brighton tat ihm Bescheid und war ebenso ernst, als er antwortete: „Viel zu weit, Sir. Das war nur ein weiteres Zwischenspiel einer langen Reise.“
„Wir wissen es“, murmelte Hasard und sah zu, wie die Buglaterne und die Hecklaterne angezündet und die Sanduhr umgedreht wurden. „Und wir wissen glücklicherweise nicht, wie unsere Welt morgen abend aussieht.“
Ben atmete tief ein und aus und sagte schließlich: „So ähnlich wie heute. Vielleicht noch schlimmer. Oder ganz anders.“
Die Ränder ihrer Becher berührten sich mit einem trockenen Geräusch. Sie schauten einander in die Augen, nickten sich zu und tranken.
Einige Stunden, in denen sie ausschlafen, träumen und sich entspannen konnten, lagen trotz des stürmischen Wetters vor ihnen allen. Morgen war ein anderer Tag, ein anderes Stück Atlantik lag vor ihnen. Es würde sich schon noch herausstellen, was dann wieder los war …
ENDE
1.
Nachdenklich blickte Hasard den schnell treibenden Wolkenschleiern nach, die sich im Norden düster drohend zusammenballten. Unmittelbar über der Kimm lag seit Stunden kaum verändert ein schmaler Streif schweflig gelber Helligkeit.
Ben Brighton, Erster Offizier an Bord der Schebecke, des schlanken Mittelmeerdreimasters der Arwenacks, sog prüfend die Luft ein und stieß sie hörbar wieder aus.
„Es riecht nach Sturm und Gewitter“, sagte er. „Und wir segeln mitten hinein.“
„Die Winterstürme im Atlantik sind so sicher wie das Amen in der Kirche“, entgegnete der Seewolf. „Damit mußten wir rechnen.“
„Ist schon klar.“ Der Erste fuhr sich mit der Hand über den Nacken. „Ich warte nur darauf, daß Don Ricardo den Wunsch äußert, dichter unter Land zu gehen.“
Don Ricardo de Mauro y Avila war der spanische Generalkapitän des Konvois – ein übellauniger, mürrischer Mann, hager, mit Hasenscharte und konstanten Bartschatten, die ihm einen düsteren Ausdruck verliehen. Sein Flaggschiff, die „Salvador“, segelte an der Spitze der Schatzgaleonen.
„Äußern kann Ricardo, was und soviel er will, solange er meine Befehle befolgt“, sagte Hasard grinsend.
Die Spanier wußten nicht, welchem Bluff sie aufgesessen waren und schon gar nicht, daß der berüchtigte Seewolf, el Lobo del mar, über ihr Schicksal bestimmte. Sie kannten Philip Hasard Killigrew nur als Don Julio de Vilches, einen Sonderbeauftragten Seiner Majestät Philipp III, dessen Auftrag es angeblich war, die enormen Reichtümer an Bord der Galeonen nicht in Spanien, sondern im befreundeten Irland anzulanden – aus nur schwer einsichtigen Gründen, über die de Vilches sich ohnehin weitgehend ausschwieg.
Die Schebecke, deutlich schneller als die anderen Schiffe, patrouillierte momentan in Lee, während die „Isabella“ unter Jean Ribault und die „Wappen von Kolberg“ die rückwärtige Sicherung übernommen hatten.
Schnell wechselnde Winde aus Nordwest bis West erschwerten einheitliche Segelmanöver und zwangen insbesondere die tiefgehenden Galeonen zu Kreuzschlägen. Die See war kabbelig, aber die durcheinanderlaufenden kurzen Wellen wuchsen schnell an und zeigten erste Schaumkronen.
Nicht einmal eine halbe Stunde verging, bis der Himmel sich mit bleierner Schwärze überzogen hatte. Der Stand der Sonne – es war ungefähr zwei Uhr nachmittags – ließ sich nur mehr ahnen, und der Schwefeldunst im Norden weitete sich aus.
Ein harter Wind bewegte die See. Die Wellen waren jetzt ausgeprägt lang, von weißen Schaumköpfen gekrönt, und vereinzelt wirbelte Gischt auf.
Mit schäumender Hecksee folgte die Schebecke den ersten Schiffen des Konvois. Die „Santos los Reyes Mayos“, und die „Salvador“ segelten nur wenige hundert Yards voneinander entfernt in Kiellinie.
Die Sicht wurde zunehmend schlechter. Über der Kimm wetterleuchtete es, aber noch war kein Donner zu vernehmen. Das Stampfen und Ächzen der Schiffsrümpfe, das gelegentliche Knallen der Segel und das lauter werdende Rauschen der Bugwellen übertönten alle anderen Laute.
Auf den Galeonen wurden die Hecklaternen angezündet. Ihr milchiger Schein vermischte sich mit dem diffusen Halbdunkel, das die Schiffe mehr und mehr zu Schemen werden ließ.
Innerhalb von Augenblicken zeigte sich die See ziemlich grob. Die Wellen begannen zu brechen und der weiße Schaum lag plötzlich in Streifen nahezu quer zum Kurs des Konvois.
Der steife Wind blähte die Segel bretthart. Nicht mehr lange, dann würde zumindest auf den schwergewichtigen Schatzschiffen das übliche Baumwolltuch eingeholt und durch die festeren Sturmsegel ersetzt werden müssen.
Pete Ballie, Gefechtsrudergänger der Arwenacks, stand an der Pinne der Schebecke. Ihm fiel als erstem auf, daß die „Salvador“ aus dem Kurs lief.
„Sir!“ Pete brüllte gegen das Heulen und Pfeifen des stürmischen Windes an. „Das Flaggschiff fällt ab!“
Sah Don Ricardo eine Chance, zur französischen Küste zu segeln? Immerhin lag die Bretagne nicht sehr weit entfernt, und mit ihren vielen Buchten und Einschnitten bot sie sicher auch vor einem stärker werdenden Unwetter Schutz.
„Ruder etwas Steuerbord!“ befahl Hasard. „Wir schließen auf.“
Pete Ballie hatte nichts anderes erwartet.
Die Schebecke segelte unter vollem Preß. Im Vergleich zu den schwerfälligen Galeonen flog sie fast übers Wasser, zumal der Seewolf den erst vor kurzem entwickelten „Spitzbusen“ vorheißen ließ. Das nahezu ballonförmige Beisegel bewährte sich bei Kursen mit raumem oder achterlichem Wind. Das Seltsame an diesem Segel war, daß es nicht an einer Rah, sondern lediglich an seinen drei Ecken gefahren wurde. Um überhaupt auf eine solche Idee zu verfallen, mußte man entweder verrückt oder ein Genie